Mit Entscheidung vom 17.04.2014 (1 C 585/13) wurde die eintrittspflichtige Versicherung durch das Amtsgericht Mühldorf am Inn zur Erstattung des restlichen Schadensersatzes verurteilt. Strittig waren restliche Reparaturkosten bei einer fiktiven Abrechnung, die der Versicherer vorgerichtlich auf Grundlage eines Control€xpert „Prüfberichtes“ hatte kürzen lassen.
Im Verlauf des Prozesses wurde durch das Gericht ein Sachverständigengutachten zur Überprüfung der „Referenzwerkstatt“ eingeholt. Hierbei wurde festgestellt, dass es sich bei den Stundenverrechnungssätzen der angeblich gleichwertigen „Vergleichswerkstatt“ um Partnerwerkstattlöhne der Versicherer handelt. Auch bei der Überprüfung zur „Gleichwertigkeit“ ist dann der Betrieb „mit Pauken und Trompeten“ durchgefallen. Die Werkzeuge seien nicht geeignet, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen werden nicht durchgeführt. Außerdem bestehe kein elektronischer Zugang zu notwendigen Daten und Informationen der jeweiligen Hersteller. Daraufhin wurden die Stundenverrechnungssätze der markengebunden Fachwerkstatt gemäß Geschädigten-Sachverständigengutachten zugesprochen. Ebenso die gekürzten Verbringungskosten und die Kosten für die Lackangleichung mit überzeugender Begründung.
Dieses Urteil zeigt wieder einmal, dass man die angebliche „Gleichwertigkeit“ der benannten „Vergleichswerkstätten“ grundsätzlich bei jeder Kürzung in Frage stellen muss. Das Ganze ist nämlich nur ein großer Bluff der Versicherer in Zusammenarbeit mit den Dienstleistern der Kürzungsbranche. Bezeichnend dabei ist, dass die Fa. Control Expert „Vergleichwerkstätten“ benennt, die eben nicht gleichwertig sind und darüber hinaus mit Konditionen dieser Betriebe arbeitet, die gemäß BGH VI ZR 53/09 zu den „Sonderkonditionen“ gehören, auf die sich der Geschädigte nicht verweisen lassen muss. Mit dieser Strategie „ergaunert“ sich die Versicherungswirtschaft Jahr für Jahr 3-stellige Millionenbeträge, da viele Geschädigte sich nicht auf einen Prozess mit der Versicherung einlassen wollen oder können und die Kürzungen letztendlich hinnehmen.
Meiner Ansicht nach handelt es sich hierbei sowohl um gewerbsmäßgen als auch um bandenmäßig organisierten (versuchten) Betrug der jeweiligen Akteure gemäß § 263 StGB?
Amtsgericht Mühldorf a. Inn
Az.: 1C 585/13
IM NAMEN DES VOLKES
in dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
Bayerischer Versicherungsverband Versicherungsaktiengesellschaft, vertreten durch d. Vorstand, dieser vertreten durch Dr. Frank Walthes, Maximilianstraße 53,80530 München
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Mühldorf a. Inn durch den Richter am Amtsgericht … am 17.04.2014 im schriftlichen Verfahren aufgrund der Schriftsätze, die bis 28.03.2014 bei Gericht eingegangen sind, folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.262,38 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.06.2013 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Kosten in Höhe von 186,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.06.2013 zu bezahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, wobei die Haftung dem Grunde nach unstreitig ist.
Am 06.06.2013 ereignete sich in Waldkraiburg ein Verkehrsunfall, in dem das bei der Beklagten versicherte Beklagtenfahrzeug involviert war.
Zwischen den Parteien ist lediglich noch die Höhe des geltend gemachten Schadens streitig. Auf dem klägerseits geltend gemachten Gesamtschaden in Höhe von 3.109,61 EUR hat die Beklagte bereits 1.847,23 EUR geleistet. Streitig sind die Positionen Restarbeitslohn in Höhe von 623,80 EUR, Verbringungskosten in Höhe von 117,60 EUR, Beilackierungskosten in Höhe von 402,71 EUR sowie UPE-Aufschläge in Höhe von 128,08 EUR.
Der Kläger, der fiktiv auf Basis eines erholten Privat-Sachverständigengutachtens abrechnet, meint, ihm stünden die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zu; dies umso mehr, als das Klägerfährzeug scheckheftgepflegt und ein Verweis auf eine Reparatur in einer freien Fachwerkstatt daher unzumutbar sei.
Verbringungskosten, UPE-Aufschläge seien auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung erstattbar. Letztlich seien die Kosten für die Beilackierung erforderlich.
Der Kläger beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.262,38 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 22.06.2013 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Kosten in Höhe von 186,24 EUR zu bezahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 22.06.2013.
Die Beklagte beantragt kostenpflichtige Klageabweisung.
Hinsichtlich der Stundenverrechnungssätze verweist die Beklagte den Kläger auf die – günstigeren – Sätze der Werkstatt … ; letztere Firma biete eine kostengünstigere, gleichwohl vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entsprechende Reparatur an. Verbringungskosten und UPE-Aufschläge seien fiktiv nicht abrechenbar. Die Beilackierung sei nicht erforderlich.
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 08.10.2013 den Sach- u. Streitstand mit den Parteien erörtert, sowie Beweis erhoben durch Erholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll sowie das Sachverständigengutachten verwiesen (Bl. 52-54, 75-122).
Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie sämtlichen sonstigen Aktenbestandteilen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Mühldorf auch sachlich und örtlich zuständig, §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG, 20 StVG, 32 ZPO.
II.
Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
1. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Restanspruch in der geltend gemachten Höhe zu, §§ 7,17 StVG, 249, 823 Abs. 1 BGB, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG.
a) Die Haftung ist dem Grunde nach unstreitig.
b) Der Kläger kann vollen Ersatz der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachworkstatt verlangen.
Es ist anerkannt, dass der Kläger als Geschädigter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge leistet und sich in dem für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen bewegt, er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zu Grunde legt, die – wie hier – ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. beispielhaft BGH NJW 2010, 2941).
Der Schädiger kann den Geschädigten aber unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspfiicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen „freien FachwerkstatT“ verweisen, wenn er darlegt und ggf. beweist, dass eine Reparatur in dieser Fachwerkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er ggf. vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden (Palandt § 249 Rdnr. 24; BGH aaO).
Unzumutbar ist eine Reparatur in einer „freien Fachwerkstatt“ für den Geschädigten bei einem – wie hier – Unfallfahrzeug, das älter als drei Jahre ist, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen. Diesbezüglich ist der Kläger beweisfällig geblieben. Insbesondere hat er ein lückenlos geführtes Serviceheft nicht vorweisen können.
Die durchgeführte Beweisaufnahme hat jedoch bewiesen, dass die von der Beklagten (wie auch von einigen anderen Versicherern) bemühte Firma … gerade nicht in der Lage ist eine kostengünstigere, gleichwohl vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entsprechende Reparatur durchzuführen.
Der Sachverständige H. kommt in seinem ausführlich erstattetem Gutachten in überzeugender Weise zu dem Ergebnis, dass die beklagtenseits ins Felde geführte Werkstatt zwar eine kostengünstigere Reparatur durchführen würde, diese Reparatur aber nicht dem Qualitätsstandard der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entsprechen würde. So sind die Werkzeuge nicht herstellerautorisiert. Fort- u. Weiterbildungsmaßnahmen speziell von Mercedes oder anderen Herstellern werden bei der Firma … nicht durchgeführt. Der elektronische Zugang zu Daten und Informationen sind ebenfalls nicht von Mercedes bzw. anderen Herstellern, und auf Grund unterschiedlicher Garantien kann nicht von einer Gleichwertigkeit gesprochen werden.
Abgesehen davon gelten die von der Firma … veranschlagten Stundenverrechnungssätze nur als Partnerwerkstatt für Versicherungen; diese Preise sind für Normalkunden nicht zugänglich. Insofern bleibt zu konstatieren, dass die Reparatur bei der Firma … (u.a.) nur deshalb kostengünstiger ist, weil ihr vertragliche Sonderkonditionen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers zu Grunde liegen, insofern ist der Verweis der Beklagten auf obige Firma unzumutbar (vgl. hierzu BGH aaO).
c) Die Verbringungskosten sowie UPE-Aufschläge sind im Ergebnis auch bei fiktiver Abrechnung erstattungsfähig.
