Hallo Leute, der Aufruf hat auch in den südlichen Bundesländern gefruchtet. Nachstehend stelle ich Euch ein Urteil aus dem bayrischen Ries vor. Wie so oft ging es auch bei diesem Rechtsstreit um das restliche Sachverständigenhonorar, das die Beklagte von 560,49 € um 179,32 € kürzte. Der Richterin konnte die Beklagte nichts vormachen. Sie hat vorbildlich das zusprechende Urteil begründet. Das Gesprächsergebnis BVSK /HUK-Coburg wurde mit zutreffender Begründung als Bemessungsmaßstab verworfen. Hier im Blog werden auch positive Urteile veröffentlicht. Lest aber selbst das Urteil der Richterin der 2. Zivilabteilung des AG Nördlingen vom 31.3.2010 – 2 C 755/09 – und gebt Eure Kommentare ab. Zur Anmerkung sei noch darauf hingewiesen, dass die Fettschrift auch im Original-Urteil abgefasst ist. Es ist keine Vermerk oder besonderer Hinweis des Autors.
Amtsgericht Nördlingen
Az.: 2 C 755/09
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
-Kläger-
gegen
– Beklagte –
wegen Forderung
erlässt das Amtsgericht Nördlingen durch die Richterin … am 31.03.2010 im schriftlichen Verfahren (Zeitpunkt gemäß § 128 ZPO:10.03.2010) folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 179,32 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seitdem 17.09.2009 zuzüglich Nebenkosten in Höhe von Euro 46,41 zu bezahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf Euro 179,32 festgesetzt.
Tatbestand
Von der Abfassung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a I ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist begründet.
1.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf weiteren Schadensersatz in Höhe von € 179,32 in Form von restlichen Sachverständtgenkosten gemäß §§ 823 I BGB, 7, 17,18 StVG, 115 VVG i.V. m. §§249 ff BGB.
Die grundsätzliche Einstandspflicht des Versicherungsnehmers der Beklagten für die dem Kläger unfallbedingt (Verkehrsunfall vom 08.09.2009) entstandenen Schäden steht zwischen den Parteien außer Streit. Streitig ist lediglich, in weicher Höhe die Sachverständigenkosten erforderlich waren und der Kläger daher Ersatz für diese restlichen Sachverständigenkosten verlangen kann.
Der Kläger ist aktivlegitimiert. Die Abtretungserklärung des Klägers, die gegenüber dem Sachverständigen abgegeben wurde, ist eine Abtretung erfüllungshalber und nicht an Erfüllungs statt. Zudem hat der Kläger mit Quittungsbeleg vom 13.11.2009 die Sachverständigenrechnung ausgeglichen, so dass die Sachverständigenkosten bezahlt sind.
Der Kläger als Geschädigter kann sämtliche verauslagten Aufwendungen für das Sachverständigengutachten ersetzt verlangen, weil diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren gemäß § 249 il S. 1 BGB. Sachverständigenkosten sind nach ständiger Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs vom Schädiger zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und damit als Begleitkosten zur Herstellung des Zustandes, der ohne Schädigung bestehen würde, erforderlich sind (BGH NJW-Rechtssprechungsreport 1989, 953; Palandt, § 249 Rn. 58). Ob und in welchem Umfang Herstellungskosten und damit auch Sachverständigenkosten erforderlich sind, richtet sich danach, ob sie Aufwendungen darstellen, die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (BGH Versicherungsrecht 2007, Seite 560). Der Geschädigte ist dabei nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann (BGH VR 2007, 560 m.w.N.). Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zugunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (BGHZ 132, 373, 376 m.w.N.). Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (BGHZ 163, 362, 367 f). In aller Regel wird der Geschädigte von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen dürfen. Denn es fehlt bezüglich der Sachverständigenkosten an allgemein zugänglichen und allgemeingültigen Preislisten etwa im Gegensatz zum Mietwagengeschäft. Erst wenn für ihn als Laie erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt oder er offensichtliche Unrichtigkeit der Begutachtung oder der Honorarberechnung missachtet, kann er vom Schädiger nicht mehr vollständigen Ausgleich bezahlter Aufwendungen verlangen.
