Mit Entscheidung vom 08.11.2012 (562 C 55/12) wurde die AXA Versicherung AG samt Halter und Fahrer durch das Amtsgericht Moers zur Erstattung des nicht bezahlten Nutzungsausfallschadens nebst Zinsen verurteilt. Der Nutzungswille sei auch dann gegeben, wenn der Geschädigte erst 6 Monate nach dem Unfallereignis ein Ersatzfahrzeug angeschafft habe. Des weiteren hat das Gericht zur Regulierungsdauer eines Kfz-Haftpflichtschadens Stellung genommen. Das AG Moers erachtet in dieser Sache bei der heutigen Büro- und Nachrichtentechnik einen Zeitraum von 3 Wochen als Prüf- und Regulierungsfrist für ausreichend bemessen.
562 C 55/12 Verkündet am 08.11.2012
Amtsgericht Moers
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn … ,
Klägers,
gegen
1. die Deutsche Apotheker- und Ärztebank, vertr. d. d. Vorstand, Richard-Oskar-Mattern-Str. 6, 40547 Düsseldorf,
2. Herrn … ,
3. die AXA Versicherung AG, ges. vertreten durch d. Vorstand, Colonia Allee 10-20, 51067 Köln,
Beklagten,
hat das Amtsgericht Moers
auf die mündliche Verhandlung vom 04.10.2012
durch die Richterin am Amtsgericht …
für Recht erkannt:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 426,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 18.02.2012 zu zahlen.
Wegen des weitergehenden Zinsanspruches wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Parteien sind verbunden durch einen Verkehrsunfall vom 28.12.2011, den der Beklagte zu 2) als Fahrer des Fahrzeugs des Beklagten zu 1), haftpflichtversichert bei der Beklagten zu 3), verschuldet hat. Die Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig.
Mit Schreiben vom 0401.2012 (Bl. 8 ff.GA.) übersandte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten an die Beklagte zu 3) ein von ihm zwischenzeitlich eingeholtes Schadensgutachten und bezifferte seine Ansprüche auf:
Wiederbeschaffungskosten 850,00 EUR
Gutachterkosten 389,78 EUR
Ummeldekosten 80,00 EUR
Umbaukosten 50,00 EUR
Pauschale 30,00 EUR
. 1.399,78 EUR Gesamtschaden.
Zugleich forderte er die Beklagte zu 3) zur Zahlung bis zum 18.01.2012 auf.
Am 13.01.2012 veranlasste die Beklagte zu 3) die Zahlung eines Betrages von 1.269,78 EUR (Fahrzeugschaden, Gutachterkosten, Auslagenpauschale), die den Kläger nicht erreichte, weil die Beklagte zu 3) die Kontonummer des Postbankkontos für eine Überweisung auf das Sparkassenkonto verwendete.
Mit Schreiben vom 24.01.2012 (Bl. 10 ff.GA.) mahnte der Prozessbevollmächtigte des Klägers, nachdem ein Zahlungseingang nicht zu verzeichnen war, bei der Beklagten zu 3) die Zahlung nochmals an und verlangte zudem für 22 Tage Nutzungsausfall in Höhe von 23,00 EUR/Tag, d.h. in Höhe von 506,00 EUR. Als Regulierungsfrist nannte er den 31.01.2012.
Am 03.02.2012 erhob der Kläger Klage über den unter Einbeziehung des Nutzungsausfalls auf 1.905,78 EUR bezifferten Gesamtschaden (Einzelpositionen Seiten 2 und 3 d. Klageschrift).
Die Beklagte zu 3) leistete vor Klagezustellung – die Gerichtskosten wurden klägerseits im April 2012 eingezahlt – folgende Zahlungen:
03.02.2012 850,00 EUR Fahrzeugschaden
03.02.2012 389,78 EUR Parteigutachterkosten
03.02.2012 30,00 EUR Auslagenpauschale
16.02.2012 80,00 EUR Ummeldungskosten
06.03.2012 80,00 EUR Ummeldungskosten
06.03.2012 50.00 EUR Umbaukosten
Gesamt 1.479,78 EUR.