Das Gericht verkennt hierbei nicht den seit langem existierenden Meinungsstreit zur Ersatzfähigkeit derartiger Kosten (vgl. zum ganzen Palandt, § 249 Rdnr. 14).
Das OLG Dresden (DAR 2001, 455) erachtet die Verbringungskosten für immer ersatzfähig. Nach § 249 BGB sei grundsätzlich der Geldbetrag zu ersetzen, den ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten zur Schadensbeseitigung für zweckmässig und notwendig halten dürfe; unerheblich hierbei sei, ob der Geschädigte auf die Reparatur verzichtet oder diese selber vornimmt. Demgegenüber hält das AG Kiel (DAR 1997, 159) die Verbringungskosten bei fiktiver Abrechnung für generell nicht erstattungsfähig, sondern nur dann, wenn sie tatsächlich anfallen. Die wohl herrschende, vermittelnde Meinung spricht sich für den Ersatz der fiktiven Verbringungskosten sowie UPE-Aufsehläge dann (und nur dann) aus, wenn die am Wohnort des Geschädigten ansässige Fachwerkstatt nicht über ein eigene Lackiererei verfügt, bzw. die Aufschläge regional üblich sind (OLG Düsseldorf, NZV 2002, 87; OLG Düsseldorf DAR 2008, 523). Zur Begründung wird ausgeführt, dass im Rahmen des § 249 Abs. 2 BGB der Geschädigte zwar volle Herstellung verlangen kann, dass er aber andererseits an dem Schadensfall nichts „verdienen“ soll. Da für den Erforderlichkeitsmaßstab des § 249 Abs. 2 BGB ein objektivierender, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten typisierender Maßstab anzulegen sei, könne der Kläger deshalb bei einer Abrechnung auf Gutachtensbasis nicht zuletzt auch wegen seiner Schadensminderungspflicht Verbringungskosten nicht erstattet verlangen, die im Falle einer Reparatur in der ortsansässigen Fachwerkstatt nicht angefallen wären. Fallen sie an, dann machen sie den erforderlichen Reparaturaufwand aus. Das erkennende Gericht schließt sich der zuletzt dargestellten vermittelnden, ihrer Ansicht einzig und überzeugend begründenden Meinung an.
Der Sachverständige … kommt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass so gut wie alle ansässigen, markengebundenen Fachwerkstätten über keine eigene Lackiererei verfügen, mit der Folge, dass Verbringungskosten typischerweise anfallen. Im Übrigen berechnet auch die Referenzwerkstatt … Verbringungskosten von einer Stunde. Zu den UPE-Aufschlägen kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass sämtliche markengebundenen Fachwerkstätten solche berechnen.
d) Hinsichtlich der Beilackierungskosten führt der Sachverständige – ebenso überzeugend – aus, dass zu einer fachgerechten Lackierung gehört, dass weder Farbton – noch Effektunterschiede zur Originaliackierung für das menschliche Auge zu erkennen sind. Von daher ist die Beilackierung am Klägerfahrzeug üblich und zur Wiederherstellung erforderlich.
2. Die geltend gemachten Nebenforderungen (Verzugszinsen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren) resultieren aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
IV.
Der Ausspruch zur vorläufigen Volistreckbarkeit resultiert aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 1.262,38 EUR festgesetzt.
Dies ist ein sehr schönes Urteil. Leider gibt es zu wenig Geschädigte, die dem Rat, vor den Kadi zu gehen, folgen! Die R+V, sowie die Kravag benennen mitunter in den Prüfberichten keine Referenzwerkstätten.
@RA Schwier
„Leider gibt es zu wenig Geschädigte, die dem Rat, vor den Kadi zu gehen, folgen!“
Leider gibt es auch viele Anwälte, die von einer Prozessführung abraten oder den Geschädigten so weit bringen, dass er von einer Prozessführung Abstand nimmt.
