Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
nach dem kritisch zu betrachtenden Urteil des AG Münster, das jedoch beweist, dass dieser Blog nicht nur für Geschädigte positive Urteile veröffentlicht, geben wir Euch hier wieder ein positives Urteil aus Merseburg zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen den Versicherungsnehmer der Aachener und Münchener Versicherung bekannt. Weil die eintrittspflichtige Kfz-Versicherung nur zum Teil Schadensersatz geleistet hatte, obwohl eine einhundertprozentige Haftung derselben bestand, reagierte der Geschädigte zu Recht dahingehend, dass er nicht mehr die Aachener und Münchener Versicheerung in Anspruch nahm, sondern den Unfallverursacher persönlich. Und wieder haben wir einen Kandidaten für den Versicherungswechsel; denn wer lässt sich schon gerne für einen Versicherer verurteilen, der „keinen Bock“ hatte, seinen gesetzlichen und auch versicherungsvertraglichen Pflichten nachzukommen? Lest selbst das Urteil des AG Merseburg vom 30.10.2015 und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht
Merseburg
10 C 141/15 (X) Verkündet am 30.10.2015
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Klägerin
gegen
Frau …
Beklagte
hat das Amtsgericht Merseburg durch die Richterin am Amtsgericht S. im schriftlichen Verfahren gem. § 495 a ZPO vom 30.10.2015
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 74,89 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.04.2015 sowie Mahnkosten in Höhe von 2,50 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.06.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Verfahren wird festgesetzt auf 74,89 €.
Tatbestand
Das Gericht hat gem. § 495 a ZPO, § 313 a Abs. 1 ZPO von der Abfassung eines Tatbestandes abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und bis auf den Feststellungsantrag und ein Teil der Zinsen für die Mahnkosten auch begründet
I.
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Zahlung von weiteren Sachverständigenhonorar in Höhe von 74,89 €.
Die Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils, wie vom Kläger beantragt, lagen nicht vor. Die Beklagte hatte durch Vorlage einer anwaltlichen Vollmacht ihre Verteidigung gegenüber dem Gericht angezeigt und auf die Klage erwidert.
Der Anspruch des Klägers folgt aus § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 Versicherungsvertragsgesetz, §§ 398, 249 Abs. 2 BGB.
Der Kläger ist infolge wirksamer Abtretung gem. § 398 BGB Inhaber der streitgegenständlichen Forderung geworden. Das Gericht hatte hinsichtlich der Wirksamkeit der hier verwandten formularmäßigen Abtretungserklärung keine Bedenken. Diese entspricht sowohl dem Bestimmtheits- als auch dem Bestimmbarkeitserfordernis.
Der hier erfolgten Abtretung erfüllungshalber liegt typischerweise eine auftragsähnliche Abrede zugrunde. Die Geltendmachung der Forderung gegenüber dem Haftpflichtversicherer stellt sich als Nebenleistung ihm Rahmen des Tätigkeitsbildes des Sachverständigen dar. Im Vordergrund steht hier die Serviceleistung für den Geschädigten und die Abkürzung der Zah-iungswege, eine nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG zulässige Rechtsdienstleistung. Daher stellt die Vereinbarung eine Entlastung des Geschädigten von der Schadensabwicklung einschl. der Besorgung damit verbundener rechtlicher Angelegenheiten dar (vgl. AG Hamburg-Wandsbek, Urteil vom 22.07.2013, Az.: 715 C 205/13).
Der Schadensersatzanspruch der Zedentin aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall ist dem Grunde nach unstreitig, weshalb ihr der Schadensersatzanspruch aus § 7 Abs. 1 StVG gegen die Beklagte zusteht. Diesen hat sie in Höhe der Gutachterkosten an den Kläger abgetreten.