Daraufhin nahm der Kläger die Klage in Höhe von 1.479,78 EUR zurück. Die Parteien streiten nunmehr noch über die Berechtigung des noch nicht ausgeglichenen Nutzungsausfallschadens und über die Kostentragungspflicht hinsichtlich des zurückgenommenen Teils der Klage. Im Verlaufe des Rechtsstreits schaffte der Kläger am 05.07.2012 ein Ersatzfahrzeug an (Zulassungsbescheinigung Bl. 63 GA.).
Der Kläger hält den Nutzungsaufallschaden für gegeben. Voraussetzung hierfür sei nicht die Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges. Nunmehr liege aber eine solche Ersatzanschaffung auch vor.
Als Regulierungsfrist bei einem reinen Sachschaden mit klarer Verursachung seien höchstens 4 Wochen anzusetzen, so dass die Klageerhebung auch nicht verfrüht gewesen sei. Vor diesem Hintergrund sei die Beklagte auch verpflichtet, die Kosten des zurückgenommenen Teils der Klage zu tragen.
Der Kläger nimmt die Klage in Höhe von 1.479,78 EUR zurück und beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1.905,78 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 01.02.2012 abzüglich am 03.02.2012 geleisteter 1.269,78 EUR, abzüglich am 16.02.2012 geleisteter 80,00 EUR und abzüglich am 07.03.2012 geleisteter 130,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie halten einen Nutzungsausfallentschädigungsanspruch für nicht gegeben. Begründet haben die Beklagten dies vor der im Verlaufe des Rechtsstreits erfolgten und von ihnen nicht bestrittenen Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges durch den Kläger mit mangelndem Nutzungswillen als Anspruchsvoraussetzung, der aus der fehlenden Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges / nicht erfolgter Reparatur abzuleiten sei.
Zudem haben die Beklagten Bedenken gegen die ausgeglichenen Schadenspositionen erhoben. Auf die Ausführungen Seite 3 der Klageerwiderung (Bl. 36 f.GA.) wird Bezug genommen.
Weiter treten die Beklagten dem Zinsanspruch und dem Kostenantrag entgegen mit der Rechtsauffassung, die gesetzte Regulierungsfrist sei unangemessen kurz gewesen. Es sei eine Frist von wenigstens 1 Monat angemessen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat bis auf einen geringen Teil der geltend gemachten Zinsen Erfolg.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung weiterer 426,00 EUR zu.
Obwohl klägerseits der Nutzungsausfallschaden auf 506,00 EUR beziffert ist, sind streitgegenständlich nur noch 426,00 EUR. Der Kläger hat seinen Gesamtschaden auf 1.905,78 EUR beziffert. Beklagtenseits sind 1.479,78 EUR ausgeglichen worden, so dass nur noch 426,00 EUR zur Zahlung offenstehen. Die Beklagte hat zweimal Ummeldekosten von 80,00 EUR gezahlt (16.02. und 06.03.2012), obwohl zu Recht die Ummeldekosten nur einmal geltend gemacht waren. Entsprechend ist die weitere Zahlung von 80,00 EUR auf den Nutzungsausfallschaden zu verrechnen.
Dem Kläger steht aus §§ 7, 18 StVG, 115 VVG in Verbindung mit § 249 BGB ein Anspruch auf Zahlung der der Höhe nach nicht angegriffenen Nutzungsausfallentschädigung zu.
Gemäß § 249 BGB besteht ein Anspruch wegen Entziehung der Nutzungsmöglichkeit eines Fahrzeuges, sofern die Nutzungsmöglichkeit und der Nutzungswille gegeben sind.
