Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
zum Wochenbeginn veröffentlichen wir für Euch hier ein Urteil aus München zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die Allianz Versicherungs AG. Zu Recht hat sich das erkennende Gericht bei der Beurteilung der Sachverständigenkosten auf den Beschluss des OLG München vom März 2015 bezogen, den wir Euch hier im Blog bekannt gegeben hatten. Mit zutreffenden Gründen hat das erkennende Gericht in Anlehnung an den besagten Beschluß der Klage statt gegeben. Wie es sein wird, wenn die nachgeordneten Gerichte sich an dem Beschluss des OLG vom Dezember 2015 orientieren, mag ich mir noch nicht vorstellen. Lest selbst das Urteil des AG München vom 3.11.2015 – 343 C 18500/15 – und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
Amtsgericht München
Az.: 343 C 18500/15
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
Allianz Versicherungs-AG, vertreten durch d. Vorstand, Königinstraße 28, 80802 München
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht München durch den Richter am Amtsgericht V. am 03.11.2015 auf Grund des Sachstands vom 27.10.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 141,49 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.08.2015 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.08.2015 zu bezahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 141,49 € festgesetzt.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen weiteren Schadensersatzanspruch in Höhe von 141,49 €.
Unstreitig haftet die Beklagte für die Schäden aus einem Verkehrunfall vom 19.09.2013. Streitig war allein, ob noch ausstehende Sachverständigenkosten von 141,49 € erstattungsfähig sind oder nicht.
Der Kläger ist aktivlegitimiert, da die Forderung unbestritten an ihn abgetreten wurde.
Nach § 249 II 1 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen (vgl. Senat, NJW 2004, 3326 = VersR 2004, 1189 [1190f.]). Dies gilt auch für die Höhe des Sachverständigenhonorars (vgl. Hinweisbeschluss des OLG München vom 12.03.2015, 10 U 579/15).
Erforderlich sind bei Heranziehung eines privaten Sachverständigen dementsprechend nach § 249 II 1 BGB und unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht nur diejenigen Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt vom Geschädigten nicht, zugunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Erforderlich ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung. Bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss zuvor keine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben, keine Kostenvoranschläge einholen und keinen Preisvergleich anstellen (Hinweisbe-schluss des OLG München vom 12.03.2015, 10 U 579/15).
Unabhängig davon, ob der der Sachverständige selbst klagt oder eine Vermittlung des Sachverständigen für den Geschädigten stattgefunden hat, ist nach der aktuellen Rechtsprechung des OLG München (Beschluss vom 12.3.2015, 10 U 579/15) eine Gesamtbetrachtung der Rechnung vorzunehmen. Entscheidend ist die Frage, ob der Gesamtbetrag der Sachverständigenrechnung gemäß § 632 BGB der für die Erstellung eines Kfz-Schadensgutachtens üblichen Vergütung entspricht. Vorliegend bewegt sich die Rechnung im Rahmen der BVSK und ist daher als branchenüblich im Sinn der OLG-Rechtsprechung anzusehen.
Eine Kürzung kommt daher nicht in Betracht. Der Kläger hat somit Anspruch auf Zahlung restlicher Sachvertsändigenkosten in Hhe von 141,49 €.
An vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten kann die Klägerseite geltend machen eine 1,3 Gebühr aus einem Geschäftswert in Höhe der berechtigten Schadensersatzforderung von 141,49 € zuzüglich einer Auslagenpauschale von 20,00 €. Dies sind hier 70,20 €.
Auf die Frage, ob die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bezahlt wurden oder nicht, kommt es hier nicht an, da ein etwaiger Befreiungsanspruch gemäß § 250 Satz 2 BGB in einen Geldanspruch übergegangen ist. Diese Vorschrift eröffnet dem Geschädigten die Möglichkeit, zu einem Anspruch auf Geldersatz zu gelangen, wenn er dem Ersatzpflichtigen erfolglos eine Frist zur Herstellung, das heißt hier Haftungsfreistellung, mit Ablehnungsandrohung setzt. Dem steht es nach ständiger Rechtsprechung des BGH gleich, wenn der Schuldner die geforderte Herstellung oder überhaupt jeden Schadensersatz ernsthaft und endgültig verweigert. Dann wandelt sich der Freistellungs- in einen Zahlungsanspruch um, wenn der Geschädigte Geldersatz fordert (BGH, Urteil vom 13. 1. 2004, XI ZR 355/02). Auch ohne Setzen einer Frist wandelt sich der Befreiungsanspruch daher in einen Zahlungsanspruch, wenn der Schuldner eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass er eine (weitergehende) Erfüllung ablehnt (vgl. z.B. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 27.02.2007, 7 U 93/05). So liegt der Fall hier. Die Beklagtenseite hat klar zu erkennen gegeben, dass sie die (weitergehende) Schadensersatzverpflichtungen ablehnt.
Bei der Behauptung der Beklagtenseite, dass der Anspruch auf eine Rechtsschutzversicherung übergegangen sei und die Klägerseite deshalb nicht mehr aktiv legitimiert sei, handelt es sich um eine Behauptung „ins Blaue“, da nicht näher dargelegt ist, worauf diese Behauptung gestützt wird. Es handelt sich daher nicht um ein wirksames Bestreiten der Aktivlegitimation.
Der Klägerseite stehen Verzugszinsen zu erst ab 01.04.2015, § 286 Abs. 1 BGB. Die von Klägerseite vorgetragene einseitige Zahlungsaufforderung war dagegen nicht geeignet, Verzug zu einem früheren Zeitpunkt zu begründen, da eine solche Aufforderung unter erstmaliger Benennung eines Zahlungsziels nicht genügt, um eine Leistungszeit nach dem Kalender zu bestimmen im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB und auch keine Mahnung darstellt (BGH, Urteil vom 25.10.2007, III ZR 91/07). Erst mit qualifiziertem Schreiben vom 17.03.2015 wurde eine den Anforderungen an eine Mahnung genügende Leistungsaufforderung übersandt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Der Streitwert ergibt sich aus der Klageforderung.