Dieser Anspruch umfasst auch den restlichen Vergütungsanspruch nach § 249 Abs. 1, Abs. 2 BGB. Danach hat die Beklagte den Zustand wieder herzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Der Geschädigte kann den zur Herstellung erforderlichen Betrag verlangen. Die Ausführungen der Beklagten zur Üblichkeit der Vergütung im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB können insofern keine Beachtung finden. Erheblich ist, ob die Sachverständigenkosten zum erforderlichen Herstellungsaufwand nach § 249 Abs. 1 Satz 1 BGB gehören. Erforderlich ist der Herstellungsaufwand bei Kosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten als zweckmäßig und angemessen zur Schadensbehebung ansehen durfte {vgl. BGH Z 115, 364, 369, 160, 377; 162, 161, 165). Der Geschädigte ist dabei nicht zur Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (vgl. BGH Urteil vom 23.01.2007, Az.: VI ZR 67/07, NJW 2007, 1450; BGH Z 163, 362, 367 f.) Der Geschädigte kann vom Schädiger nur dann den vollständigen Ausgleich seiner dem Sachverständigen gezahlten Aufwendungen nicht mehr verlangen, wenn für ihn aus einer ex ante Sicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst Auswahlverschulden zur Last fallt (OLG Naumburg, Urteil vom 20.01.2006, Az.: 4 U 49/05). Der Schädiger schuldet somit dem Geschädigten unter Berücksichtigung der individuellen Erkenntnissen und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten den objektiv zur Schadensbehebung erforderliche Herstellungsaufwand (Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 10.02.2012, Az.: 13 S 109/10).
Zwar darf ein Geschädigter auf Kosten des Schädigers nicht jeden beliebigen Preis vereinbaren. Allerdings kann der Geschädigte vom Schädiger den Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung hiervon verlangen, solange für ihn als Leien nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst in Auswahlverschulden zur Last fällt (OLG Naumburg, Urteil vom 20.01.2006, Az.: 4 U 49/05). Ein solches Aus-wahlverschuiden des Geschädigten bei der Beauftragung des Klägers lässt sich nicht erkennen. Der Kläger gehört zu den anerkannten Sachverständigenbüros in Halle, so dass die Einholung eines Gutachtens gerade durch dieses Büro ohne weiteres als erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB angesehen werden kann. Eine Pflicht zur Einholung verschiedener Vergleichsangebote gibt es bei der Beauftragung von Sachverständigen gerade nicht. Zudem muss der Geschädigte auch keine „Marktforschung“ vor Erteilung des Gutachterauftrages betreiben, solange es für ihn nicht ersichtlich ist, dass der Sachverständige seine Vergütung willkürlich ansetzt. Anhaltspunkte für eine willkürliche Geltend mach ung von Gutachterkosten oder ein auffälliges Missverhältnis zwischen Preis und Leistung ergeben sich hinsichtlich der Rechnung des Klägers vom 15.12.2014 in Höhe von 562,79 € brutto gerade nicht. Die Preise des Klägers liegen im Hinblick auf die abgerechneten Nebenkosten jeweils noch in der Spanne des Ergebnisses der BVSK Befragungen die für das Jahr 2013 erhoben wurden und auch als Bemessungsgrundlage für die Bestimmung der Erforderlichkeit herangezogen werden können. Der Sachverständige kann auch unter Berücksichtigung.der obergerichtlichen Rechtsprechung im Werkvertrag in zulässiger Weise neben dem Grundhonorar für die eigentliche Sachverständigentätigkeit auch Nebenkosten nach ihren konkreten Anfalf berechnen (vgl. BGH Urteil vom 04.04.2006, Az.: X ZR 80/05, NZV 2007, 182 ff.). Nach alledem fallen die geltend gemachten Kosten insgesamt nicht aus dem Rahmen des für die Behebung des Schadens erforderlichen Geldbetrages nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.
Unter Berücksichtigung der vor gerichtlichen Zahlung der Haftpflichtversicherung der Beklagten steht dem Kläger der noch offene Restbetrag in Höhe von 74,89 € zu.
Des Weiteren hat der Kläger Anspruch auf Verzugszinsen gem. §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat dem Kläger zudem die entstandenen Mahnkosten in Höhe von 2,50 € gem. §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB und die daraus nebst Verzugszinsen gem. §§ 291 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB zu ersetzen. Die Mahnkosten sind in einer Höhe von 2,50 € nicht zu beanstanden.