Demgegenüber ist der Ersatzpflichtige nicht rechtlos gestellt. Hält er die Vergütung für überhöht, kann er vom Geschädigten in entsprechender Anwendung des § 255 BGB die Abtretung seiner Rückforderungsansprüche gegen den Sachverständigen verlangen und sich mit diesem wegen dessen Rechnungsforderung auseinandersetzen {vgl. OLG Naumburg, NZV 2006, 546, 548 mwN.).
Ausgehend von diesen anerkannten Grundsätzen gilt hier folgendes:
Das dem Kläger mit Rechnung vom 10.09.2009 berechnete Honorar i.H.v. brutto 560,49 € ist nicht erkennbar willkürlich festgesetzt oder überhöht. Vorliegend machen die Gutachterkosten mit netto 471 € knapp 21,3 % der Nettoreparaturkosten i.H.v. 2.209,57 € aus. Diese Relation liegt zwar im oberen Bereich, jedoch mußte sich beim Geschädigten nicht aufdrängen, dass die Rechnung etwa überhöht ist. Der Umstand, dass sich die Abrechnung an der Schadenshöhe orientiert und ohne Rücksicht auf den Zeitaufwand erfolgt ist, ist unbedenklich (vgl. BGH NJW 2006, 2472, 2474; BGH NJW 2007, 1450; Palandt, § 315 Rn. 10).
Der Kläger hat mit der Beklagten eine Preisvereinbarung getroffen. Im Gutachten befindet sich der vom Kläger dem Sachverständigen erteilte Auftrag vom 08.09.2009. In diesem Auftrag ist deutlich hervorgehoben, dass sich der Preis des Gutachtens nach der auf der Rückseite befindlichen Preisaufstellung bestimmt. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass die Nebenkosten hinzuzusetzen und ebenfalls auf der Rückseite abgedruckt sind. Auf der Rückseite des Auftrags sind sämtliche Positionen wiedergegeben, vgl. Anlage K 4. Sämtliche in der Liquidation enthaltenen Nebenkosten sind daher aus der Preisliste ersichtlich gewesen. Die Vereinbarung einer überhöhten Vergütung würde erst dann zur Verneinung der Erstattungsfähigkeit führen, wenn dies für den Geschädigten erkennbar war. Wenn eine Vergütung vereinbart ist, kommt es auch gar nicht darauf an, ob sich eine übliche Vergütung feststellen läßt oder ob die Bestimmung der Vergütung billigem Ermessen entspricht, §§ 315 ff BGB. Im Schadensersatzprozeß prüft das Gericht nicht, ob die mit dem Sachverständigen vereinbarte, von ihm verlangte oder an ihn gezahlte Vergütung üblich und angemessen nach Werkvertragsrecht ist, sondern nur, ob der Geschädigte den Rechnungsbetrag aus einer Sicht als erforderlich zur Wiederherstellung ansehen durfte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Geschädigte im Regelfall selten in einem Verkehrsunfall verwickelt sein wird und deshalb von den Gepflogenheiten bei der Schadensabwicklung, der Beauftragung eines Sachverständigen und dessen Abrechnungsweise keine Kenntnis haben wird. Aus Sicht des Geschädigten kann die Preisliste und damit auch die Nebenkosten als zur Schadensbeseitigung erforderlicher Aufwand gesehen werden.
Die Rechnung des Sachverstandigen … entspricht, was die Höhe des Grundhonorars angeht, den getroffenen Vereinbarungen. Bei Netto-Reparaturkosten von € 2.209,57 berechnete der Sachverständige eine Grundgebühr von 320 € netto. Der Honorarkorridor (HB HI-Wert d. BVSK-Honorarbefragung 2008/2009), den 40 % und 60 % der BVSK- Mitglieder bei dieser Schadenshöhe einhalten, liegt zwischen 296 bis 332 €. Anhaltspunkte für eine erkennbare Überhöhung des Grundhonorars bei 320 € liegen also nicht vor.
