Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
heute stellen wir Euch noch ein Urteil des AG Neuss vor, bei dem wir lange überlegt haben, ob wir es wegen seiner Fehler überhaupt veröffentlichen sollten. Es geht wieder einmal um die Erstattung restlicher Sachverständigenkosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall. Dieser Unfall war verursacht worden von einem Kfz-Führer, der bei der HUK-COBURG Haftpflichtunterstützungskasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G. haftpflichtversichert war. Der Geschädigte, der einen Sachverständigen seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens beauftragt hatte, trat seinen Ersatzanspruch erfüllungshalber an den Sachverständigen ab, der den Schadensersatzanspruch an Erfüllungs Statt weiter abgetreten hatte. Diese Neugläubigerin, die Verrechnungsstelle, klagte aus an Erfüllungs Statt abgetretenem Recht (Factoring) gegen die HUK-COBURG Haftpflichtunterstützungskasse gemäß §§ 364, 249 BGB. Das erkennende Gericht bestätigte zwar die bestehende Aktivlegitimation der Klägerin aus abgetretenem Recht, es verneinte aber den Anspruch wegen der fehlenden Indizwirkung der in Rechnung gestellten (mehrfach abgetretenen) Sachverständigenkosten. Das ist im Ergebnis falsch, denn durch die Abtretung ändert sich der Inhalt der Schadensersatzforderung nicht (BGH VI ZR 491/15 Rn. 22). Mithin genügt der Geschädigte seiner Darlegungslast durch Vorlage der Rechnung, denn die Kosten für die Begutachtung eines bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen (BGH VI ZR 67/06; BGH VI ZR 491/15 Ls. 1; BGH VI ZR 76/16 Ls. 1). Der Vermögensnachteil liegt in der Verbindlichkeit, die der Geschädigte mit Abschluss des Werkvertrags mit dem Sachverständigen eingeht. In der vom Sachverständigen gestellten Rechnung liegt dann nämlich die Belastung mit einer Zahlungsverpflichtung. Dass auch die Belastung mit einer Verbindlichkeit ein zu ersetzender Schaden ist, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt (vgl. Offenloch ZfS 2016, 244, 245 m.w.N. in Fußn. 9). Mithin war von Beginn an der Geschädigte mit der Verbindlichkeit der vollen Zahlungspflicht belastet. Diese Forderung auf Schadensausgleich hat der Geschädigte gemäß § 398 BGH erfüllungshalber an den Sachverständigen abgetreten, der sie gemäß § 364 BGB an die Klägerin abtrat. Auf die Bezahlung kommt es nicht an, denn auch die unbezahlte Rechnung bildet eine Belstung mit der Zahlungsverpflichtung. Zum anderen ist die Schadensersatzforderung bei der zweiten Abtretung an Erfüllungs Statt, also in Erfüllungswirkung, erfolgt. Mit der Abtretung an Erfüllungs Statt tritt Erfüllung ein. Das Schuldverhältnis erlischt. Daher hat die Abtretung an Erfüllungs Statt die gleiche Wirkung als wenn gezahlt worden wäre, denn auch durch Zahlung erlischt das Schuldverhältnis. Alles das ist vom Gericht noch nicht einmal im Ansatz geprüft worden. Daher kann das nachstehende Urteil nur als schlechte juristische Arbeit bezeichnet werden. Mit der vom erkennenden Gericht in den Mittelpunkt gestellten Indizwirkung zeigt sich aber die Wirkung der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats unter Mitwirkung des Bundesrichters Wellner. Lest selbst dieses kritisch zu betrachtende Urteil des AG Neuss und gebt dann bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
87 C 4202/16
Amtsgericht Neuss
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
der Deutsche Verrechnungsstelle AG, vertr. d. d. Vorstand Sven Ries und Jan Pieper, Schanzenstraße 30, 51063 Köln,
Klägerin,
gegen
die HUK-Coburg Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschland a.G., vertr. d. d. Vorstand Dr. Wolfgang Weiler, Bahnhofsplatz, 96450 Coburg,
Beklagte,
hat das Amtsgericht Neuss
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am 06.06.2017
durch den Richter W.