„Die R+V, sowie die Kravag benennen mitunter in den Prüfberichten keine Referenzwerkstätten“
Um so besser. Dann werden die Kriterien des BGH VI ZR 398/02 ff auf den Verweis einer gleichwertigen Reparaturmöglichkeit erst gar nicht erfüllt. Der Geschädigte muss ja (ohne überobgligatorische Anstrengungen) prüfen können, ob es sich um eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit handelt. Ohne Angabe der entsprechenden Werkstätten ist das wohl kaum möglich?
@ Rüdiger
„Leider gibt es auch viele Anwälte, die von einer Prozessführung abraten oder den Geschädigten so weit bringen, dass er von einer Prozessführung Abstand nimmt.“
…Tja, ich rede ungern über Kollegen, aber so ist es leider. Ich persönlich habe mir immer gesagt, egal was Du machst, Hauptsache Du machst es gut! ….. und wenn ich nachher als Rechtsanwalt ein „Idiot“ für Richtwinkelsätze, Abschleppkosten, … etc. bin, dann ist es einfach so!
„Dann werden die Kriterien des BGH VI ZR 398/02 ff auf den Verweis einer gleichwertigen Reparaturmöglichkeit erst gar nicht erfüllt. “
Ja, aber ld. sind viele Leute nicht so prozessfreudig! Ich beiße mir mitunter mehrmals am Tag in den „Ar****“, weil die Mdt. einfach nicht klagen wollen. Anmerkung: „Irgendwo auch verständlich, denn die Mdt. haben alle 20 Jahre einen Unfall, aber ich bearbeite die Sachen am Fliesband. Es ändert sich also die Sichtweise, denn ich ärger mich jeden Tag über die Kürzungen!“
BTW: Diese Woche hat eine Versicherung ernsthaft die Kosten für den 2. Fotosatz um 0,03 € je Bild mit Verweis auf den Korridor III BVSK gekürzt!
Meine Reaktion für insgesamt 0,12 € bei 4 Bildern war ein 3-Seitiges Schreiben!
„Diese Woche hat eine Versicherung ernsthaft die Kosten für den 2. Fotosatz um 0,03 € je Bild mit Verweis auf den Korridor III BVSK gekürzt!
Meine Reaktion für insgesamt 0,12 € bei 4 Bildern war ein 3-Seitiges Schreiben!“
Und was war der Erfolg dieses Aufwandes?
Wäre es nicht vielleicht besser gewesen, das unversehrte Originalgutachten unter Fristsetzung zurückzufordern und im Falle einer Nichtereldigung ein neues Originalgutachten bei dem Sachverständigen gegen Kostenerstattung anzufordern ?
Gruß
K.Emmenegger
@RA Schwier
Der Rechtsanwalt ist kein „Idiot“ wenn er Kürzungspositionen beitreibt, sondern er erfüllt schlicht und ergreifend nur seine Verpflichtung aus dem Mandatsverhältnis. Es gibt keine Aufteilung des Schadens in einen Teil, den ich einfach beitreiben kann und einen Teil, der wirtschaftlich für die Kanzlei „nicht darstellbar“ ist. Die Anwaltsgebühren gibt es für die Beitreibung des vollständigen Schadensersatzes. Anwälte, die Restpositionen nicht beitreiben, weil sie keine Lust haben, sich für 100, 200 oder 300 Euro „krumm“ zu machen, sind letztendlich im Dienste der gegnerischen Versicherung unterwegs und begehen, meiner Meinung nach, Mandantenverrat. Von dieser Sorte kenne ich inzwischen leider viel zu viele. Da halte ich eine „berufliche Neuorientierung“ durchaus für angebracht.
Wenn ich damit zufrieden bin, was die Versicherung freiwillig bezahlt, brauche ich doch keinen Anwalt!
Das ist übrigens einer der Gründe, warum viele überhaupt nicht mehr zum Anwalt gehen (wollen). „Bringt ja eh nicht viel und die Regulierung zieht sich meist in die Länge“ ist z.B. eines der Argumente von Mehrfach-Geschädigten mit Anwaltserfahrung. Das Schlimme dabei ist, dass es tatsächlich stimmt, was die Leute erzählen, wenn man die alten Fälle dann noch einmal aufrollt.
