Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
zum Wochenbeginn stellen wir Euch hier ein Urteil zum Restwert und zu den Rechtsanwaltskosten gegen die ADAC-Versicherung vor. Mir persönlich ist die Begründung zum Restwert teilweise zu unpräzise. Es hätte meines Erachtens genügt, wenn darauf verwiesen worden wäre, dass der Geschädigte der Herr des Restitutionsgeschehens ist. Ebenso hätte ein Hinweis auf die eindeutige BGH-Rechtsprechung wohl ausgereicht, denn das von der ADAC-Versicherung abgegebene Restwertgebot beinhaltete kein Angebot eines regionalen Restwertanbieters. Berlin kann keineswegs als Region um Offenbach angesehen werden. Auch ist der Geschädigte nicht verpflichtet, der Versicherung zu ermöglichen, für sie günstigere Restwertgebote aus dem Internet, die grundsätzlich ohnehin für den Geschädigten unbeachtlich sind (vgl. BGH ZfS 2005,184; BGH ZfS 2009, 327), abgeben zu können. Lest aber selbst das Urteil und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
Amtsgericht Offenbach am Main laut Protokoll verkündet am 13.10.2015
Aktenzeichen: 340 C 95/15
Im Namen des Volkes!
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Kläger
gegen
ADAC Autoversicherung AG, vertr. d. d. Vorstand Josef Halbig u. a., Hansastraße 19, 80686 München
Beklagte
hat das Amtsgericht Offenbach am Main durch den Richter am Amtsgericht G. im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist für die Parteien bis zum 26. 6. 2015 für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2270 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.1.2015 sowie 334,75 € vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 2.270 €.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche des Klägers aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 13.10.2014 in Obertshausen ereignete und bei dem das Kraftfahrzeug des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen … beschädigt wurde. Die Beklagte ist der Pflichthaftpflichtversicherer des Unfallgegners des Klägers. Der Kläger holte nach dem oben erwähnten Verkehrsunfall ein privates Schadensgutachten ein, das am 16.10.2014 erstattet wurde und in dessen Rahmen der Gutachter … zu dem Ergebnis kam, das verunfallte Fahrzeug habe einen Restwert von 370 € (netto). Am 18.10.2014 veräußerte der Kläger sein verunfalltes Fahrzeug für 440 €. Die Beklagte, die das private Schadensgutachten am 20.10.2014 erhalten hatte, übermittelte mit Schreiben vom 23.10.2014, beim Kläger am 26.10.2014 eingegangen, dem Kläger eine Restwertangebot in Höhe von 2.710 € für dessen verunfalltes Fahrzeug. Die Beklagte nahm unter Berücksichtigung dieses Restwerts die Schadensregulierung vor. Nach Auffassung des Klägers enthielt sie diesem damit einen Betrag in Höhe von 2.270 € vor, nämlich die Differenz zwischen dem von der Beklagten übermittelten Restwertangebot und dem vom Kläger tatsächlich erzielten Erlös.
Dieser Betrag von 2.270 € stellt vorliegend die Klagehauptforderung dar. Zusätzlich begehrt der Kläger im vorliegenden Klageverfahren die Zahlung von Verzugszinsen und die Erstattung ihm entstandener, vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Der Kläger ist der Auffassung, er habe das Fahrzeug ohne Verletzung einer Schadensgeringhaltungspflicht am 18.10.2014 für 440 € veräußern dürfen, zumal dieser Betrag dem vom privaten Gutachter ermittelten Restwert etwa entsprochen habe. Zudem habe er sein Fahrzeug auch deswegen alsbald veräußern dürfen, um Standkosten zu vermeiden und zeitnah eine Neuanschaffung tätigen zu können. Ihn treffe keinerlei Verpflichtung, der Beklagten Gelegenheit zur Vorlage eines Restwertangebotes zu geben und hierzu eine gewisse Frist abzuwarten. Denn er, der Kläger, sei Herr des Restitutionsgeschehens und müsse den gegnerischen Versicherer noch nicht einmal über seine Verkaufsabsicht informieren. Im Übrigen ist der Kläger der Auffassung, dass das von der Beklagten übermittelten Restwertangebot von seinem Zuschnitt her nicht den Anforderungen entsprochen habe, die an Restwertangebote zu stellen seien, auf deren Berücksichtigung sich ein Geschädigter in Ausnahmefällen verweisen lassen müsse.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn „…€ 2.270,- zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2014, sowie 334,75 € vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen, hilfsweise den Kläger in dieser Höhe der Anwaltskosten freizustellen“.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe mit der von ihm vorgenommenen Veräußerung gegen seine Verpflichtung zur Schadensgeringhaltung verstoßen. Der Kläger habe der Beklagten Kenntnis vom eingeholten Schadensgutachten verschaffen und in Verbindung hiermit die Möglichkeit eröffnen müssen, ein Restwertangebot zu übermitteln. Ein derartiges annahmefähiges und1 kostenloses Restwertangebot habe die Beklagte dem Kläger unter dem 23.10.2014, damit auch kurzfristig, übermittelt. Diese von der Beklagten eröffnete Verwertungsmöglichkeit habe der Kläger ergreifen müssen. Jedenfalls müsse der Kläger sich in Anbetracht seiner kurzfristig vorgenommen, privaten Veräußerung des Unfallfahrzeuges auf die von der Beklagten eröffnete Verwertungsmöglichkeit, hier auf das entsprechende, von der Beklagten aufgefundene Restwertangebot, betragsmäßig verweisen lassen. Im Zuge der Schadensregulierung sei der Kläger daher so zu stellen, als habe er einen Verwertungserlös in Höhe von 2.710 € statt in Höhe von 440 € realisiert.
