Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
am heutigen Montag stellen wir Euch auch noch ein Urteil aus Neubrandenburg zu den Verbringungskosten bei der konkreten Abrechnung sowie zu den Sachverständigenkosten gegen die HUK-COBURG vor. Wieder einmal hatte die HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG die geltend gemachten und durch Rechnungen nachgewiesenen Schadenspositionen des Geschädigten gekürzt. Mit dieser Kürzung gab sich der Geschädigte – zu Recht – nicht zufrieden. Er klagte vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht Neubrandenburg. Da der Geschädigte selbst klagte, hätte das erkennende Gericht die entscheidenden Grundsatzurteile des BGH, nämlich VI ZR 67/06 und VI ZR 225/13 anwenden müssen. Das unter anderem vom Gericht erwähnte Urteil des BGH VI ZR 50/15 betrifft nämlich die Klage eines Sachverständigen aus abgetretenem Recht. So hat aber das erkennende Gericht in dem nachfolgend dargestellten Urteil leider wieder eine Sachverständigenkostenüberprüfung nach BVSK vorgenommen. Bei richtiger Anwendung der zutreffenden Grundsatzurteile hätte das Gericht eine Bezugnahme auf BVSK ablehnen müssen, da der BGH in seinem Urteil vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – entschieden hatte, dass der Geschädigte die Ergebnisse der Honorarumfrage des BVSK nicht kennen muss (BGH VI ZR 225/13 Rd.-Nr. 10). Bei den Verbringungskosten hat das erkennende Gericht jedoch interessante Ausführungen zum Werkstattrisiko und zum Vorteilsausgleich gemacht. Lest daher selbst das Urteil des AG Neubrandenburg und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Aktenzeichen:
104 C 542/16
Amtsgericht Neubrandenburg
Im Namen des Volkes
Urteil
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch den Vorstand, Bahnhofsplatz, 96444 Coburg
– Beklagte –
hat das Amtsgericht Neubrandenburg durch den Richter am Amtsgericht M. am 07.06.2017 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.05.2017 für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Sachverständigen … 80,96 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 04.03.2016 auf die Rechnungsnummer 7935150216 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 70,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 04.03.2016 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der austenorierten Beträge aus §§ 7, 17 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 115 VVG.
Nach der erfolgten Abtretung und der Tatsache, dass der Sachverständige … weiter auf Zahlung der verbleibenden Sachverständigengebühren besteht, kann der Kläger im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft die Zahlung der verbleibenden 80,96 EUR an den Sachverständigen … als Abtretungsempfänger beanspruchen.
Der Einwände der Beklagten betreffend die Sachverständigenrechnung vom 17.02.2017 greifen nicht durch.
Bezüglich der Höhe der Vergütung und Auslagen eines außergerichtlich tätigen KFZ-Sachverständigen gibt es keine gesetzliche Regelung. Schadensgutachten dienen in der Regel dazu, die Realisierung von Schadensersatzforderungen zu ermöglichen. Die richtige Ermittlung des Schadensbetrages wird als Erfolg geschuldet; hierfür haftet der Sachverständige. Deshalb trägt eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars dem nach der Rechtsprechung entscheidend ins Gewicht fallenden Umstand Rechnung, dass das Honorar des Sachverständigen die Gegenleistung für die Feststellung des wirtschaftlichen Wertes der Forderung des Geschädigten ist. Ein Sachverständiger, der für Routinegutachten sein Honorar auf einer solchen Bemessungsgrundlage bestimmt, überschreitet die Grenzen des ihm vom Gesetz eingeräumten Gestaltungsspielraums grundsätzlich nicht (BGH, NJW 2006, 2472 f.). Der Kläger hat mit dem Sachverständigen … keine Vergütungsvereinbarung getroffen. Die Höhe der Vergütung richtet sich somit nach der üblichen Vergütung, § 632 BGB. Die Abrechnung der Vergütung der außergerichtlichen KFZ-Sachverständigen erfolgt fast ausschließlich als Pauschalbetrag, deren Höhe in Abhängigkeit zur Höhe der ermittelten Reparaturkosten bzw. beim Totalschaden zum Wiederbeschaffungswert steht. Neben dem Grundhonorar ist der Sachverständige auch zur separaten Abrechnung von Nebenkosten grundsätzlich berechtigt. Nach diesen Grundsätzen unterliegt die seitens des Klägers noch geltend gemachte Restforderung keinen gerichtlichen Bedenken. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit des Grundhonorars des Sachverständigen … die nunmehr auch höchstrichterlich anerkannte BVSK Honorarbefragung 2015 zugrunde gelegt. Hiernach sind die durch den Sachverständigen … geforderten Beträge vorliegend nicht als unüblich gemäß § 249 BGB einzustufen. Mit seinem gemäß Rechnung vom 17.02.2016 geltend gemachten Grundhonorar in Höhe von 395,00 EUR netto liegt der Sachverständige – noch – in dem entsprechenden, für die Netto-Schadenshöhe von 1.784,02 EUR geltenden Honorarkorridor zwischen 362,00 EUR und 397,00 EUR netto. Die vom Gutachter … in seiner Rechnung geltend gemachten Fahrtkosten, Lichtbilder (zwei Fotosätze), Schreib-/Kopiekosten sowie Versand-/Telefonkosten unterliegen dem Grunde und ihrer Höhe nach keinen gerichtlichen Bedenken. Sie entsprechen den Vorgaben der BVSK Honorarbefragung 2015 und sind zum Teil auch schon höchstrichterlich in ihrer Höhe bestätigt worden (unter anderem BGH VI ZR 50/15). Der Zinsanspruch folgt aus Verzugsgesichtspunkten.
