Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
von Weißenburg geht es weiter nach Nördlingen. Nachstehend geben wir Euch zum Wochenende hier ein weiteres Urteil aus Nördlingen zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG bekannt. In diesem Fall war es die HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG, die rechtswidrig die berechneten Sachverständigenkosten gekürzt hatte. Dass es in Nördlingen auch anders gehen kann, zeigt dieses „Schrotturteil“, in dem der erkennende Amtsrichter eine Angemessenheitsüberprüfung durchführte, obwohl es sich um einen Schadensersatzprozess handelt. Das erkennende Gericht misst die Sachverständigenkosten überdies dann auch noch nach dem von der HUK-COBUREG vorgelegten Honorartableau, obwohl die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur das HUK-COBURG-Honorartableau als Maßstab für die Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten strikt ablehnt. Entsprechend der Vorgaben aus dem Honorartableau wurde dann durch das erkennende Gericht willkürlich gekürzt. Obwohl das Gericht unter anderem auch das Grundsatzurteil des BGH VI ZR 67/06 zitiert, entscheidet es genau konträr. In VI ZR 67/06 ist nämlich aufgeführt, dass weder das Gericht noch der Schädiger im Schadensersatzprozess berechtigt sind, eine Preiskontrolle auch bei den Sachverständigenkosten durchzuführen, sofern der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen wahrt. Diesen Rahmen wahrt der Geschädigte, wenn er zur Feststellung des Schadensumfangs und der Schadenshöhe beweissichernd einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen hinzuzieht, denn er selbst ist regelmäßig nicht in der Lage, den Schadensumfang und die Schadenshöhe anzugeben und zu beweisen. Da der Geschädigte regelmäßig die Höhe der zu berechnenden Sachverständigenkosten nicht beeinflussen kann, sind grundsätzlich die berechneten Sachverständigenkosten ein nach § 249 I BGB zu ersetzender Vermögensnachteil, der in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Unfallschaden steht. Bei dem Amtsgericht Nördlingen kommt es daher darauf an, welcher Richter aufgrund des Geschäftsverteilungsplanes gerade für eine Schadensersatzklage aus einem Verkehrsunfallgeschehen zuständig ist. Denn einmal wird korrekt und bei einem anderen Richter wie nachfolgend dargestellt entschieden. Das kann es eigentlich nicht sein. Lest selbst das kritisch zu betrachtende Urteil des AG Nördlingen und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker
Amtsgericht Nördlingen
Az.: 2 C 708/14
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
Kfz-Sachverständigenbüro …
– Klägerin –
gegen
HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand, dieser vertr.d.d. Vorstandsvorsitzenden Dr. Wolfgang Weiler, Bahnhofsplatz 1, 96450 Coburg
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Nördlingen durch den Richter am Amtsgericht B. am 05.06.2015 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 05.03.2015 auf Grund des Sachstands vom 04.06.2015 folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 172,56 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23.05.2014 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 14 %, die Beklagte 86%.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 197,56 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
I. Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht Nördiingen ist örtlich und sachlich gemäß §§ 32 ZPO, 23, 71 GVO zuständig.
II. Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
1. Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht aus den restlichen Forderungen (i), … in Höhe von 21,85 €, (ii), … in Höhe von 76,16€ und (iii), … in Höhe von 74,55 € einen Anspruch auf Zahlung von restlichen gesamten Gutachterkosten in Höhe von 172,56 € gegenüber der Beklagten. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte jeweils zu 100 % für die Schäden aus den streitgegenständlichen Verkehrsunfällen haftet.
2. Die Forderungen wurden wirksam an den Kläger abgetreten. Zumindest mit der Abtretungserklärung vom 19.03.15 lag auch im Fall (i) … eine wirksame Abtretung vor.
Alleine durch die Entgegennahme der jeweiligen Abtretungserklärungen durch den Kläger wurden diese konkludent angenommen. Die Abtretung verstößt dabei weder gegen ein gesetzliches Verbot nach §§ 1, 2, 3 und 5 RDG noch ist sie im erfolgten Umfang zu unbestimmt, da nur die Schadensersatzansprüche auf Erstattung der Sachverständigenkosten abgetreten wurden (vgl. BGH, Urteil vom 31.01.2012, Az. VI ZR 143/11).
3. Die Beklagte kann auch nicht die Eigentümer- bzw. Rechtsinhaberstellung der abtretenden Geschädigten mit Nichtwissen bestreiten. Ein derartiges Bestreiten widerspricht der außergerichtlichen Teilregulierung der Beklagten in allen 3 Fällen.
