AG Neuss spricht bei komplizierter Haftung bei einem berührungslosen Verkehrsunfall die Rechtsanwaltskosten des geschädigten Rechtsanwalts nicht zu mit Urteil vom 28.7.2016 – 101 C 2177/16 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

zum Wochende veröffentlichen wir hier noch ein Urteil des Amtsgerichts Neuss zu den Rechtsanwaltskosten gegen die KRAVAG-LOGISTIC Versicherungs AG. Das erkennende Gericht war der – allerdings irrigen – Auffassung, dass die Anwaltskosten nicht zu erstatten seien, da der Geschädigte erst nach Regulierungsverweigerung des Schädigers berechtigt sei, einen Rechtsanwalt einzuschalten. Diese Ansicht des noch jungen Richters ist grundsätzlich falsch, denn die Kosten der Rechtsverfolgung sind vom Schädiger zu ersetzende Kosten. Dies gilt umsomehr als es sich um einen berührungslosen Verkehrsunfall handelt, dessen Haftungsfragen erst mit dem Urteil des BGH vom 22.11.2016 – VI ZR 533/15 – geklärt wurden. Wenn schon der BGH über die Haftungsfragen in einem solchen Fall entscheiden muss, dann sind die Haftungsfragen eben nicht einfach zu klären, ohne anwaltliche Hilfe schon gar nicht. Bei diesem Urteil könnte man allerdings auch die Frage stellen, ob der erkennende Richter dem klagenden Anwalt das Anwaltshonorar nicht gönnt? Abschließend noch die Erläuterungen des Einsenders zu diesem Urteil:

Einen „berührungslosen Unfall“ trotz fraglicher Haftung als „einfach“ für einen erfahrenen Privatmann zu werten, kann auch nur einem Richter auf Probe des AG Neuss einfallen. Wegen Nichtzulassung der Berufung muss es bei dem Urteil verbleiben. Unsere Erfahrungen mit Richtern zur Probe sind katastrophal. Die heutige Juristenausbildung lässt Böses befürchten …

Was denkt Ihr? Bitte Eure sachlichen Kommentare.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker

101 C 2177/16

Amtsgericht Neuss

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

des Rechtsanwalts … ,

Klägers,

gegen

die KRAVAG-LOGISTIC Versicherungs AG, vertreten durch den Vorstand, Heidenkampsweg 102, 20097 Hamburg,

Beklagte,

hat das Amtsgericht Neuss
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am
28.07.2016
durch den Richter K.

für Recht erkannt:

1.  Die Klage wird abgewiesen.

2.  Die Kosten des Rechtsstreit trägt der Kläger.

3.  Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten weder aus den §§ 7 Abs. 1,18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB, § 115 S. 1 S. 1 Nr. 1 VVG noch aus einer anderen Anspruchsgrundlage ein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten.

Insoweit ist es zwar unstrittig zu einem Verkehrsunfall gekommen, der vollständig durch den Fahrer des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges verursacht worden ist, jedoch sind die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten hier nicht von der Beklagten zu erstatten.

Der Kläger, der selbst Rechtsanwalt ist, macht als Geschädigter des Verkehrsunfalles Rechtsanwaltskosten geltend, die ihm als Rechtsanwalt in eigener Sache entstanden sind. Dabei ist es zwar zutreffend, dass auch ein Rechtsanwalt, der selbst Opfer eines Verkehrsunfalles wird, für seine Tätigkeit die angefallenen Gebühren verlangen kann, jedoch nur dann, wenn die Einschaltung eines Rechtsanwaltes auch für einen unfallerfahrenen Privatmann erforderlich gewesen wäre.

Angesichts des vorliegend einfach gelagerten Falles, der eindeutigen Haftungsverteilung und der zügigen Regulierung durch die Beklagte, war die Beauftragung eines Rechtsanwaltes jedenfalls für einen erfahrenen Privatmann vorliegend nicht erforderlich. Alleine der Umstand, dass der Fahrer des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges den Unfall selbst nicht wahrgenommen hat, lässt jedenfalls bei einem erfahrenen Privatmann nicht die Erforderlichkeit der Einschaltung eines Rechtsanwaltes entstehen. Vielmehr ist diesem, bei einer objektiv eindeutigen Haftungslage, zuzumuten erst die Versicherung selbständig in Anspruch zu nehmen und erst nach evtl. Regulierungsverweigerung die Hilfe eines Rechtsanwaltes in Anspruch zu nehmen.

Es ist auch nicht nachvollziehbar, wenn der Kläger vorträgt, dass die Beklagte über drei Wochen zur Regulierung benötigt habe und sich bereits daraus ergebe, dass der Verkehrsunfall nicht völlig unkompliziert gewesen sei. Nach seinem eigenen Vortrag hat der Kläger erst mit Schreiben vom 12.05.2016 die Reparaturrechnung bei der Beklagten eingereicht. Daraufhin hat die Beklagte mit Schreiben vom 24.05.2016 abgerechnet und Schadensersatz geleistet. Es liegt dabei auf der Hand, dass eine vollständige Regulierung erst nach Einreichung der dafür erforderlichen Belege erfolgen kann. Nachdem diese vom Kläger eingereicht worden sind, hat diese innerhalb von weniger als zwei Wochen eine vollständige Regulierung vorgenommen. Diese Bearbeitungszeit ist üblich und angemessen.

II.

Mangels Hauptforderung steht dem Kläger auch kein Zinsanspruch zu.

Die Entscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 91 ff., 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung wird nicht zugelassen, da Berufungsgründe im Sinne von § 511 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen.

Der Streitwert wird auf 70,20 EUR festgesetzt.

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5 Antworten zu AG Neuss spricht bei komplizierter Haftung bei einem berührungslosen Verkehrsunfall die Rechtsanwaltskosten des geschädigten Rechtsanwalts nicht zu mit Urteil vom 28.7.2016 – 101 C 2177/16 -.

  1. Glöckchen sagt:

    Der muss noch viel lernen,evtl. Schreiner.

  2. Kfz-SV Streubel sagt:

    Es gibt ja auch noch andere Rechtsbehelfe als die Berufung…

  3. RA Schepers sagt:

    @ Kfz-SV Streuber

    Ein halbes Jahr nach Urteilsverkündung eher nicht mehr…

    Unabhängig davon dürften weder Gehörsrüge noch Verfassungsbeschwerde hinreichende Aussicht auf Erfolg haben…

  4. RA Schepers sagt:

    Streubel, nicht Streuber. Sorry.

  5. Gregor Samimi sagt:

    Die gegenständliche Entscheidung setzt sich mit der Frage auseinander, ob es sich bei den Anwaltsgebühren im konkreten Fall um erforderliche Rechtsverfolgungskosten handelt. Richtig ist, dass die herrschende Meinung dies in vergleichbaren Fällen mit guten Argumenten bejaht. Es ist aber auch vertretbar, dies im Einzelfall zu verneinen. Insoweit kann ich mich der hier geäußerten Kritik nicht ohne weiters anschließen. Mietwagenunternehmen und Rechtsschutzversicherer haben mitunter ähnliche Schwierigkeiten die außergerichtlichen Anwaltsgebühren zugesprochen zu bekommen, weil sie üblicherweise über eine eigene Rechtsabteilung verfügen. Die Notwendigkeit außergerichtlich einen Anwalt einzuschalten wird hier regelmäßig verneint. Im Ergebnis sollte dem Schädiger jedoch keine Vorteil daraus erwachsen, dass es sich bei dem Geschädigten um einen Rechtsanwalt handelt.

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