Ob die Darlegungs- und Beweislast für die Beeinträchtigung durch die entfallene Nutzungsmöglichkeit und den erforderlichen Nutzungswillen der Geschädigte in vollem Umfang trägt oder ob für ihn ein Anscheinsbeweis entsprechend der zunächt vom Kläger vertretenen Rechtsansicht streitet, kann dahinstehen. Der Kläger hat nämlich die Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges zum Nachweis seines Nutzungswillens nachgewiesen. Er hat vorgetragen und die entsprechende Zulassungsbescheinigung zur Gerichtsakte gereicht, wonach er sich am 05.07.2012 ein Ersatzfahrzeug angeschafft hat. Dies haben die Beklagten nicht bestritten.
Soweit teilweise in der Rechtsprechung verlangt wird, dass zum Nachweis des Nutzungswillens das Ersatzfahrzeug innerhalb eines Zeitraums von 6 Monaten angeschafft werden müsse (vgl. zur Übersicht Buhrmann/Hess/Jahnke/Janker, § 249 BGB Rdnr. 92; Geigel, Haftpflichtprozess, 12. Aufl., Nutzungsausfallentschädigung Rdnr. 97), steht dies nach Ansicht des erkennenden Gerichts dem klägerseits verlangten Nutzungsausfall nicht entgegen. Zum einen ist der 6-Monat-Zeitraum hier nur geringfügig um etwa 1 Woche überschritten. Zudem folgt aus der Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs nach einem Verkehrsunfall grundsätzlich eine Dokumentation des Nutzungswillens eines Fahrzeuges. Der Umstand, dass zwischen dem Unfall und der Ersatzanschaffung einige Zeit vergangen ist, kann unterschiedliche Gründe haben, nicht zuletzt auch finanzielle. Allein die Tatsache, dass ein Ersatzfahrzeug nicht zeitnah angeschafft wurde, beseitigt daher nicht den Nutzungswillen. Hier hätte beklagtenseits Weiteres vorgetragen und ggfs. unter Beweis gestellt werden müssen. Dies ist jedoch nicht erfolgt, so dass von einem Nutzungswillen des Klägers ausgegangen werden kann (vgl. auch LG Oldenburg, Entscheidung vom 08.04.1999 zum Aktenzeichen: 4 S 1130/98).
Dem Kläger steht daher ein Anspruch auf Zahlung von Nutzungsausfall in Höhe der noch streitgegenständlichen 426,00 EUR zu.
Zinsen für den Nutzungsausfall kann der Kläger gemäß §§ 286, 288 BGB erst ab dem 18.02.2012 verlangen.
Die Beklagten sind dem Zinsanspruch ab dem 01.02.2012 damit entgegengetreten, dass die Regulierungsfrist unangemessen kurz gewesen sei.
Dabei ist hinsichtlich des Nutzungsausfallanspruches zu berücksichtigen, dass der Kläger diesen erstmals mit Schreiben vom 24.01.2012 benannt und beziffert hat.
Dabei schließt sich das Gericht der Ansicht an, die bei durchschnittlichen Verkehrsunfällen eine Prüf- und Regulierungsfrist von 3 Wochen für angemessen erachtet.
Bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in Verkehrsunfallsachen muss dem Schädiger sowie der in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherung eine angemessene Zeit zur Prüfung des Anspruchs eingeräumt werden. Der Haftpflichtversicherer ist nicht verpflichtet, unbesehen und vorschnell Zahlungen zu leisten. Von den Umständen des Einzelfalls ist abhängig, wieviel Zeit zur Prüfung der Ansprüche zuzugestehen ist. Bei Verkehrsunfällen durchschnittlicher Art wird zum Teil ein Zeitraum von 4 bis 6 Wochen als notwendig angesehen.