4. Zum Schadensumfang gehören auch die streitgegenständlichen Sachverständigenkosten.
Sachverständigenkosten gehören zu dem mit dem Schaden unmittelbar verbündenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszulgieichenden Vermögensnachteilen soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist.
In Kfz-Unfallsachen darf der Geschädigte – von Bagatellschäden abgesehen – einen Sachverständigen hinzuziehen. Ein Bagatellschäden liegt hier angesichts der vom Sachverständigen festgestellten Schadenssummen inkl. MwSt in Höhe von:
(i) 2.783,77 €
(ii) 5.971,90 €
(iii) 5.477,97 €
nicht vor. Die Geschädigten durften sich eines Sachverständigen zur Ermittlung der Schadenshöhe bedienen.
5. Die insoweit vom Kläger den Geschädigten in Rechnung gestellten Kosten für die Erstellung des Sachverständigengutachtens in Höhe von
(i) 571,85 € – 540,00 € (Teilregulierung) = 31,85 €
(ii) 780,16 € – 704,00 € (Teilregulierung) = 76,16 €
(iii) 808,55 € – 719,00 € (Teilregulierung) = 89,55 €
hat die Beklagte wie folgt zu erstatten. Der Geschädigte durfte einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten PKW beauftragen und kann von der Beklagten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen (vgl. BGH-Urteile vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 471/12, VersR 2013, 1544 Rn. 26 und – VI ZR 528/12, VersR 2013, 1590 Rn. 27; vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06, VersR 2007, 560 Rn. 13; vom 7. Mai 1996 – VI ZR 138/95, BGHZ 132, 373, 375 ff.). Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (Senatsurteile vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 471/12, VersR 2013, 1544 Rn. 20 und – VI ZR 528/12, VersR 2013, 1590 Rn. 19; vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06, VersR 2007, 560 Rn. 17; vom 7. Mai 1996 – VI ZR 138/95, BGHZ 132, 373, 376).
Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, so ist er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes wie auch nach dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (vgl. die vorgenannten Senatsurteile; s. auch Senatsurteil vom 15. Oktober 1991 – VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364, 368 f.). Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (Senatsurteile vom 15. Oktober 1991 – VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364, 369; vom 29. April 2003 – VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395, 398; vom 2. Juli 1985 – VI ZR 86/84, aaO). Denn in letzterem Fall wird der Geschädigte nicht selten Verzichte üben oder Anstrengungen machen, die sich im Verhältnis zugm Schädiger als überobligationsmäßig darstellen und die dieser daher vom Geschädigten nicht verlangen kann. Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs darf auch im Rahmen von Abs. 2 Satz 1 des § 249 BGB nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, dass nämlich dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll (vgl. Steffen, NZV 1991,1, 2; ders. NJW 1995, 2057, 2062). Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (Senatsurteile vom 15. Oktober 1991 – VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364, 369 und – VI ZR 67/91, BGHZ 115, 375, 378; vgl. Senatsurteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 528/12, aaO Rn. 19 mwN). Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13). Die angemessenen – und damit erforderlichen – Kosten eines Sachverständigen bestimmen sich, sofern ihre Höhe nicht ausdrücklich vereinbart wurde, gemäß § 632 BGB nach der Üblichkeit. Das Gericht ist der Auffassung, dass es durchaus der Üblichkeit der Abrechnungspraxis entspricht, wenn der Sachverständige ein pauschales Honorar in Relation zur kalkulierten Schadenssumme in Ansatz bringt. In dem durch die Beklagte selbst vorgelegten Honorartableau findet eine Pauschali-sierung anhand der Schadenshöhen statt. Nach diesen Tabellen wären inkl. Nebenkosten folgende Sachverständigenhonorare angemessen:
(i) bei einem Schaden von 2.500 € = 540 €
(ii) bei einem Schaden von 5.750 € = 749 €
(iii) bei einem Schaden von 5.250€ = 719 €
Dieses Honorartableau mit den klägerseits vorgelegten 3 Gutachten und Rechnungen bietet eine ausreichende Grundlage für eine Schätzung.
6. Es liegen nach dem Honorartableau Überschreitungen von (i) 31,85 €, (il) 31,16 € und (iii) 89,55€ vor. Allein bei der Rechnung (iii) … waren 15 € abzuziehen. Nachdem der Kläger nach eigenem Vortrag sein Grundhonorar pauschal in Abhängigkeit zur Schadenhöhe abrechnet, war dieses Grundhonorar auf 540 € zu kürzen. Bei der Rechnung (ii) … mit einer etwas höheren Schadensumme wurde ebenso ein Grundhonorar von 540 € in Rechnung gestellt. Vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Betrachtungsweise handelt es sich, selbst wenn man das Honortableau der Beklagten als alleinige Schätzungsgrundlage nimmt, darüber hinaus um jeweils geringfügige Überschreitungen, die die Feststellung der Unbilligkeit bzw. Unüblichkeit nach Auffassung des Gerichts nicht rechtfertigt. Die tatsächlichen Schadensummen sind jeweils auch etwas höher als die von der Beklagten nach dem Honorartableau zugrundegelegten Schäden.