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte über die bereits geleisteten Zahlungen hinaus kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Einholung des Sachverständigengutachtens zu.
Dabei ist die Klägerin für die Geltendmachung des Anspruches auch aktivlegitimiert. So hat der durch den Unfall Geschädigte seinen Anspruch auf Erstattung des Sachverständigenhonorars ausweislich der als Anlage K3 vorgelegten Vereinbarung an den Sachverständigen abgetreten. Dieser wiederum hat sowohl seinen ihm originär zustehenden Honoraranspruch als auch die an ihn abgetretenen Schadensersatzansprüche des Geschädigten an die Klägerin abgetreten. Beide Erklärungen sind hinreichend bestimmt, so dass die diesbezüglichen Rügen der Beklagten ins Leere gehen.
Weiter gehen die Parteien im Ausgangspunkt übereinstimmend – und zutreffend – davon aus, dass die Beklagte wegen der unstreitig gegebenen alleinigen Verursachung des diesem Rechtsstreit zu Grunde liegenden Verkehrsunfalls durch ihren Versicherungsnehmer dem Unfallgegner dem Grunde nach zum Ausgleich sämtlicher auf dem Unfall beruhenden Schäden gemäß §§ 7, 18 StVG, § 115 VVG verpflichtet ist. Darüber hinaus steht zwischen den Parteien außer Streit, dass hierzu grundsätzlich auch einen Anspruch auf Erstattung von Sachverständigenkosten gehört, da die Einholung eines Gutachtens zur Schadenshöhe regelmäßig für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruches nach einem Verkehrsunfall erforderlich ist (BGH NJW 3363, Rn. 10). Entsprechend wurden von der Beklagten die Gutachterkosten auch teilweise erstattet.
Ein Anspruch auf Erstattung von Sachverständigenkosten besteht aber nur, soweit das geltend gemachte Honorar erforderlich und angemessen ist. Dies wurde von der Beklagten bestritten. Die Darlegungslast für die Erforderlichkeit und Angemessenheit einer geltend gemachten Schadensposition trifft gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den Anspruchsteller (BGH, a.a.O., Rn. 18). Entsprechend hat der BGH in diesem Zusammenhang auch ausgeführt, dass der Versicherer dem Geschädigten nicht auf Zahlung eines Sachverständigenhonorars haftet, ohne dass die Erforderlichkeit des Sachverständigenkosten genügend dargelegt wird (BGH, a.a.O., Rn. 17).
Der sich hieraus ergebenden Darlegungslast ist die Klägerin nicht hinreichend nachgekommen, so dass sie zur Anspruchshöhe darlegungsfällig geblieben ist und die Klage demzufolge abzuweisen war.
Gemäß der Rechtsprechung des BGH genügt der Anspruchsteller seiner Darlegungslast durch Vorlage einer von ihm beglichenen Rechnung des mit der Begutachtung des Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen (BGH, a.a.O., Rn. 18). Dies begründet der BGH damit, dass nicht der vom Sachverständigen in Rechnung gestellte Betrag als solcher, sondern allein der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand einen Anhaltspunkt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB bilde. Der Grund für die Annahme einer Indizwirkung des vom Geschädigten tatsächlich erbrachten Aufwands bei der Schadensschätzung liege darin, dass bei der Bestimmung des erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB die besonderen Umstände des Geschädigten, mitunter auch seine möglicherweise beschränkten Erkenntnismöglichkeiten zu berücksichtigen seien, die sich regelmäßig im tatsächlich aufgewendeten Betrag niederschlagen würden, nicht hingegen in der vom Sachverständigen erstellten Rechnung als solcher (BGH, a.a.O., Rn. 19).
