Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
zum Wochenbeginn stellen wir Euch hier ein – hervorragendes – Urteil aus Neresheim zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht im Schadensersatzprozess gegen die HUK-COBURG vor. In diesem Fall war es die HUK 24 AG, die rechtswidrig die berechneten Sachverständigenkosten gekürzt hatte. Wieder einmal musste die HUK-COBURG durch ihre Tochter-Gesellschaft eine juristische Schlappe vor Gericht hinnehmen, weil sie unberechtigterweise den Schadensersatz verkürzt hatte. Das erkennenende Gericht hat mit dem nachfolgend dargestellten Urteil gezeigt, wie Schadensersatz in Form der berechneten Sachverständigenkosten korrekt abgeurteilt werden kann. Der Rechtsstreit wurde kurz und schmerzhaft für die HUK-COBURG bzw die HUK 24 AG abgehandelt. Dabei hat das erkennende Gericht zutreffend auf § 249 I BGB abgestellt. Das AG Idstein findet – zu Recht – damit immer mehr Nachmacher, obwohl auch hier schon in Kommentaren argumentiert wurde, dass die Entscheidung des AG Idstein ein Einzelfall bleiben würde, was sich jetzt schon bereits als Fehleinschätzung herausgestellt hat. Mehr, als in dem Urteil aufgeführt, braucht es wirklich nicht. Dieses Urteil könnten sich so manche Richter und Richterinnen kopiert hinter ihren Schreibtisch stellen. Wetten dass die HUK-COBURG mit diesem hervorragenden Urteil nicht hausieren gehen wird? Lest selbst das Urteil des AG Neresheim und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Aktenzeichen:
1 C 110/16
Amtsgericht Neresheim
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
Kfz-Sachverständigenbüro …
– Klägerin –
gegen
HUK24 AG, vertreten durch d. Vorstand, dieser vertreten d.d. Vorsitzenden Detlef Frank, Bahnhofsplatz 1, 96442 Coburg
– Beklagte –
wegen Schadensersatzes
hat das Amtsgericht Neresheim durch den Direktor des Amtsgerichts S. ohne mündliche Verhandlung gemäß § 128 Abs. 2 ZPO für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 56.12 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.12.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Streitwert; 56,12 €
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313 a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus abgetretenem Recht auf Zahlung von weiteren Sachverständigenkosten in Höhe von 56,12 €.
Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB (Hervorhebung durch den Autor!) auszugleichenden Vermögensnachteilen, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches Angesicht der Beschädigung des PKW des Geschädigten erforderlich und zweckmäßig ist. Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche ähnlichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen. Dass der Geschädigte hier von vorne herein hätte erkennen können, dass der Sachverständige nach der Behauptung der Beklagten überhöhte Kosten ansetzen würde, kann nicht festgestellt werden. Zu einer Recherche nach einem Sachverständigen mit einem günstigeren Honorarangebot war der Geschädigte gegenüber der Beklagten nicht verpflichtet. Da des Weiteren das von der Klägerin zur Abrechnung gebrachte Gesamthonorar innerhalb der Rahmenwerte des Honorarkorridors V der BVSK-Befragung liegt, ist kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht erkennbar.
Der Klage war daher stattzugeben.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 ff. BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Berufung wird mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zugelassen.
„Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB (Hervorhebung durch den Autor!) auszugleichenden Vermögensnachteilen, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches Angesicht der Beschädigung des PKW des Geschädigten erforderlich und zweckmäßig ist. Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen.“
Und für mich konsequent/korrekt wäre gewesen:
Allein in dem Bewußtsein/Kenntnis des Auftraggebers, mit dem Auftragnehmer einen sittenwidrigen Vertrag abzuschließen bzw. abgeschlossen zu haben, hätte den Haftpflichtversicherer berechtigt, unter Nachweis, den Schadensersatz auf das Sachverständigenhonorar zu kürzen.
Für mich ist es auch nicht korrekt, in ein Urteil zu schreiben
“ … einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen.“
Weil, wer wissentlich sittenwidrig handelt, zahlt aus eigener Tasche. Was gleichermaßen den Auftraggeber und den Auftragnehmer trifft.
So wäre die Urteilsbegründung nicht nur hervorragend sondern perfekt ausformuliert gewesen.
Da fällt mir ein, wenn ein zukünftiger Chef des GDV mit Strafanzeigen belastet wäre, hätte der GDV dann nicht ein Problem mit dieser Personalie?
@ virus
Die Formulierung des Gerichtes ist – trotz deiner Kritik am Wortlaut des Urteils – korrekt. Zum einen hat das Gericht zutreffend festgestellt, dass sich die Ersatzfähigkeit von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall grundsätzlich nach § 249 I BGB richtet. Zum weiteren hat das Gericht zutreffend festgestellt, dass die berechneten Sachverständigenkosten bereits ein Indiz für die Erforderlichkeit des geforderten Schadensersatzbetrages ist. Auf die Bezahlung kommt es somit – zu Recht – nicht an. Auf den der Schadensersatzforderung „Sachverständigenkostenerstattung“ zugrunde liegenden Werkvertrag kommt es im Schadensersatzprozess grundsätzlich nicht an.
