Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
von Bayern geht es zurück nach Nordrhein-Westfalen. Nachfolgend veröffentlichen wir hier ein Urteil aus Oberhausen zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die VHV Allgemeine Versicherung AG. Wir halten dieses Urteil für eine prima Entscheidung des AG Oberhausen. Zu Recht hat sich das erkennende Gericht gegen eine Anwendung der JVEG-Sätze auf die Nebenkosten des Privartgutachters ausgesprochen. Insbesondere der letzte Satz ist bemerkenswert: Keinesfalls kann durch das JVEG geregelt werden, welche üblichen Vergütungen am Markt herrschen. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Schon der BGH hatte die Übertragung der Grundsätze des JVEG auf Privatgutachter abgelehnt (siehe BGH Urt. v. 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – =BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144 = VersR 2007, 560 = ZfS 2007, 507). Insoweit dürfte es sich bei der vom LG Saarbrücken im nicht rechtskräftigen Urteil vom 19.12.2014 – 13 S 41/13 – vertretenen Auffassung um eine absolute Mindermeinung handeln. Der VI. Zivilsenat wird sich mit dieser Frage in dem Revisionsverfahren zu der vorgenannten Entscheidung des LG Saarbrücken beschäftigen müssen. Wir meinen, dass mehr Argumente gegen eine Übertragung sprechen als dafür. Lest aber selbst das Urteil des AG Oberhausen und gebt dazu bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
32 C 1445/15
Amtsgericht Oberhausen
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
der Deutsche Verrechnungsstelle AG, vertr. d. d. Vorstand, Schanzenstraße 30, 51063 Köln,
Klägerin,
gegen
die VHV Allgemeine Versicherung AG, VHV-Platz 1, 30177 Hannover,
Beklagte,
hat das Amtsgericht Oberhausen
am 15.09.2015
durch den Richter am Amtsgericht Dr. B.
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 134,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.07.2015 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz aus abgetretenem Recht wegen eines Verkehrsunfalles vom 04.05.2015 in Oberhausen in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe.
Die Haftung der Beklagten auf Schadensersatz für den streitgegenständlichen Verkehrsunfall ist dem Grunde nach unstreitig. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es lediglich um eine offene Restsumme aus der Schadensposition Sachverständigenkosten gemäß der Rechnung des Sachverständigen vom 05.05.2015, Anlage K 2 (Bl. 35 d. A.). Auf die streitgegenständliche Rechnung von 978,06 EUR hat die Beklagte bereits 843,76 EUR bezahlt. Dem Grunde nach ist die Position folglich nicht streitig, es geht allein um die Höhe einiger Positionen in dieser Rechnung.
Insoweit teilt das Gericht die Einwände der Beklagten nicht, sondern hält die Klage in vollem Umfang für begründet:
Das Gericht ist nicht wie die Beklagte der Auffassung, dass der Sachverständige sein Grundhonorar an dem Wiederbeschaffungswert ausrichten muss. Zwischen dem Honorar und dem Wiederbeschaffungswert gibt es keinen gedanklichen oder rechtlichen Zusammenhang. Es ist vielmehr anerkannt, dass ein Sachverständiger die Höhe seiner Grundvergütung nach der Schwere des Schadens abrechnen kann. In vorliegendem Fall bestand ein Reparaturschaden von 4.105,68 EUR. Je höher dieser Schaden ist, desto schwerer ist das Fahrzeug grundsätzlich verunfallt, und desto mehr – bei typisierter Betrachtungsweise – Arbeit kommt auf den Sachverständigen bei der Begutachtung eines solchen Fahrzeuges zu. Irrelevant ist, wie hoch noch der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges sein mag. Dieser Betrag ist rechtlich nur von Bedeutung, soweit es darum geht, ob der Geschädigte die Reparatur oder lediglich die Kosten für ein anderweitiges Fahrzeug verlangen kann. Diese Fragestellung hat mit der Höhe der Sachverständigenkosten nach Auffassung des hier erkennenden Gerichts nichts zu tun. Daher ist es nicht zu beanstanden, wenn der Sachverständige seine Kosten nach dem Reparaturaufwand berechnet. Weitere Einwendungen der Beklagten gegen das hier abgerechnete Grundhonorar liegen nicht vor.
Im übrigen ist es auch unerheblich, ob ein Sachverständiger seine Vergütung in Grundhonorar und Nebenkosten aufschlüsselt oder Pauschalhonorar für alle Leistungen verlangt. Dies ist ein rein interner betriebswirtschaftlicher Vorgang in der Eigenverantwortung des Sachverständigen. Aus welchen Gründen daher nach Auffassung der Beklagten bestimmte Kosten in dem Grundhonorar bereits beinhaltet sein sollen und nicht separat ausgeworfen werden dürfen, ist für das Gericht daher nicht nachvollziehbar. Dies ist eine Frage der internen Kalkulation des Sachverständigen, die jedem freisteht.
Bei einem Sachverständigen handelt es sich nämlich gerade nicht wie bei einem Rechtsanwalt um jemanden, der Gebühren nach einem gesetzlichen System verlangen muss.