Auch die Klage auf Zahlung der verbliebenen Verbringungskosten in Höhe von 70,00 EUR hat Erfolg. Insoweit kann offen bleiben, ob diese Verbringungskosten tatsächlich angefallen sind. Einerseits hat die Beklagte diese Verbringungskosten bereits dadurch dem Grunde nach anerkannt, dass sie diese teilweise – in Höhe von 80,00 EUR – gezahlt hat. Denn auf die Reparaturkostenrechnung vom 23.02.2016 in Höhe von 1.898,98 EUR zahlte die Beklagte unstreitig 1.828,98 EUR. Andererseits hat der Kläger nicht dafür einzustehen, falls diese Verbringungskosten tatsächlich nicht angefallen sein sollten und zu Unrecht geltend gemacht wurden. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 Satz 2 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte – hier der Kläger – bei Ausübung der ihm durch das Gesetz eingeräumten Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zu dem ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen ist und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss. Insoweit besteht kein Sachgrund, dem Schädiger das „Werkstattrisiko“ abzunehmen, das er auch zu tragen hätte, wenn der Geschädigte ihm die Beseitigung des Schadens nach § 249 Satz 1 BGB überlassen würde. Der Geschädigte bedient sich der Werkstatt kraft seiner Befugnis zur Wiederherstellung seines beschädigten Fahrzeugs. Das Gesetz legt hierfür dem Schädiger die Kosten auf. Die „tatsächlichen“ Reparaturkosten können daher regelmäßig auch dann für die Bemessung des „erforderlichen“ Herstellungsaufwandes herangezogen werden, wenn diese Kosten ohne Schuld des Geschädigten unangemessen erscheinen. Der Geschädigte kann in solchen Fällen grundsätzlich nicht zunächst darauf verwiesen werden, der übersetzten Forderung der Werkstatt seine Einwände entgegenzusetzen, um die Forderung in gerichtlicher Auseinandersetzung auf die angemessene Höhe zurückzuführen. Auch bei wirtschaftlicher Betrachtung entspricht es der Interessenlage, dass der Schädiger dem Geschädigten die Mittel zur Verfügung stellt, die diesen in die Lage versetzen, das Unfallfahrzeug möglichst rasch wieder nutzen zu können, und der Schädiger selbst die Entscheidung über das Vorgehen gegen die Werkstatt trifft. Da er nach den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs die Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt verlangen kann, ist seine Rechtsstellung gegenüber dieser nicht schwächer als die des Geschädigten; er wird sogar meist durch die Unterstützung seines Haftpflichtversicherers seine Interessen an einer Herabsetzung der Reparaturkosten nachdrücklicher als der Geschädigte verfolgen können. Diese Grundsätze führen freilich nicht dazu, die Reparaturkostenrechnung der Werkstatt dem nach § 249 Satz 2 BGB für die Instandsetzung des Fahrzeugs geschuldeten Betrag ungeprüft gleichzusetzen. Selbstverständlich haben Reparaturen bei der Bemessung des erforderlichen Herstellungsaufwandes auszuscheiden, die nur bei Gelegenheit der Instandsetzungsarbeiten mitausgeführt worden sind. An den vom Geschädigten zu führenden Nachweis, dass er wirtschaftlich vorgegangen ist, also bei der Beauftragung aber auch bei der Überwachung der Reparaturwerkstatt den Interessen des Schädigers an Geringhaltung des Herstellungsaufwandes Rechnung getragen hat, dürfen deshalb nicht zu geringe Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH VI ZR 42/73). Letztere Anforderungen sind vorliegend erfüllt. Der Kläger hat vor Beauftragung der erforderlichen Reparaturleistungen ein Sachverständigengutachten eingeholt. Die Reparaturrechnung weicht nur um wenige Prozent von den im Gutachten kalkulierten Kosten ab. Unabhängig davon, dass die Verbringungskosten im Gutachten nicht kalkuliert sind, sieht die erkennende Abteilung des Amtsgerichts solche Kosten – wohl mit der mittlerweile herrschenden Auffassung – bei der Abrechnung auf Gutachtenbasis als erstattungsfähig an. Dann müssen diese Kosten auch vorliegend gezahlt werden, wenn – nach der durchgeführten Beweisaufnahmen – feststeht, dass das Fahrzeug bzw. dessen Stoßstange tatsächlich zur Lackierung verbracht wurde. Auch hier folgt der Zinsanspruch aus Verzugsgesichtspunkten.