Der Geschädigte unterliegt, wie jeder vernünftig denkende Mensch, der Schadensgeringhaltungspflicht gemäß § 254 BGB. Er muss, soweit es in seiner Macht steht und ihm zumutbar ist, den Schaden so gering wie möglich halten. Das bedeutet auf die Sachverständigenkosten, dass er als Geschädigter in Magdeburg keinen Gutachter aus München oder Hamburg beauftragen darf. Allerdings besteht für den Geschädigten keine Pflicht, unter den regional erreichbaren Sachverständigen den kostengünstigsten zu beauftragen, denn es besteht keine Preisvergleichspflicht.
Wieso es allein auf die Sittenwidrigkeit eines werkvertraglich zu berücksichtigenden Sachverständigenvertrages zwischen Geschädigtem und Sachverständigem im Rahmen der Schadensersatzverpflichtung des Schädigers gegenüber dem Geschädigten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall ankommen soll, bleibt offenbar dein Geheimnis. Werkvertragliche Gesichtspunkte spielen grundsätzlich im Schadensersatzprozess keine Rolle.
Der Gedanke mit der Sittenwidrigkeit ist ganz verfehlt, denn nach § 138 BGB ist ein sittenwidriges Rechtsgeschäft nichtig. Nichtigkeit bedeutet, dass ein derartiges Geschäft nie abgeschlossen wurde. Dementsprechend kann auch keine Sachverständigenrechnung eine Rolle spielen.
Ob deine Urteilsbegründung hervorragender wäre, wage ich sehr zu bezweifeln., da juristisch nicht abgeklärt.
@Willi Wacker
Alles richtig, bis auf den folgenden Satz:
„Das bedeutet auf die Sachverständigenkosten, dass er als Geschädigter in Magdeburg keinen Gutachter aus München oder Hamburg beauftragen darf.“
Der Geschädigte aus Magdeburg kann und darf auch einen Gutachter seines Vertrauens aus München oder Hamburg beauftragen. Welche Rechtsgrundlage sollte ihm das verbieten? Er hat nur keinen Anspruch auf die erhöhten Fahrt- bzw. Reisekosten (Schadensminderungspflicht).
Ansonsten finde ich das Urteil perfekt so wie es ist. Da gibt es nichts dran auszusetzen oder zu verbessern.
Hallo Hansi,
Du hast es korrekter angegeben als ich es ausgedrückt habe.
Tatsächlich darf er den Gutachter seiner Wahl beauftragen, auch den in München oder Hamburg, allerdings muss er dann die Mehrkosten im Vergleich zu dem regionalen Gutachter aus Magdeburg und Umgebung selbst tragen. Das ergibt sich aus dem Wirtschaftlixchkeitspostulat und der Schadensgeringhaltungspflicht gemäß § 254 BGB, die sich letztlich auf § 242 BGB stützt. Du hast es korrekt ausgedrückt.
Danke für den Hinweis.
Willi Wacker
@ W. W.
„Die Formulierung des Gerichtes ist – trotz deiner Kritik am Wortlaut des Urteils – korrekt. Zum einen hat das Gericht zutreffend festgestellt, dass sich die Ersatzfähigkeit von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall grundsätzlich nach § 249 I BGB richtet. Zum weiteren hat das Gericht zutreffend festgestellt, dass die berechneten Sachverständigenkosten bereits ein Indiz für die Erforderlichkeit des geforderten Schadensersatzbetrages ist. Auf die Bezahlung kommt es somit – zu Recht – nicht an. Auf den der Schadensersatzforderung „Sachverständigenkostenerstattung“ zugrunde liegenden Werkvertrag kommt es im Schadensersatzprozess grundsätzlich nicht an.“
Und was sagt und das? Dass der, insbesondere HUK-Coburg Kfz-Versicherer dies alles auch weiß. Und wenn der Versicherer in diesem Wissen nicht den vollen Schadensersatzbetrag auf das Sachverständigen-Honorar zahlt, dann drängt sich der Verdacht des versuchten Betruges doch geradezu auf. Um diesen Verdacht zu bestätigen oder auszuräumen, dafür ist ein Staatsanwalt, ich meine aufgrund der Größenordnungen sowie bundesweiten Regulierungspraxis dieses Versicherer, der Bundesstaatsanwalt zuständig.
Hätte dies der Amtsrichter für sich auch so erkannt, hätte es sogar gereicht, in sein Urteil zu schreiben:
„Eine allgemeine Kontrolle der Angemessenheit von Preisen möge im Kartellrecht notwendig sein, liege dem bürgerlichen Recht aber fern. Nach § 249 BGB Satz 1 ist der Schadensersatzbetrag auf das Sachverständigenhonorar aufgrund der vorgelegten Rechnung ungekürzt zu erstatten.
Bei nicht sofortiger Zusicherung der Zahlung sieht sich der Richter zudem verpflichtet, Strafanzeige wegen des Verdachts des versuchten Betruges gegen den Vorstand des Versicherers zu erstatten.“
Da fällt mir gleich nochmal ein, wenn ein zukünftiger Chef des GDV mit Strafanzeigen – z. B. wegen Anstiftung des versuchten Betruges – belastet wäre, hätte der GDV dann nicht ein Problem mit dieser Personalie?
Weitergehend empfehle ich zur Sittenwidrigkeit § 138 Satz 1 und 2 BGB das Studium von – 1 BvR 240/98 –.