7. Die Nebenkosten wurden nachvollziehbar aufgeschlüsselt. In den geltend gemachten Nebenkosten sind in der Regel Gewinnanteile enthalten, die bei anderer Betrachtung dem Grundhonorar zuzurechnen wären, das dann entsprechend höher anzusetzen wäre. Bereits der jeweilige Gutachtensauftrag verweist auf Nebenkosten neben dem Grundhonorar. Insofern geht auch der Beklagten Vortrag, dass diese Kosten im Grundhonorar des Sachverständigen enthalten seien, ins Leere.
a. Fahrtkosten
Die geltend gemachten Fahrtkosten sind dem Grunde nach erstattungsfähig. Im Fall (i) … hat die informatorische Befragung des Klägers ergeben, dass der Geschädigte in unmittelbarer Nähe in der selben Ortschaft wohnt. Es ist deshalb die Rechnung (i) … um 10 € zu kürzen.
Auch vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Betrachtungsweise wäre ein wirtschaftlich denkender Geschädigter nicht bereit, dem ortsansässigen wenige hundert Meter entfernten Gutachters10€ Fahrtkosten pauschal zu zahlen.
Im Fall (ii) … wurde beklagtenseits nur ins Blaue hinein pauschal der Anfall der Fahrtkosten bestritten.
Im Fall (iii) … wurde zwar beklagtenseits vorgetragen, dass der Gutachter am selben Tag noch ein Fahrzeug in der Lackiererei Ola begutachtete. Dies ist zu unsubstantiiert. Dieser Vortrag schließt nicht aus, dass der Kläger alleine zur Begutachtung des Schader nach … gefahren ist. Nur der Vortrag, dass eine weitere Begutachtung ohne Angaben der näheren Umstände wie Uhrzeiten dort stattfand, reicht nicht. Die Beklagte hatte aber nach ihrem Vortrag genauere Kenntnis oder zumindest Erkenntnismöglichkeiten.
Im Fall (ii) … liegt eine Fahrstrecke laut Google Maps von über 5 km vor.
Im Fall (iii) … liegt eine Fahrstrecke laut Google Maps von über 15 km vor.
Eine Kostenpauschale von je 10 € ist nicht zu beanstanden. Im Fall … erscheint diese zudem günstig.
Die Fahrtkosten bewegen sich damit im üblichen Rahmen. Es kann keine Rede davon sein, dass die insoweit angesetzte Kilometerpauschale übersetzt wäre. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass nach dem JVEG lediglich eine Kilometerpauschale von 0,30 € in Ansatz zu bringen ist. Das JVEG gilt im Hinblick auf den Vertrag zwischen dem Privatsachverständigen und dem Geschädigten gerade nicht und kann in Fällen, wie dem vorliegenden, allenfalls eine Orientierungshilfe bieten.
b. Fotokosten
Soweit der Sachverständige für Fotos
(i) 19 x 2,55 = 48,45 €, 2. Fotosatz: 7,60 €
(ii) 18 x 2,55 = 45,90 €, 2. Fotosatz: 7,20 €
(iii) 21 x 2,55 = 53,55 €, 2. Fotosatz: 8,40 €
abrechnet, ist auch dies angemessen. Unstreitig wurde ein 2. Lichtbildsatz ausgedruckt, sodass auch ein weiterer Fotosatz oder ein Ausdruck berechnet werden kann. Nachvollziehbar wurde für den weiteren Fotosatz die Kosten mit lediglich 40 €/Stück deutlich niedriger angesetzt. Vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung läßt dies keine Feststellung der Unbilligkeit bzw. Unüblichkeit zu.
c. Restwertermittlung
Eine Pauschale von je 25 € zur Restwertermittlung in Sachen (ii) und (iii) … ist nicht zu beanstanden. Die entsprechenden Ausdrucke zur Restwertermittlung wurden klägerseits vorgelegt. Vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung lassen diese Pauschalen keine Feststellung der Unbilligkeit bzw. Unüblichkeit zu.
d. Schreibkosten, Porto, Telefon
Hinsichtlich der Pauschale von je 20 € + 7,50 € = 27,50 € ist auszuführen, dass vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung diese ebenso keine Feststellung der Unbilligkeit bzw. Unüblichkeit zulassen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 31 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.