Bei den 12ct hätte ich einer Einstellung des Verfahrens gegenüber der Versicherung zugestimmt. Hier noch weiter zu agieren freut die Versicherer, weil sie wieder einen Anwalt unnötig beschäftigt haben. Aber wenn schon, dann hätte ich die 12ct beim VN der Versicherung geholt. Dann weiß der wenigstens, bei was für einem Saftladen er versichert ist. Das ist allemal ein Schreiben wert.
@ Rüdiger:
Selbstverständlich ist der Rechtsanwalt verpflichtet, den vollständigen Schadensersatz GELTEND zu machen. Die DURCHSETZUNG gekürzter Beträge unter liegt jedoch der Beauftragung durch den Geschädigten. Wenn dieser nicht bereit ist, z. B. Verbringungskosten einzuklagen, weil er keine Rechtsschutzversicherung hat und er darüber aufgeklärt werden MUSS, dass es Gerichte gibt, die meinen, dass es sehr wohl Unterschiede zwischen konkretem und fiktivem Schadensersatz gibt und bei fiktiver Abrechnung eben KEINE Verbringungskosten zusprechen, dann habe ich volles Verständnis für den Geschädigten, der den Kürzungsbeträgen nicht noch mehr Geld aus eigener Tasche hinterher werfen will.
Da kann sich der Rechtsanwalt abstrapsen, wie er will, das wird nix und er muss anschließend erklären, warum er die gerichtliche Geltendmachung empfohlen hat, die dem Geschädigten dann Geld kostet. Ist klar, wer die Arschkarte hat. Der Geschädigte sowieso, jedoch auch der Anwalt, der sich engagiert.
In 99 % der Fälle, in denen das Prozessrisiko dargelegt wird, sagt der Geschädigte ohne Rechtsschutz ab. Daraus läßt sich jedoch nicht immer ein mangelndes Engagement des Anwaltes/der Anwältin ableiten.
@Babelfisch
„Selbstverständlich ist der Rechtsanwalt verpflichtet, den vollständigen Schadensersatz GELTEND zu machen.“
Dann wird es Zeit, dass endlich irgend jemand die „Kollegen“ darüber aufklärt. 9 von 10 machen es nämlich nicht. Und damit meine ich nicht die Fälle, bei denen der Geschädigte von sich aus „gekniffen“ hat. Der wird nämlich meist „gekniffen“, indem man das Prozessrisiko künstlich „aufbläht“, um den Geschädigten ruhig zu stellen. Ich kenne (viele) Anwälte, die frei raus erklären, dass die Beitreibung von Restbeträgen für die Kanzlei wirtschaftlich nicht darstellbar ist. Zuerst wird der Löwenanteil der Gebühren durch ein einziges Forderungsschreiben eingestrichen und die Restforderung des Mandanten auf die eine oder andere Art zur „Ausbuchung“ gebracht. Das Ergebnis sieht man dann stets in der „Nachsorge“. Das sind dann meist Fälle, bei denen der Geschädigte durch aktives Abraten des Anwalts aufgegeben hat. Selbst bei Rechtsschutzfällen, da mit Kleinbeträgen nichts zu verdienen ist. Genau das ist die Realität und wird von vielen Geschädigten sowie Sachverständigen genau so bestätigt.
Ich war z.B. bei einer Mandantenberatung zugegen, bei dem der Anwalt bereits im Erstgespräch mitgeteilt hat, dass der Geschädigte Abzüge hinnehmen muss, sofern er keine Rechtsschutzversicherung hat. Da ging es nicht um spezifizierte Einzelpositionen oder die jeweilige örtliche Rechtsprechung. Da wurde von vorneherein klargestellt, dass die Sache mit dem außergerichtlichen Schriftverkehr erledigt ist. Und das kam aus dem Munde eines erfahrenen Verkehrsrechtlers mit geschädigtenfreundlicher Rechtsprechung vor Ort.
Oder noch einer.
Nachfrage beim Anwalt wie die Sache denn ausgegangen sei. Anwalt: Die Geschädigte hatte nicht den Mut zu klagen. Anfrage bei der Geschädigten: Der Anwalt hat klar von einer Prozessführung abgeraten. Weitere Nachfrage beim Anwalt: Ähem, der Gebührenrahmen ist bei 350 Euro so gering, dass sich die Sache für die Kanzlei nicht lohnt = Mandantenverrat und verlogener ADAC-Fachanwalt für Verkehrsrecht.
So oder so ähnlich kenne ich mehrere hundert Fälle. Darüber könnte man schon fast ein Buch schreiben.
„In 99 % der Fälle, in denen das Prozessrisiko dargelegt wird, sagt der Geschädigte ohne Rechtsschutz ab.“
Meine Statistik sagt etwas anderes. In 99% der Fälle sagt der Geschädigte ohne Rechtsschutz vielleicht ab? Jedoch nicht, weil der Anwalt das Prozessrisiko „ehrlich“ rüber gebracht hat. Vielmehr rät man Geschädigten aus den oben benannten Gründen von einer Prozessführung ab = Aktive Sterbehilfe über das Vermögen der Geschädigten.
Inzwischen kann ich Geschädigte verstehen, die nicht mehr zum Anwalt gehen wollen. Das sagt übrigens einer, der in der Vergangenheit immer die Fahne für die Anwälte hoch gehalten hatte. Es gibt in Deutschland natürlich ein paar richtig gute Juristen mit Weitblick, die deshalb jeden Cent eintreiben. Die Zahl derer ist aber leider beschränkt und örtlich nicht jedem zugänglich.
@Babelfisch…ihre Erkenntnis ist völlig korrekt, aber manche schlagen lieber „auf das Blech“ und wundern sich auch über ständige Reibereien bei ihren Tätigkeiten, ohne zu merken, daß manchmal ! ein Miteinander sehr viel mehr Erfolg ernten kann………
@ Rüdiger:
Kenn ich. Ich kenne aber auch die Geschädigten, die zunächst den vermeintlich einfacheren Weg gehen und zunächst die Schadenregulierung in die Hände der gegnerischen Versicherung geben. Der Anwalt soll dann hinsichtlich der Fehlbeträge „von der Kette gelassen“ werden. In diesen Fällen sollte der Anwalt, der keinen Auftrag annehmen muss, auch die Ehrlichkeit haben, dem Geschädigten zu sagen, dass er gegen kleines Geld nicht die Kastanien aus dem Feuer holen will. Dazu ist er auch nicht verpflichtet. Eine Sauerei ist es allerdings, wenn der Anwalt von Anfang beauftragt ist und die Geltendmachung von Kürzungen ausreden will.
Ich kenne auch Sachverständige, die an assoziierte Anwälte Aufträge vermitteln und die Aufträge im Hinblick auf die Geltendmachung gekürzter Sachverständigenkosten dann anderen Anwälten erteilen.
Also, wenn du noch mal hörst, dass jemand anwaltlich Hilfe bei der Schadensabwicklung braucht, und zwar mit Geltendmachung auch der gekürzten Beträge, sag Bescheid, ich kenne Rechtsanwälte, die machen das ohne wenn und aber.
@ Babelfisch
Nassauer gibt es von allen Seiten. Sowohl bei den Rechtsanwälten, Sachverständigen als auch bei den Geschädigten. Das ist ein Spiegel der egoistischen Gesellschaft. Geschädigte, die nur mit der Restforderung zum Anwalt gehen, würde ich das erste Mal zwar noch bedienen. Beim 2. Mal wäre damit aber Schluss.
„Ich kenne auch Sachverständige, die an assoziierte Anwälte Aufträge vermitteln und die Aufträge im Hinblick auf die Geltendmachung gekürzter Sachverständigenkosten dann anderen Anwälten erteilen.“
Das kommt aber häufig daher, dass die Anwälte wieder keine Lust haben, das restliche SV-Honorar beim Unfallgegner einzutreiben. Dann ist der SV in der Regel gezwungen, einen anderen Rechtsanwalt zur Beitreibung des restlichen Sachverständigenhonorars einzuschalten. Wenn er nach so einem Vorfall immer noch mit dem ersten Anwalt weiter zusammen arbeitet, dann ist ihm wahrlich nicht mehr zu helfen.
