AG Medebach verurteilt HUK-Coburg Allg. Vers. AG zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht mit lesenswertem Urteil vom 19.8.2013 – 3 C 44/13 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

wir bleiben zunächst in Nordrhein-Westfalen. Nachstehend geben wir Euch ein Urteil des Amtsgerichts Medebach bekannt. Meines Erachtens handelt es sich um das kleinste Amtsgericht in Nordrhein-Westfalen. Umso überraschter ist man über das schnörkellose Urteil des AG Medebach zum Thema Sachverständigenkosten. Wieder war es die HUK-Coburg, die meinte, den zu leistenden Schadensersatzbetrag selbst bestimmen zu können. Dabei hat die HUK-Coburg wieder die Rechnung ohne das Gericht gemacht.  Die junge Richterin hat sich durch die ellenlangen Schriftsätze der HUK-Anwälte nicht aus der richtigen Bahn werfen lassen. Interessant sind auch ihre Ausführungen im Urteil zum „Gesprächsergebnis BVSK mit HUK-Coburg“. Völlig zutreffend hat sie zum Ausdruck gebracht, dass eine „Sondervereibarung“ zwischen einem Berufsverband der Sachverständigen miteiner Kfz-Haftpflichtversicherung kein Maßstab für den Rahmen der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB sein kann. Schon der BGH hatte entschieden, dass Preise aufgrund einer Sondervereinbarung mit einer Haftpflichtversicherung keine marktüblichen Preise darstellen (vgl. BGH ZfS 2010, 143 ff.). Ebenso klar hat sie den Unterschied zwischen werkvertraglichen Voraussetzungen und schadensrechtlichen Grundsätzen erkannt und in das Urteil eingearbeitet. Insgesamt ein interessantes und lesenswertes Urteil, das es wert ist, einem breiten Leserkreis bekannt gegeben zu werden. Gebt bitte Eure Meinungen bekannt. Wir warten auf Eure Kommentare.

Viele Grüße
Willi Wacker

3 C 44/13

Amtsgericht Medebach

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

der … ,

Klägerin,

gegen

die HUK-COBURG-Allgemeine Versicherung AG, vertr. d. d. Vorstand, Bahnhofsplatz, 96450 Coburg,

Beklagte,

hat das Amtsgericht Medebach
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am 19.08.2013
durch die Richterin …

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 84,31 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.11.2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

(der Tatbestand ist nach § 313 a ZPO entbehrlich)

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg, da sie zulässig und begründet ist.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung restlicher Sachverständigenvergütung aus dem abgetretenem Schadensersatzanspruch in Höhe von 84,31 € nach §§ 249, 823 BGB, 7, 17 StVG i. V.m. § 398 BGB.

Gem. § 249 II 1 BGB kann der Geschädigte eines Verkehrsunfalls vom Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand die Kosten verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen, vgl. BGH, Urteil v. 23.01.2007, VI ZR 67/06.

Ein in Relation zur Schadenhöhe berechnetes Sachverständigenhonorar kann grundsätzlich als erforderlicher Herstellungsaufwand i. S. d. § 249 II 1 BGB verlangt werden, BGH NJW 2007, 1450. Allein dadurch, dass ein Sachverständiger eine an der Schadenshöhe orientierte Pauschalierung des Honorars vornimmt, überschreitet er die Grenzen zulässiger Preisgestaltung nicht, BGH NJW 2006, 2472. Zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts, um einen möglichst günstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, ist ein Geschädigter grundsätzlich nicht verpflichtet, vgl. BGH NJW 2007, 1450, OLG Nürnberg SP 2002, 358.

Es ist für das Gericht kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ersichtlich. Der in Rechnung gestellte Betrag bietet nicht von vornherein Anlass dafür, diesen als überhöht und ungerechtfertigt anzusehen. Dies gilt auch hinsichtlich der berechneten Nebenkosten, vor allem bezüglich der Fotos, der Schreibgebühren, der Vorkorrespondenz + Kopien und der Fahrtkosten, wobei das Gericht nach § 287 ZPO vorgegangen ist.

Entgegen der Ansicht der Beklagten, muss sich die aus abgetretenem Recht klagende Klägerin auch nicht an dem Sachverständigenhonorar gemäß der Empfehlung des BVSK orientieren. Es erscheint dem Gericht nicht gerechtfertigt, sich an einer Preiserhebung zu orientieren, die durch die Versicherungswirtschaft in Auftrag gegeben wurde, vgl. AG Lübeck, Urteil von 06.07.2010, Az.: 31 C 1771/10, AG München, Urteil vom 19.05.2010, Az.: 345 C 8750/10. Zudem dient das Gesprächsergebnis der Beklagten mit dem BVSK in erster Linie als Prüfungsmaßstab für die Mitarbeiter der Versicherung bei Überprüfung der Sachverständigenkosten auf ihre Angemessenheit hin, vgl. Fuchs SP 2008, 194. Damit dient das Gesprächsergebnis eigentlich nur der werkvertraglichen Überprüfung des Sachverständigenhonorars auf seine Angemessenheit i. S. d. § 632 BGB. Im Schadensersatzprozess kommt es aber auf werkvertragliche Gesichtspunkte nicht an, vgl. LG Dortmund, Urteil vom 5.8.2010, Az.: 4 S 11/10.

Der Zinsnaspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB ab Rechtshängigkeit. Ein vorheriger Zinsanspruch aus Verzug nach § 286 BGB ergibt sich nicht, da die Klägerin weder eine Mahnung vorgetragen hat, noch, dass die Beklagte die Zahlung ernsthaft und endgültig verweigert hätte. Die bloße Tatsache, dass die Beklagte eine Kürzung ohne nähere Begründung vorgenommen hat, reicht hierfür nicht aus.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 II Nr. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Der Streitwert wird auf bis zu 300,00 € festgesetzt.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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7 Antworten zu AG Medebach verurteilt HUK-Coburg Allg. Vers. AG zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht mit lesenswertem Urteil vom 19.8.2013 – 3 C 44/13 -.