Unter Berücksichtigung dessen, dass aufgrund des technischen Fortschrittes (Email; einscannen der Gutachten; Faxübersendung von Schriftstücken etc.) Postlaufzeiten nicht mehr per se zu berücksichtigen sind, erachtet das Gericht zumindest bei Verkehrsunfällen wie vorliegend – reiner Sachschaden und klare Verursachungszuweisung – eine Prüfzeit von 3 Wochen als angemessen (vgl. auch OLG Düsseldorf in NZV 2008, 151).
Unter Berücksichtigung von Postlaufzeiten ist daher der Zinsanspruch ab dem 18.02.2012 begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Nr. 2, 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO.
Es entspricht dem bisherigen Sach- und Streitstand nach billigem Ermessen, den Beklagten auch die Kosten des zurückgenommenen Teils der Klage aufzuerlegen.
Wie ausgeführt erachtet das Gericht einen Prüfungszeitraum von 3 Wochen als angemessen.
Der Kläger hat seine Schadensersatzpositionen, die die Beklagte letztlich auch vor Rechtshängigkeit der Klage ausgeglichen hat, mit Schreiben vom 04.01.2012 gegenüber der Beklagten zu 3) beziffert. Selbst wenn dieses Schreiben der Beklagten zu 3) – wie sie es selber vorgetragen hat – erst am 06.01.2012 zuging, endete die Prüfpflicht am 27.01.2012.
Diese Prüffrist war vorliegend ausreichend. Dies hat die Beklagte zu 3) selber dadurch dokumentiert, dass sie am 13.01.2012 eine Zahlung über 1.269,78 EUR leistete (Fahrzeugschaden, Gutachterkosten und Auslagenpauschale), die den Kläger nur deshalb nicht erreichte, weil Kontonummer und Bankverbindungen aufgrund eines Büroversehens verwechselt wurden. Durch das zeitgleich übersandte Schreiben vom 13.01.2012 (Bl. 44 GA.) hat sich die Beklagte zu 3) letztlich selbst gemahnt.
Soweit die Beklagte in der Klageerwiderung Bedenken gegen die ausgeglichenen Schadenspositionen dem Grunde nach erhoben hat, kann sie hiermit nicht gehört werden. Durch Ausgleich der Schadenspositionen hat sie die Berechtigung auch mit Wirkung für die Beklagten zu 1) und 2) (Ziffer A 1.1.5 der AKB) anerkannt, § 782 BGB.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 713 ZPO.
Streitwert:
Bis zum 20.04.2012 (Teilrücknahme in Höhe von 1.479,78 EUR)
. 1.905,78 EUR
danach: 426,00 EUR.
Hallo Hans Dampf,
wieder ein Gericht, das die Regulierungsfrist auf 3 Wochen festschreibt. Gerade in Zeiten modernster Textübermittlungen, wie E-Mail, Fax, etc. sind Postlaufzeiten nicht mehr zu berücksichtigen. Die Versicherer selbst nutzen diese modernen Übertragungswege doch selbst, indem sie scannen und per Mail versenden, so dass in der nächsten Sekunde die Nachrichten beim Empfänger, dem Dienstleister, wie Control-Expert, Car-Expert, DEKRA und wie sie nicht alle heißen, sind. Nur bei dem Anspruchsteller, da soll es in der althergebrachten Art und Weise mit Schreiben und Porto und Post gehen. Nein, nein, nach drei Wochen ist die Regulierungsfrist vorbei. Dann ist grundsätzlich das Gericht anzurufen. Und plötzlich geht es dann auch schneller. Was für ein Wunder ist plötzlich bei der regulierungspflichtigen Versicherung geschehen?
Den regulierungspflichtigen Versicherungen ist Druck zu machen. Wenn der nicht hilft, dann ist der Schädiger direkt in Anspruch zu nehmen. Meist meldet sich dann auch nicht mehr der Versicherer. Siehe das heute morgen eingestellte Urteil aus Groß-Gerau. Das ist dann die zweite Möglichkeit. Welche der Schädiger wählt, sollte er seinen Rechtsanwalt fragen.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker