AG Mainz verurteilt eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten mit Urteil vom 3.2.2017 – 86 C 399/16 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

von Leipzig geht es heute noch weiter nach Mainz. Wir stellen Euch hier ein Urteil des AG Mainz zu den Sachverständigenkosten gegen die (uns leider nicht bekannte) Kfz-Haftpflichtversicherung vor. Im Ergebnis ist das Urteil zwar richtig, in der Begründung jedoch wieder fehlerhaft. Das erkennende Gericht wechselt von § 249 I BGB zu § 249 II 1 BGB. Obwohl es eingangs die Sachverständigenkosten als über § 249 I BGB auszugleichende Vermögensnachteile ansieht, prüft es dann im Rahmen des § 249 II 1 BGB die Erforderlichkeit der einzelnen Rechnungsposten. Dabei werden werkvertragliche Überprüfungen der Einzelpositionen im Schadensersatzprozess unter dem Deckmantel des § 287 ZPO vorgenommen. Das ist ein Unding. Der Geschädigte legt mit der Vorlage der Rechnung den konkret entstandenen Vermögensnachteil dar. Mit der Vorlage des Beweismittels „Sachverständigenkostenrechnung“ beweist er auch die Höhe der Vermögensnachteile. Er ist damit seiner Darlegungs- und Beweislast nachgekommen. Einer Schadenshöhenschätzung nach § 287 ZPO bedarf es daher nicht. Im Übrigen ist im Rahmen der Schadenshöhenschätzung eine Überprüfung der einzelnen Rechnungsposten unzulässig. Irrtümlich meint daher das Gericht

„welche Kosten erforderlich zur Wiederherstellung sind, ist durch den nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichter zu schätzen.“

Das ist falsch, wenn konkrete Belege vorgelegt werden, die weder sittenwidrig noch wucherisch sind und dem Geschädigten kein Auswahlverschulden vorgeworfen werden kann. Die Einzelpostenprüfung hätte sich das Gericht daher ersparen können und müssen. Zum Schluss noch eine Bitte an Urteilseinsender: Gebt bitte die Versicherungen bekannt, damit wir die Urteile den einzelnen Versicherungen zuordnen können. Die im Urteil vorgenommenen Unterstreichungen stammen von dem Autor. Lest aber selbst das Urteil und gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab. 

Viele Grüße
Willi Wacker

Aktenzeichen:
86 C 399/16

Amtsgericht
Mainz

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

– Kläger-

gegen

– Beklagte –

wegen Schadensersatz aus Verkehrsunfall

hat das Amtsgericht Mainz durch die Richterin am Amtsgericht Dr. S. am 03.02.2017 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:

1.        Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 80,55 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.01.2017 zu zahlen.

2.        Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.        Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

4.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein weitergehender Anspruch in Höhe der eingeklagten 80,55 € gemäß §§ 7 StVG, 115 VVG, 249 ff. BGB zu.

1.
Die Klägerin ist (wieder) aktiv legitimiert.

Der Schadensersatzanspruch wurde durch den Sachverständigen zurückabgetreten.

2.
Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen.

Nach der ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehören die Kosten der Einholung eines Schadensgutachtens zu den gemaß § 249 Abs. 1 auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen. Demnach kommt es darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte (BGH, Urteil vom 30.11.2004, VI ZR 365/03, VersR 2005, 380 m.w.N.; BGH, Urteil vom 11.2.2014, VI ZR 225/13; BGH, Urteil vom 22.07.2014, VI ZR 357/13; BGH, Urteil vom 26.4.2016, VI ZR 50/15). Dass ein Sachverständiger hier beauftragt werden durfte, ist zwischen den Parteien letztlich unstreitig. Die Beklagte zu 2) hat einen Teil der Sachverständigenkosten bereits erstattet.

Darüber hinaus hat der Geschädigte nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das Gebot zur wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch nicht, dass der Geschädigte zu Gunsten des Schädigers sparen muss oder sich in jedem Falle so zu verhalten hat, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (BGH, Urteil vom 22.7.2014, VI ZR 357/13, Rn. 7). Das Grundanliegen des § 249 BGB darf nicht aus dem Auge verloren werden, dass nämlich dem Geschädigten  bei voller Haftung des Schädigern ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll. Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung abzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten, sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch bei der Beauftragung eines Kfz Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, die ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach den honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH, Urteil vom 22.7.2014, VI ZR 357/13).

Welche Kosten erforderlich zur Wiederherstellung sind, ist durch den nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichter zu schätzen.

3.
Die Kosten für das Sachverständigengutachten sind in Höhe von  erstattungsfähig.

a)
Die Beklagten sind zunächst verpflichtet, das durch die … GmbH berechnete Grundhonorar in Höhe von 525 € auszugleichen.

Die Sachverständigenrechnung ist mittlerweile vollständig beglichen. Sie bildet damit ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ (ex ante zu bemessenden) Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB (BGH, Urteil vom 22.07.2014, VI ZR 357/13, Rn. 16). Die individuellen Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten schlagen sich regelmäßig im tatsächlich aufgewendeten Betrag nieder (BGH, Urteil vom 26.4.2016, VI ZR 50/15).  Dass der Klägerin darüber hinaus individuelle Erkenntnismöglichkeitem zugestanden hätten, wonach sie hätte erkennen können, dass der von ihr ausgewählte  Sachverständige möglicherweise Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangte, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, ist hier nicht festzustellen.

b)
Die in Rechnung gestellten Nebenkosten sind ebenfalls zu ersetzen.

bb)
Dem Geschädigten obliegt im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebotes grundsätzlich eine gewisse Plausibilitätskontrolle der vom Sachverständigen geforderten und später berechneten Preise. Anders als beim Grundhonorar ist bei den Nebenkosten auch für einen Laien erkennbar, ob sich diese im Rahmen des üblichen bewegen. Es handelt sich um Kosten des täglichen Lebens, mit denen ein Erwachsener üblicherweise im Alltag konfrontiert ist und deren Höhe er typischerweise auch ohne besondere Sachkunde abschätzen kann (BGH, Urteil vom 26.4.2016, VI ZR 50/15, Rn. 14).

(1)
Eine Pauschale für Porto- und Telefonkosten in Höhe von 15,00 EUR ist erstattungsfähig. Darüber hinaus sind auch Schreibgebühren mit 1,45 EUR pro Seite erstattungsfähig, so dass der Kläger den in Ansatz gebrachten Gesamtbetrag von 19,95 EUR für erforderlich halten durfte.

(2)
Fotokosten sind in Höhe der berechneten 2,00 € pro Original (18,00 € insgesamt) und 0,50 € pro Kopie (4,50 € insgesamt) zu ersetzen (§ 287 ZPO; LG Mainz, Urteil vom 21. März 2013, 3 S 131/12).

(3)
Fahrtkosten sind in Höhe von 35,00 € zu eretzen.

Der Ansatz von 0,70 € pro Kilometer ist nicht zu beanstanden (§ 287 ZPO; LG Mainz, Urteil vom 21. März 2013, 3 S 131/12). Ersatzfähig; sind 50 km. Der Sachverständige hat seinen Sitz unter der Adresse … in … . Das Fahrzeug war an der Anschrift des Klägers untersucht worden (…). Die Distanz beträgt 25 km, insgesamt wurden also 50 km gefahren (Hin- und Rückfahrt). Es ergeben sich somit Fahrtkosten in Höhe von 35,00 EUR. Der Kläger ist auch nicht etwa gehalten, einen Sachverständigen zu beauftragen, dessen Büro sich in etwas geringerer Entfernung zu seinem Wohnort befindet, nur um dem Schädiger geringfügige Fahrtkosten zu ersparen.

(4)
Es ergibt sich somit ein berechtigter Betrag von 602,45 EUR netto und 716,92 EUR brutto.

Abzüglich bereits gezahlter 636,37 EUR verbleibt ein Restanspruch von 80,55.

4.
Der Ausspruch betreffend die Zinsen folgt aus § 291 BGB. Ein weitergehender Zinsanspruch kann nicht zugesprochen werden, da die Verzugsvoraussetzungen nicht dargelegt sind.

Ein Anspruch auf Erstattung weiterer außgergerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht nicht. Unstreitig wurden die außgergerichtlichern Rechtsanwaltskosten seitens der Beklagten beglichen. Durch die hier streitigen 80,55 EUR tritt auch unstreitig kein Gebührensprung ein. Nochmals können die außergerichtlichen Kosten nicht geltend gemacht werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Absatz 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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2 Antworten zu AG Mainz verurteilt eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten mit Urteil vom 3.2.2017 – 86 C 399/16 -.

  1. G.v.H. sagt:

    @ Willi Wacker

    Deine Eingangskommentierung zu diesem Urteil macht messerscharf deutlich, dass offensichtlich bei einigen Gerichten keine klaren Vorstellungen darüber herrschen, wann überhaupt nur § 287 ZPO und zu welchem Zweck Anwendung finden darf. Die Definition der Erforderlichkeit bezieht sich bekanntlich auch nur auf die Berechtigung zur Einholung eines Gutachtens und wohl kaum auf die Höhe der Gutachterkosten, denn dafür liegt die Grenzziehung für einen erheblichen Einwand weit außerhalb bzw. oberhalb der Honorarkürzungspraxis, wenn man den BGH-Beschluss der IX. Zivilabteilung wie folgt versteht und respektiert:

    „Honorarvereinbarungen dürfen im Hinblick auf die Verfassungsgarantie der Berufsausübung (Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz) in ihrer Rechtswirksamkeit nicht ohne ausreichenden Sachgrund beschnitten werden.

    Eine Honorarvereinbarung kann grundsätzlich das Sittengesetz nicht verletzen, wenn sie zu einem aufwandsangemessenen Honorar führt (BGH Urteil vom 03.04.2003 aaO).

    Die äußerste Grenze eines angemessenen Honorars ist überschritten, wenn der Auftragnehmer seinen Aufwand in grober Weise eigensüchtig aufbläht und das Wirtschaftlichkeitsgebot wissentlich außer Acht lässt.

    Das ist der Fall, wenn die äußerste Grenze eines aufwandsangemessenen Honorars um etwa das Doppelte überschritten wird.“

    Das „um etwa das Doppelte“ wäre also auf den jeweils zugebilligten Betrag anzuwenden, der nach „Kürzung“ zur Verfügung gestellt wird und damit erledigt sich eigentlich die Honorarkürzungspraxis von selbst, weil das Vorbringen auch vor diesem Hintergrund als nicht erheblich anzusehen ist.

    Vorzüglich anbinden lassen sich insoweit aber auch nachfolgende Rechtsgrundsätze:

    o Der zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag umfasst auch die Kosten, welche der Geschädigte für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens aufwenden musste (vgl. auch: Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 75.Auflage 2016, § 249 Rn. 58).

    o Die Vorschrift des § 249 BGB verpflichtet den Schädiger grundsätzlich, im Rahmen seiner Haftung die dem Geschädigten entstandenen Nachteile vollständig auszugleichen.

    o Es ist nicht Anliegen der Norm, diese Haftung unter Inanspruchnahme des Geschädigten auf dessen Kosten zu mindern bzw. auszuhöhlen.
    G.v.H.

  2. G.v.H. sagt:

    Diese, wohlgemerkt von Volljuristen, falsch verstandene Aufgabenstellung mit vermeintlicher Überprüfungsnotwendigkeit der Rechnungshöhe kotzt einen im wahrsten Sinne des Wortes inzwischen an.

    Die logische Sequenz der schadenersatzrechtlich beurteilungsvanten Parameter sollte doch inzwischen ebenso geläufig sein, wie die Tatsache, dass werkvertragliche Betrachtungsweisen in einer solchen gerichtlichen Auseinandersetzung nichts zu suchen haben.

    U.a. hat dies das AG Saarlouis mit Urteil vom 18.3.2015 – 26 C 419/14 (11) -so bildhaft und eindringlich dargelegt, dass man als Richterin oder Richter eigentlich nichts falsch machen kann, wenn es dort in den Entscheidungsgründen u.a. heißt:

    „B) Zur Höhe der Abrechnung und des hierauf gestützten Schadensersatzanspruchs:

    Zunächst einmal ist es ohne einen Kartell- oder monopolrechtlichen Prüfungsauftrag nicht Aufgabe der Gerichte, hinsichtlich der vertraglichen Preisabsprachen von Marktteilnehmern (hier zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen) für eine Vielzahl von Fällen verbindliche Vorgaben zur Honorarstruktur, zur Abrechnungshöhe und zur grundsätzlichen Höhe einzelner Abrechnungsunterpositionen zu machen, solange der Gesetzgeber den Gerichten hierfür keinen gesetzlichen Prüfungsspielraum eröffnet.

    Preiskontrolle hat durch die Gerichte in der Regel nicht stattzufinden (vergleiche BGH NZV 2007, 455 = DS 2007, 144).“

    Und was machen eine Reihe von Amtsrichtern und Amtsricherinnen ? Genau das Gegenteil von dem, was ihre Aufgabe wäre, wie man mit schöner Regelmäßigkeit auch hier auf captain-huk.de nachlesen kann.-

    Dazu gehört jedoch auch nicht das AG St. Ingbert mit nachfolgenden Überlegungen in den Entscheidungsgründendes Urteils vom 29.9.2014 – 9 C 196/14 (10) – wie folgt:

    „Der vom Kläger an den Sachverständigen gezahlte Rechnungsbetrag ist zur Schadensbeseitigung erforderlich im Sinne des § 249 BGB, da sich dem Kläger eine unterstellte Unangemessenheit der Sachverständigenrechnung nicht aufdrängen muss und überdies auch nicht konnte.

    Den Beklagten und ihren Prozessbevollmächtigten kann nicht entgangen sein, in welcher Mannigfaltigkeit Rechtsprechung zu Sachverständigenkosten vorliegt.

    Eingetragene Volkspreise gab es in der DDR; in der Bundesrepublik ist die Marktwirtschaft verbreitet, es sei denn, der Gesetzgeber hält es für notwendig, für bestimmte Berufsbilder Zulassungsvoraussetzungen und darüber hinaus Gebührenordnungen vorzusehen.

    Offensichtlich erkennt der Gesetzgeber keinen Regelungsbedarf, sondern lässt freie Preisbildung zu. Die vielfachen Versuche der Rechtsprechung, die Marktwirtschaft einzuschränken oder abzuschaffen, finden in diesem Amtsgerichtsbezirk keine Anerkennung. Das erkennende Gericht hält sich an die vom BGH vorgegebenen Grenzen, in denen Preise vereinbart oder verlangt werden können, nämlich beispielsweise § 138 BGB, §§ 315 ff BGB.

    Deshalb folgt das erkennende Gericht auch nicht der Rechtsprechung des Berufungsgerichts, das davon ausgeht dass die Üblichkeit im Sinne des § 623 II BGB in Anlehnung an das JVEG festzustellen ist. Die Rechtsprechung des Berufungsgerichts ist nicht vertretbar.-

    Bereits bei Mugdan in den Motiven, abrufbar in manchen Universitätsbibliotheken, kann man zur Entstehungsgeschichte der §§ 632, 612, allerdings unter anderer Bezifferung nachlesen, wie eine übliche Vergütung zu ermitteln ist, nämlich nach der Vorstellungswelt der an dem Geschäft beteiligten Kreise. Beim Abschluss eines Gutachtervertrages ist niemand beteiligt, der einer gesetzlichen Gebührenordnung wie dem JVEG unterworfen ist, sondern geschädigte Laien aller Bevölkerungskreise und die sogenannten Sachverständigen.

    Diese kennen keine Gebührenordnungen und deshalb sind diese auch nicht zur Auslegung ihrer Vereinbarungen heranzuziehen. Das erkennende Gericht kann auch nicht quasi als Gesetzgeber tätig werden und die Sachverständigentätigkeit an eine für sie überhaupt nicht vorgesehene Gebührenordnung, sei es auch nur mittelbar, bindet.

    Bei dem ganzen Verhau von Ansichten, die sich nicht zuletzt durch die Vorlage verschiedenster Urteile durch die Beklagte für jedermann erkennbar widerspiegelt, ist es mehr als offenkundig, dass dem Kläger sich gerade nicht aufdrängen konnte, wie hoch eine Sachverständigenvergütungsforderung sein kann, ohne überhöht zu sein.

    Nicht einmal das täglich mit solchen Fragen beschäftigte Gericht würde dies sofort erkennen, da die praktischen Fragen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet sind, und angesichts der Preisbildungsmechanismen in einer Marktwirtschaft auch nicht beantwortet werden können und zweites einer Marktwirtschaft auch Preisänderungen sowohl nach oben als auch nach unten nicht fremd sind und zweitens – was insbesondere der Beklagten bekannt sein müsste – nicht jeder Autofahrer ständig Unfälle baut, aufgrund derer er Erfahrung mit Gutachterrechnungen hat. Gutachterrechnungen nach Kfz-Unfällen gehören nicht zur erlebten Lebenswirklichkeit, wie beispielsweise Einkaufsrechnungen oder Lebensmittel- oder Strom- oder Wasserrechnungen.“

    Auch hier also eine engagierte und klare Absage an die versicherungsorientierte Mauschelei des VI. Zivilsenats des BGH.

    Das Urteil des AG Darmstadt vom 03.06.2016 – 304 C 147/16 ist insoweit ebenfalls noch erwähnungsbedürftig und verdeutlicht, wo die wirkliche Elite der Richterschaft zu finden ist.
    Dort liest man u.a.:

    „Daher ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, nicht etwa auf das Urteilsvermögen eines Sachbearbeiteis einer Haftpflichtversicherung, der sich tagtäglich mit der Prüfung und dem Vergleich von Sachverständigenrechnungen befasst, abzustellen. Vielmehr ist im Rahmen der subjektbezogenen Schadenbetrachtung auf die „spezielle Situation“ des Geschädígten und seine individuelÈn Einfluss- und Erkenntnisrnöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten Rücksicht zu nehmen
    (BGH, a.a.O., insbes. Urt. v. 15.10.91 – Vl ZR 314/90} = BGHZ 115, 964, 369 und – VI ZR 67/91 = BGHZ 115, 375, 378).

    Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen sind dem Geschädigten daher Markterforschung oder Preisvergleiche regelmäßig nicht zuzumuten und dürften ohne vorherige Begutachtung wohl auch kaum möglich sein, denn es fehlen – im Unterschied zum Mietwagenersatzgeschäft und zu den Reparaturkosten – einheitliche Abrechnungsmodalitäten bzw. allgemein zugängliche Tarifübersichten oder Preislisten, anhand derer der Kunde sich informieren könnte (BGH a.a.O.; OLG Nürnberg, Urt. v. 3.O7.02, 4 U 1001/02 = VRS 103, 321 ff.; OLG Naumburg a.a.O.; LG Saarbrücken, Urt. v. 10.02.11, 13 S 109/10, Bl. 58 ff. d.A. und LG Saarbrücken, Urt. v. 29.08.08, 13 S 108/08).

    Einem Unfallgeschädigten fehlen also regelmäßig die Vergleichsmöglichkeiten und Erkenntnisse in Bezug auf eine Billigkeitskontrolle der Vergütungsvereinbarung und dass dies hier im konkreten Fall – etwa z.B. wegen besonderer Kenntnis des Zedenten – anders gewesen sein soll, wird nicht einmal von der Beklagten selbst behauptet.“

    Aber insgeamt sind deshalb die vorgenannten 3 Urteile lesenswert, denn sie respektieren die Grundpfeiler des Schadenersatzes und negieren nicht § 249 S.1 BGB. Dem 6. Zivilsenat des BGH kann man vor diesem Hintergrund nur eine solide Rückbesinnung empfehlen verbunden mit dem verständlichen Wunsch, nicht alles, was von „oben“ kommt, unkritisch einfach abzuschreiben.
    G.v.H.

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