  1. Heinrich F. sagt:

    Klein aber fein.

    Medebach ist eine Kleinstadt im Hochsauerlandkreis, im östlichen Nordrhein-Westfalen. Im Mittelalter wurde in der Stadt Fernhandel betrieben, und sie war Mitglied der Hanse. (Wikipedia).

    Wie es im Sauerland üblich war und noch ist: Trocken und knapp, aber zielsicher. Also ganz anders als vergleichsweise das AG (HUK) Coburg.

    Richtig und nützlich aus den Entscheidungsgründen:

    „Es erscheint dem Gericht nicht gerechtfertigt, sich an einer Preiserhebung zu orientieren, die durch die Versicherungswirtschaft in Auftrag gegeben wurde, vgl. AG Lübeck, Urteil von 06.07.2010, Az.: 31 C 1771/10, AG München, Urteil vom 19.05.2010, Az.: 345 C 8750/10.“

    „Damit dient das Gesprächsergebnis eigentlich nur der werkvertraglichen Überprüfung des Sachverständigenhonorars auf seine Angemessenheit i. S. d. § 632 BGB. Im Schadensersatzprozess kommt es aber auf werkvertragliche Gesichtspunkte nicht an, vgl. LG Dortmund, Urteil vom 5.8.2010, Az.: 4 S 11/10.“

    Sollte man sich merken, wenn wieder einmal von den HUK-Coburg-Eliteanwälten oder in einem Kürzungsschreiben falsch falsch vorgetragen wird.

    Heinrich F.

  2. RA. Sauerland sagt:

    Sehr geehrter Heinrich F. ,

    zu dem Amtsgerichtsbezirk des relativ kleinen Ortes Medebach gehört auch die größere Stadt Winterberg sowie auch Hallenberg. Richtig ist, dass Medebach schon Bedeutung in Zeiten der Hanse besaß.

    Das relativ kleine Gericht schließt aber nicht aus, dass dort auch interessante und lehrreiche Urteile gesprochen werden. Das hier veröffentlichte Urteil beweist das doch. Medebach liegt zwar im Hochsauerland, aber nicht hinter dem Mond. Den könnte man schon eher im Ruhrpott (Mond von Wanne-Eickel) vermuten.

  3. Vaumann sagt:

    Ein erneuter schöner Beweis,dass dieser Blog recht gut funktioniert.

  4. Schlapphut sagt:

    Hei Kollege Vaumann,
    wenn keine „Maulwürfe“ tätig sind, kann das doch gut klappen, wie man im Fall des Urteils AG Medebach sieht.
    Mit stillem Gruß
    Schlapphut

  5. Hans R. sagt:

    Aber nicht nur das Gesprächsergebnis BVSK mit HUK-Coburg ist keine geeignete Schätzgrundlage, sondern auch das Honorartableau der HUK-Coburg. Die Argumentation des AG Medebach gilt gleichermaßen für das Nachfolgemodell „Honorartableau“.

    Wirklich gut herausgearbeitet. So wird der Unterschied zwischen Schadensersatz und Werkvertrag auch deutlich. Man soll die Sauerländer nicht unterschätzen. Das gilt auch für eine junge Sauerländerin als Richterin.

  6. Hukianer sagt:

    Ist schonmal jemand aufgefallen,dass das Honorartableau 2012 HUK-Coburg auch den unechten Totalschaden als „Totalschadensfall“ definiert?

    Beispiel:

    WBW 30000,-€
    RW 16000,-€
    Reparaturkosten 15000,-€

    Folge:“Schadenshöhe“ für die Gutachterkosten ist hier der WBW brutto,also 30000,-€.
    Die HUK zahlt also nach Tableau in diesem Fall freiwillig auf die Gutachterkosten 1942,- € plus ggfls.Fahrtkosten und Restwertbörsezuschlag.

    Zum Ende 2013 verjähren die Gutachterkosten aus Unfällen im Jahr 2010!
    Also ich als HUK-freundlicher SV kann allen Gleichgesinnten nur empfehlen,ihre Abrechnungen der vergangenen fast vier Jahre nochmal durchzusehen;vielleicht ergibt sich ja aus den entsprechend berechtigten Nachforderungen die Finanzierung des künftigen Skiurlaubes in Sankt Moritz mit der ganzen Familie im Nobelresort.
    Nicht alle SB der HUK wissen nämlich,wie man das Tableau richtig anwendet.
    Möglicherweise ist es gerade gewollt,dass der SV die Restwertbörse nutzt und dabei einen möglichst hohen Restwert erzielt der dann dazu führt,dass der WBA die Reparaturkosten unterschreitet.
    Die HUK reguliert dann nur den WBA an den AS ,spart also an den Reparaturkosten und rückvergütet dem SV eine solche-sagen wir höflich-geneigte Kalkulation,indem die „Schadenshöhe“ dann als WBW brutto definiert wird.
    Dieses Modell scheint mir eine Fortentwicklung des ehemaligen DEKRA-Gebührenhandbuches zu sein,wo ein finanzieller Vorteil geregelt wurde für das weisungsgemässe Streichen der Verbringungskosten und ET-Zuschläge in der Kalkulation für den Geschädigten.
    Was meint Ihr?

  7. RA Westfalen sagt:

    Bei diesem Urteil bin ich mir sicher, dass das nicht in der Versicherungsrecht veröffentlicht wird, obwohl es kurz knapp und bündig ist.

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