Der Feststellungsantrag hinsichtlich der Verzinsung des eingezahlten Kostenvorschusses ist hingegen unbegründet.
Der Kläger hätte die Höhe des Verzugsschadens näher darlegen müssen. §§ 288 Abs. 1, 291 BGB greifen nicht direkt ein, weil der Kläger gegenüber der Beklagten noch keinen fälligen Anspruch auf Ersatz der Gerichtskosten hat, Vielmehr entstehen dem Kläger entweder Kosten für die Aufnahme eines Kredites in Höhe des Gerichtskosten Vorschusses oder es entgehen ihm Guthaben oder Anlagezinsen, wenn er das Geld aus eigenen Mitteln einzahlt (Urteil Landgericht Halle vom 17.02.2011, Az.: 1 S 49/10). Insofern hätte der Kläger konkret vortragen müssen, welcher Zinsschaden ihm entstanden ist, was aber unterblieben ist.
II.
Die Kostenentscheidung gründet sich in § 92 Abs. 2 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Das Gericht hat den Streitwert gem. §§ 63 Abs. 2, 48 Abs. 1 GKG, 3ff. ZPO festgesetzt.
Hallo, Willi Wacker,
habe gerade die Entscheidungsgründe dieses Urteils noch gelesen. Diese Richterin des AG Merseburg hat nicht nur mit der gebotenen Sorgfalt die eigentlich leicht überschaubare Thematik abgehandelt, sondern man merkt an der Ausformulierung Ihrer Gedanken und an dem Umfang ihrer Überlegungen auch,dass es ihr ein Anliegen war, dem Gesetz zu folgen. Sie hat es verstanden,
zu verdeutlichen, was Schadenersatz bedeutet. Zwei Passagen der Entscheidungsgründe haben mir besonders gut gefallen:
1.) „Der hier erfolgten Abtretung erfüllungshalber liegt typischerweise eine auftragsähnliche Abrede zugrunde. Die Geltendmachung der Forderung gegenüber dem Haftpflichtversicherer stellt sich als Nebenleistung ihm Rahmen des Tätigkeitsbildes des Sachverständigen dar. Im Vordergrund steht hier die Serviceleistung für den Geschädigten und die Abkürzung der Zahlungswege, eine nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG zulässige Rechtsdienstleistung. Daher stellt die Vereinbarung eine Entlastung des Geschädigten von der Schadensabwicklung einschl. der Besorgung damit verbundener rechtlicher Angelegenheiten dar (vgl. AG Hamburg-Wandsbek, Urteil vom 22.07.2013, Az.: 715 C 205/13).“
2.) „Die Ausführungen der Beklagten zur Üblichkeit der Vergütung im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB können insofern keine Beachtung finden. Erheblich ist, ob die Sachverständigenkosten zum erforderlichen Herstellungsaufwand nach § 249 Abs. 1 Satz 1 BGB gehören. Erforderlich ist der Herstellungsaufwand bei Kosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten als zweckmäßig und angemessen zur Schadensbehebung ansehen durfte {vgl. BGH Z 115, 364, 369, 160, 377; 162, 161, 165).“
Das können alles wohlmeinenden Richterinnen und Richter ungeprüft übernehmen, ohne das Rad neu erfinden zu müssen.
Wildente
@ Wildente 20.01.2016 at 22:42
Da gebe ich Dir uneingeschränkt Recht.
Zugvogel
Ja, die Begründung mit Ausnahme der Gerichtskosten Zinsen ist gut, hier habe ich mit einer Ca. 100 Seiten Klage (alle bekannte BGH und OLG Urteile beigefügt) ohne Anwalt den Prozess im mdl. Verfahren geführt. Leider wurde mein Kostenfestsetzungs Antrag, mit Ausnahme der Gerichtskosten, vollständig abgelehnt, so das ich diese Baustelle weiter verfolge.