Auch die Einwendungen der Beklagten gegen die Nebenkosten sind nicht begründet. Aus welchen Gründen nach Auffassung der Beklagtenseite nur Schreibkosten für allenfalls 15 Seiten erstattet werden könnten, erschließt sich dem Gericht ebenfalls nicht, weil das Gutachten 26 Seiten lang ist und in der Rechnung des Sachverständigen auch 26 Seiten abgerechnet werden. Im übrigen entscheidet das Gericht hier auch in ständiger Rechtsprechung, dass Fotos von 2,50 EUR pro Stück noch angemessen sind, ebenfalls auch Schreibkosten von 2,80 EUR pro Seite. Zu einer solchen Schätzung ist das Gericht nach § 287 ZPO befugt. Hier ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es nicht darum geht, dass Fotos auch anderweitig billiger für 1,00 EUR zu erlangen sind. Dies mag sein. Es geht aber darum, dass im vorliegenden Fall Fotos von einiger erheblicher Qualität über die Beschädigungen von Autos gefertigt werden müssen und hierin auch alle Kosten im Zusammenhang mit der Erstellung und dem Druck der Fotos verbunden sein können. Gleiches gilt auch im Ergebnis für die Schreibauslagen, worin auch Personalkosten enthalten sein können. Es geht also nicht darum, dass man ein Blatt bedrucktes Papier möglicherweise auch für 1,00 EUR erstellen kann. Ausweichen Gründen dies alles betriebswirtschaftlich überhöht sein soll, ist dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen. Ebensowenig ist ein konkretes Mitverschulden des durch den Unfall Geschädigten vorgetragen, etwa der Gestalt, dass dieser ein Sachverständigenbüro ausgewählt habe, welches zu hohe Kosten verursacht oder dass der Geschädigte etwa bei solchen Kosten noch mitgewirkt habe. Auch dies ist nirgends ersichtlich.
Abschließend können auch nicht die Gebührensätze des JVEG oder die dort bestimmten Nebenkosten im vorliegenden Fall herangezogen werden. Der Geltungsbereich dieses Gesetzes ist gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 JVEG nicht betroffen. Denn in diesem Gesetz werden nur Sachverständigenkosten geregelt, soweit ein Sachverständiger von einem Gericht, der Staatsanwaltschaft oder einer sonstigen Behörde herangezogen worden ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Es ist auch teinewegs selbstverständlich, auch nur zu vermuten, dass die Sätze, welche die öffentliche Hand zahlt, der üblichen privatrechtlichen Vergütung unter sonstigen Verkehrsteilnehmern entsprechen. Keinesfalls kann durch das JVEG geregelt werden, welche üblichen Vergütungen am Markt herrschen.
Der Zinsanspruchs folgt aus §§ 288, 291 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Was wir meinen, das wird bis zum März einen Richter wie Herrn Wellner herzlich wenig interessieren. Mir wurde zugetragen, dass nach dessen eigenen Bekunden der BGH in Punkto JVEG bisher nur zum Grundhonorar entschieden hat. Will der Kläger am BGH also nicht auf die Nase fallen (und wir alle mit), dann kann ich ihm nur empfehlen, entsprechend darauf einzugehen und aufklärend zu wirken. Sonst wird es auch diesmal wider so sein, dass der übrige Senat dem „Vorträger“, hier Richter Wellner, folgen wird.
Wenn dem so ist, wie hier durch virus vorgetragen, und der VI. Zivilsenat sollte in dem Revisionsverfahren zu dem mit der Revision angefochtenen Urteil der Berufungskammer des LG Saarbrücken tatsächlich der Ansicht sein, dass der BGH in Punkto JVEG bisher nur zum Grundhonorar entschieden hätte, so kennen offenbar die BGH-Richter des VI. Zivilsenates ihre eigenen Urteile nicht mehr oder wollen diese nicht mehr kennen. In dem Revisionsverfahren VI ZR 67/06 war Gegenstand des Revisionsverfahrens die gesamte Rechnung des Sachverständigen Q. Dieser hatte für das erstattete Gutachten 363 € brutto in Rechnung gestellt. Das Grundhonorar war in Relation zur Schadenshöhe mit 221 € netto berechnet. Für die sogenannten Nebenkosten berechnete er 92 € netto. (vgl. BGH Urteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – ; siehe auch Ausführungen bei Wellner, BGH-Rechtsprechung zum Kfz-Sachschaden 2. A. 2014, § 8 B, S. 255, 256). Das LG Frankfurt / Oder hat das dem Kläger die geltend gemachten vollständigen Kosten zusprechende Urteil des Amtsgerichts teilweise abgeändert und die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung HUK-COBURG zur Zahlung von 160 € nebst Zinsen verurteilt. Hiergegen richtete sich die Revision. Diese hatte Erfolg. Dabei betraf die Revisionsentscheidung des BGH sowohl das Grundhonorar als auch die Nebenkosten, denn das LG sprach insgesamt 160 € zu, wobei das LG das Grundhonorar mit 112,50 € ansetzte gem. Bestimmungen des JVEG. Aber auch die Nebenkosten wurden gemäß JVEG gekürzt, denn sonst käme die Endsumme von 160 € nicht zustande.
Wenn also der VI. Zivilsenat tatsächlich bei dieser von virus dargestellten Auffassung verbleibt, liegt ein glatter Verstoß gegen die bisherige Rechtsprechung des BGH vor. Der BGH hätte dann auf eine Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung hinweisen müssen. Inwieweit auch Rechtsverstöße vorliegen, mag gegebenenfalls dann das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
Wenn Herr Bundesrichter Wellner tatsächlich diese Worte gebraucht hat, so kennt er offensichtlich weder die Urteile des VI. Zivilsenates genau, noch kennt er seine eigenen Ausführungen in seinem Büchlein. Bei genauerer Literatur des Grundsatzurteils vom 23.1.2007 auf den Seiten 255 ff, 256 in seinem Büchlein ist nämlich ersichtlich, dass über Grundhonorar und Nebenkosten im Sinne des JVEG revisionsrechtlich entschieden wurde. Das nun abzustreiten, läßt an der Qualifikation des betreffenden BGH-Richters zweifeln.