Soweit der Geschädigte die Rechnung des Sachverständigen nicht beglichen sondern lediglich seine Schadensersatzforderungen erfüllungshalber an den Sachverständigen abgetreten habe, liege demgegenüber keine vergleichbare Indizwirkung für die Erforderlichkeit und Angemessenheit des Sachverständigenhonorars vor. In dieser Konstellation liege keine unmittelbare (wirtschaftliche) Belastung des Geschädigten vor und deshalb sei kein der Bezahlung vergleichbarer Hinweis auf seine Erkenntnismöglichkeiten gegeben. Grund hierfür sei, dass das Interesse des Geschädigten an der Prüfung der Höhe der Forderung gering sei, wenn er darauf vertrauen könne, dass sie von einem Dritten bezahlt werden würde (BGH, a.a.O. Rn. 21).
Diese Überlegung ist auf den Anspruch der Klägerin übertragbar. Der Geschädigte selbst hat die Forderung des Sachverständigen nicht ausgeglichen, sondern lediglich seine Ansprüche auf Erstattung des Sachverständigenhonorars zeitgleich mit der Beauftragung des Sachverständigen an diesen abgetreten. Damit stellt die Rechnung des Sachverständigen kein hinreichendes Indiz für die Angemessenheit der Sachverständigen Vergütung dar. Entsprechend wäre grundsätzlich Beweis über die Angemessenheit und Ortsüblichkeit des Sachverständigenhonorars einzuholen gewesen. Das Gericht hat hierzu auch einen entsprechenden Beweisbeschluss einschließlich eines Hinweises auf die Rechtslage erlassen. Nachdem beide Parteien hiergegen eine Gegenvorstellung gemacht haben, hat das Gericht diesen Beweisbeschluss aufgehoben. Ohne Beweiserhebung hierüber ist dem Gericht eine Schätzung der Anspruchshöhe aber gemäß § 287 ZPO nicht möglich, da die hierfür erforderlichen Anknüpfungstatsachen fehlen bzw. bestritten sind.
Da der Klägerin der in der Hauptsache geltend gemachte Anspruch nicht zusteht, hat sie auch keinen Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen sowie Zinsen.
II.
Die Entscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 91 ff., 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Berufung wird nicht zugelassen, da Berufungsgründe im Sinne von § 511 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen. Insbesondere hat die Sache weder grundsätzliche Bedeutung noch ist die Zulassung der Berufung für die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Über die streitentscheidende Frage sind bereits zahlreiche – von beiden Parteien auch zitierte – Entscheidungen des BGH ergangen, so dass die dem Rechtsstreit zu Grunde liegende Rechtsfrage geklärt ist und diese lediglich im Einzelfall anzuwenden war.
Der Streitwert wird auf 139,39 EUR festgesetzt.
Das Urteil des AG Neuss beschränkt sich auf juristischen Firlefanz und „Im Namen des Volkes“ ist deshalb eine Beleidigung, denn die Aufgerufenen sind intelligenter als der offensichtlich rechtlich nicht ausreichend orientierte Richter W.
Hugo Habicht
Also ich finde besonders den letzen Absatz absurd.
Was bitte schön hat die „Angemessenheit“ des Rechnungsbetrages damit zu tun ob der Geschädigte in Vorkasse geht oder nicht?
Das die HUK generell und planmäßig kürzt sollte mittlerweile beim dümmsten Richter angekommen sein. Hierbei ist erfahrungsgemäß unerheblich nach welcher Formel man liquidiert. Ich könnte fast wetten das der Kürzungswahn der HUK auch vorm eigenen Honorartableau nicht halt macht und auch hier mindesten 50,00 € mit Verweis auf das eigene Honorartableau gekürzt werden.
Steilvorlage schlechthin für die Inkassounternehmen, um in Berufung und ggf. in Revision zu gehen.
Ich gehe davon aus, dass erstere bereits eingelegt wurde und rechtshängig ist.
Das ist so schräg, dass ich mich schon frage, ob Richter W. das mit Absicht gemacht hat, um mit dem Mist der aktuellen Rechtsprechung des VI Zivilsenats aufzuräumen.
Denn das Urteil mit seiner Begründung ist nämlich die ganz praktische lapidare Quintessenz dessen.
Sehr spannend!