Auch ist es nach Ansicht des Gerichts nicht zu beanstanden, wenn zusätzlich Nebenkosten abgerechnet werden, soweit sie sich im Rahmen des Üblichen bzw. Vertretbaren halten. Insoweit kann wiederum die Honorarbefragung 2008/2009 herangezogen werden.
Als Nebenkosten gesondert abgerechnet wurden hier Fotokosten (8 Stück a 2,50 € netto), Schreibkosten (10 Seiten a 3 € = 30 € netto), Fotokopien (3- fach, 42 Seiten a 0,75 € = 31,50 €), Porto- und Versandkosten (einfach = 7 € netto), Abrufskostenkalkulation PKW (in Höhe von 22,50 €) sowie schließlich Bürokommunikation und Restwertermittlung (in Höhe von 40 €). Die vom Sachverständigen in Ansatz gebrachten Pauschalen der Nebenkosten entsprechen jeweils den aufgeführten Pauschalen, die in der streitgegenständiichen Vereinbarung zugrundeliegenden Preisliste 2009 aufgeführt sind. Die Position Restwertermittlung bewegt sich nicht im Rahmen der BVSK-Honorarbefragung 2008/2009, die übrigen Positionen halten sich sehr wohl im Rahmen. Sie können somit aus Sicht des Geschädigten grundsätzlich als zur Schadensbeseitigung erforderlicher Aufwand angesehen werden. Alleinig die Position Restwertermittiung i.H.v. 40 € sowie Abrufskostenkalkulation hätte insofern von der Beklagten konkret bestritten werden können, was jedoch nicht erfolgt ist. Obwohl diese Position in der BVSK-Befragung nicht enthalten ist, war sie erforderlich und angemessen. Der Sachverständige … führte in seinem Gutachten zum Restwert aus, dass ein Gebot inklusive der Mehrwertsteuer von einem Bietenden abgegeben wurde und sich der Ankäufer zur kostenlosen Abholung des beschädigten Fahrzeugs verpflichtete. Dieser Vortrag wurde nicht bestritten. Infolge dessen hat der Sachverständige nachweislich ein Restwertangebot eingeholt und dem Geschädigten bereitgestellt. Diese Kosten sind daher entstanden.
Eine detaillierte Überprüfung der Nebenkosten bedurfte es allerdings auch aus einem weiteren Grund nicht. Die geltend gemachten Nebenkosten sind weder der Art noch der Höhe nach so ungewöhnlich, dass deutliche Hinweise auf eine fehlende Erforderlichkeit gegeben sind. Wahrt der Geschädigte damit den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, ist eine Preiskontrolle durch das Gericht nicht zulässig (vgl. BGH VR 2007, 560).
Für den Kläger als Laien waren keinerlei Auffälligkeiten in der Rechnung ersichtlich, da von einem Missverhältnis, das dem Kläger hätte auffallen müssen, nicht die Rede sein kann. Das Gericht orientiert sich dabei an der BVSK-Tabelle (allgemein) und nicht an der speziell ausgehandelten BVSK-HUK- Coburg Liste. Die Relation von Gesamtschaden und Gesamtrechnung bewegt sich zudem nicht in einem auffälligen Mißverhältnis. Der Gesamtschaden errechnet sich brutto mit 2.629,39 €. Die Rechnung des Sachverständigen beträgt mit brutto 560,49 € prozentuale 21,32%.
Die geltend gemachten Nebenkosten sind weder der Art noch der Höhe nach so ungewöhnlich, dass Hinweise auf die fehlende Erforderlichkeit gegeben sind.
Das Gericht schließt sich der Auffassung der Beklagten nicht an, dass im Falle einer pauschalen Grundgebühr nicht noch weitere Nebenkosten geltend gemacht werden können. Soweit zum Teil vertreten wird, dass wenn ein Sachverständiger seine Vergütung als allgemeine Pauschale gemessen berechnet, ihm die Geltendmachung weiterer Pauschalen oder der Ansatz einzelner bezifferter Positionen neben dem pauschalen Grundhonorar verwehrt sei, stimmt das Gericht dem nicht zu. Es wird zum Teil darauf hingewiesen, dass ein Sachverständiger darauf verwiesen werden muß, entweder im Wege einer Mischkaikulation eine Grundgebühr zu berechnen oder aber separat und nachvollziehbar die Tätigkeit auszuweisen und auch die entsprechenden Zusatzkosten sodann spezifziert einzeln aufgelistet zu beziffern, anstatt Pauschalen kombiniert mit Einzelpositionen neben der Honorarpauschale in seine Rechnung aufzunehmen (vgl. insoweit AG Coburg, 15 C 391/09, S. 3). Dies lässt sich nach Auffassung des Gerichts den Urteilen des BGH vom 23.01.2007 (NJW 2007, 1450) und vom 04.04.2006 (NJW 2006, 2472) nicht entnehmen. In diesen Urteilen stellt der BGH lediglich fest, dass ein an der Schadenshöhe orientiertes Pauschalhonorar die Grenzen des vom Gesetz eingeräumten Gestaltungsspielraums grundsätzlich nicht überschreitet. Darüber, ob daneben noch Nebenkosten verlangt werden können, wird gerade keine Aussage getroffen. Dass Nebenkosten üblich sind, ergibt sich im übrigen daraus, dass in der BVSK-Liste auch auf Nebenkosten Bezug genommen wird und die konkreten Kosten im Einzelnen aufgeführt sind.
Zumindest im vorliegenden Fall spielt dies keine Rolle. Insofern kommt es nur darauf an, ob der Kläger die Vergütung als angemessen ansehen durfte oder Anlass zu konkreten Zweifeln bzgl. der Höhe der Sachverständigenkosten hatte. Nur dann hätte er gegen seine Schadensminderungspflicht aus § 254 BGB verstoßen. Denn der Sachverständige ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten. Es kommt damit maßgeblich auf den konkreten Inhalt der Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Sachverständigen an. Der Kläger vereinbarte mit dem Sachverständigen im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss die als Anlage K 4 beigelegte Preisliste 2009. Für den Kläger ergaben sich dabei keine objektiven Anhaltspunkte, dass die darin beschriebenen Leistungen in einem gemäß §§ 315 ff BGB auffälligen Missverhältnis stehen würden. Der Kläger kann daher im Rahmen seines Schadensersatzanspruches gegen die Beklagte das Sachverständigenhonorar in voller Höhe geltend machen.
2.
Der Anspruch auf die Zinsen beruht auf §§ 286 I, II Nr. 3, 288 BGB i. V. m. § 247 BGB. Zinsen kann der Kläger in Höhe von 5 % ab dem 17.09.2009 verlangen. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 17.09.2009 die Zahlung ab.
3.
Desweiteren hat der Kläger gemäß §§ 280 I, II, 286 BGB einen Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten. Diese errechnen sich wie folgt:
Gegenstandswert: § 13 RVG 128,53 €.
1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 W RVG i.H.v. 32,50 €
Auslagenpauschale Nr. 7002 W RVG i.H.v. 6,50 €
Gesamt 39,00 €
19 % MWSt 7008 W RVG i.H.v. 7,41 €
Gesamt 46,41 €
II.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 91 ZPO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
gez.
… Richterin
Verkündet am 31.03.2010
So das Urteil aus Nördlingen vom 31.3.2010. Und nun Eure – hoffentlich vielzähligen – Kommentare.
Hi Willi Wacker,
und schon wieder ein Amtsgericht, das das Gesprächsergebnis, das es ja eigentlich gar nicht geben darf, so Herr Fuchs, als Sondervereinbarung verwirft. Wie lange will Herr Fuchs denn noch die Existenz eines solchen Gesprächsergebnisses, das immer wieder von der HUK bei Gericht vorgelegt wird, noch leugnen? Im übrigen hat das Gericht der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung klare und deutliche Worte hinsichtlich der Schadensreguliereung bei Sachverständigenkosten ins Urteil geschrieben, sogar teilweise in Fettdruck. Prima. Wer war übrigens die Beklagte? Vermutlich die HUK-Coburg, oder?