Der Klage war daher in vollem Umfang stattzugeben.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nummer 11, 711, 713 ZPO.
Anlass zur Zulassung der Berufung bestand vorliegend nicht. Weder hat der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung, noch dient er der Fortbildung des Rechts oder ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung einer Entscheidung des Berufungsgerichts erforderlich.
Urteilsliste “Verbringungskosten u. SV-Honorar” zum Download >>>>>
Folgende Passage der Entscheidungsgründe ist auch problemlos anwendbar auf Kürzung der entstandenen Sachverständigenkosten. Nur muss es dann abgeändert lauten:
Auch die Klage auf Zahlung der verbliebenen Gutachterkosten in Höhe von xxx EUR hat Erfolg. Insoweit kann offen bleiben, ob diese Gutachterkosten tatsächlich angefallen sind. Einerseits hat die Beklagte diese Gutachterkosten bereits dadurch dem Grunde nach anerkannt, dass sie diese teilweise – in Höhe von zzz EUR – gezahlt hat. Andererseits hat der Kläger nicht dafür einzustehen, falls diese Gutachterkosten tatsächlich nicht angefallen sein sollten und zu Unrecht geltend gemacht wurden. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 Satz 2 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte – hier der Kläger – bei Ausübung der ihm durch das Gesetz eingeräumten Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zu dem ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen ist und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss. Insoweit besteht kein Sachgrund, dem Schädiger das „Werkstattrisiko“ abzunehmen, das er auch zu tragen hätte, wenn der Geschädigte ihm die Beseitigung des Schadens nach § 249 Satz 1 BGB überlassen würde. Der Geschädigte bedient sich eines unabhängigen und qualifizierten Sachverständigenden kraft seiner Befugnis zur Wiederherstellung seines beschädigten Fahrzeugs. Das Gesetz legt hierfür dem Schädiger die Kosten auf. Die „tatsächlichen“ Gutachterkosten können daher regelmäßig auch dann für die Bemessung des „erforderlichen“ Herstellungsaufwandes herangezogen werden, wenn diese Kosten ohne Schuld des Geschädigten unangemessen erscheinen. Der Geschädigte kann in solchen Fällen grundsätzlich nicht zunächst darauf verwiesen werden, der möglicherweise übersetzten Forderung des Sachverständigen seine Einwände entgegenzusetzen, um die Forderung in gerichtlicher Auseinandersetzung auf die angemessene Höhe zurückzuführen. Auch bei wirtschaftlicher Betrachtung entspricht es der Interessenlage, dass der Schädiger dem Geschädigten die Mittel zur Verfügung stellt, die diesen in die Lage versetzen, das Unfallfahrzeug möglichst rasch wieder nutzen zu können, und der Schädiger selbst die Entscheidung über das Vorgehen gegen den Sachverständigen trifft. Da er nach den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs die Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gegen den Sachveständigen verlangen kann, ist seine Rechtsstellung gegenüber diesem nicht schwächer als die des Geschädigten; er wird sogar meist durch die Unterstützung seines Haftpflichtversicherers seine Interessen an einer Herabsetzung der Reparaturkosten nachdrücklicher als der Geschädigte verfolgen können.“
Benedikt
„er wird sogar meist durch die Unterstützung seines Haftpflichtversicherers seine Interessen an einer Herabsetzung der vermeintlich nicht erforderlichen bzw. der deutlich überhöhten Gutachterkosten nachdrücklicher als der Geschädigte verfolgen können.“
So ist es zutreffender.-
Benedikt