Noch eine tolle Story, die man immer öfter hört. Bei einem teilweise oder komplett misslungenen Prozess hält der Rechtsanwalt das Urteil so lange zurück, bis der Zeitraum zur Beschwerde/Gehörsrüge verfristet ist, da man es sich mit dem Gericht ja nicht „verderben“ will. Sch.. auf den Mandanten.
Ich denke dass sich hier ohnehin nur Leute tummeln, die die Schadensregulierung und ihren jeweiligen Job ernst nehmen, denn ansonsten würde man sich darüber nicht unterhalten.
Guten Tag
Leider habe ich von dem Urteil heute nur zufällig erfahren.
Der Sachverhalt des Gutachters lässt sehr starke Zweifel aufkommen.
Es ist ein Zertifizierter Fachbetrieb mit mehreren Auszeichnungen.
Kundenbewertung nach Schulnoten 1,2
Mit freündlichen Grüßen
Edgar Huber
Lieber Herr Huber,
es mag zwar sein, dass Ihr Betrieb zertifiziert ist, das sagt aber nichts über die Gleichwertigkeit der durchzuführenden Reparatur im Vergleich zu einer Reparatur in der Markenfachwerkstatt aus. Wenn die Versicherungen Ihnen immer wieder erklären, die Zertifizierung bedeute auch eine Gleichwertigkeit, so ist dies nur bedingt richtig. Das zeigt auch das Ergebnis der Beweisaufnahme. Der vom Gericht bestellte Gutachter hat eindeutig und nachvollziehbar angegeben, dass eine Reparatur in Ihrem Betrieb aber nicht dem Qualitätsstandard der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entsprechen würde. So sind die Werkzeuge lt. Angaben des Gerichtsgutachters nicht herstellerautorisiert. Fort- u. Weiterbildungsmaßnahmen speziell von Mercedes oder anderen Herstellern werden bei Ihrer Firma nicht durchgeführt. Der elektronische Zugang zu Daten und Informationen sind ebenfalls nicht von Mercedes bzw. anderen Herstellern, und auf Grund unterschiedlicher Garantien kann nicht von einer Gleichwertigkeit gesprochen werden. So die Begutachtung durch den Gerichtsgutachter. Das sagt eigentlich doch schon alles. Zertifizierung ist eben nicht Alles.
Guten Tag,
Zertifizierung heißt nur, dass ich es immer gleich mache. Ob gut oder schlecht ist nachrangig.
Mein Ex-Chef beschrieb das sehr treffend: Wenn ich festlege das Auto bei der Endkontrolle anzuspucken, dann muss ich das bei jedem Auto tun. Völlig egal ob sinn- oder unsinnig.
Wie will denn jemand ernsthaft behaupten, er erfülle den Herstellerstandard, wenn er keine exakte Kenntnis davon hat und sich diesem vor allem nicht unterwirft?
Wir sind im Großraum Berlin noch der einzige markengebundene K & L Betrieb für unsere Marke.
Daher weiß ich wovon ich rede. Tagtäglich bekommen wir grausige Zeugnisse solcher oben genannten Art zu sehen.
Der Vergleich sei hier ausnahmsweise gestattet, weil angebracht.
Das hat etwas davon, als ob Blinde sich mit Sehenden über Farben und (Lacksysteme) unterhalten wollen.
Sicher darf hier kein Pauschalurteil gefällt werden. Sicher gibt es wirklich gute freie K & L Partner.
Aber wer will als Endverbraucher das ernsthaft beurteilen wollen.
Die Sicherstellung bezüglich seiner Interessenlage* bekommt er per se nur bei einem markengebunden Partnerbetrieb. Nur dort kann er sich darauf verlassen, weil das vertraglich im Innenverhältnis mit dem Hersteller so vereinbart und garantiert werden muss. Genau dieses Innenverhältnis scheuen aber die Freien, vor allem aus der daraus entstehenden Verpflichtung.