Wegen des weiteren Parteivorbringens, insbesondere wegen der übrigen gewechselten Argumente und Rechtsausführungen wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Der Kläger kann von der Beklagten Erstattung eines weiteren Betrages von 2.270 € wegen des ihm entstandenen Kraftfahrzeugschadens gemäß den §§ 249 ff. BGB verlangen.
Die hundertprozentige Haftung der Beklagten für dem Kläger unfallbedingt entstandene Schäden ist zwischen den Parteien unstreitig. Der sogenannte Kfz-Schaden stellt eine erstattungsfähige Schadensposition im Rahmen der Schadensregulierung nach einem Verkehrsunfall dar. Bei der Berechnung des Kfz-Schadens ist im Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens zur Ermittlung der zutreffenden Schadenshöhe ein etwa vorhandener Restwert des verunfallten Fahrzeugs zu ermitteln und vom Wiederbeschaffungswert in Abzug zu bringen. Die Parteien streiten hier darum, in welcher Höhe ein vorhandener Restwert zu Lasten des Klägers bei der Schadensberechnung des Fahrzeugschadens in Abzug zu bringen ist, nämlich in Höhe von 440 € oder in Höhe von 2.710 €.
Vorliegend braucht nicht entschieden zu werden, ob der Kläger wegen einer ihm obliegenden Schadensgeringhaltungsverpflichtung gehalten war, der beklagten Versicherung – gegebenenfalls unter Fristsetzung – zu ermöglichen, selbst ein Restwertangebot herbeizuführen und dem Kläger zu übermitteln. Auch kommt es nicht darauf an, welche Wartepflichten ihn diesbezüglich gegebenenfalls treffen könnten. Entscheidend ist vielmehr Folgendes:
Der Kläger als Geschädigter war unstreitig Herr des Restitutionsgeschehens. Er konnte und durfte jederzeit über sein verunfalltes Kraftfahrzeug verfügen, dieses auch verkaufen. Vorliegend konnte er ein von der Beklagten übermitteltes Restwertangebot gar nicht mehr annehmen, da ihm dieses erst am 26.10.2014 zugegangen war, während er bereits am 18.10.2014 sein Fahrzeug verkauft hatte. Soweit man der Meinung sein sollte, der Kläger müsse sich auf ein höheres, von der Beklagten organisiertes Restwertangebot verweisen lassen, so kommen als berücksichtigungsfähige Restwertangebote nur solche in Betracht, deren Annahme zumutbar ist.
Der Kläger muss sich bei der Schadensabrechnung hier aber bereits deswegen nicht auf das von der Beklagten übermittelte Restwertangebot verweisen lassen, weil dieses nicht unkompliziert, kostenfrei und unproblematisch anzunehmen war. Insbesondere war dem von der Beklagten übermittelten Restwertangebot auch nicht zu entnehmen, dass das Fahrzeug des Klägers vom Aufkäufer gegen Barzahlung abgeholt worden wäre, also ein unmittelbarer Leistungsaustausch erfolgen sollte. Hier kann vielmehr nicht ausgeschlossen werden, dass der Aufkäufer bargeldlos auf dem Bankwege hätte zahlen wollen, was im Bestfall dazu geführt hätte, dass der Kläger noch eine gewisse Zeit auf sein Geld hätte warten müssen, das er aber ggf. dringend für beispielsweise den Erwerb eines neuen Wagens oder anderes benötigte. Der Kläger hat bei der von ihm durchgeführten Verwertung jedoch sein Fahrzeug gegen unmittelbare Barzahlung verkaufen wollen und können/wie sich aus dem Kaufvertrag vom 18.10.2014 ergibt (Anlage zur Klageschrift vom 2. März 2015, Bl. 5 d. A.). Schon von daher waren die Angebote nicht vergleichbar.
Darüber hinaus hatte der Kläger durch das eingeholte Sachverständigengutachten einen Restwert für sein verunfalltes Fahrzeug ermittelt bekommen. Dabei hatte der Sachverständige unstreitig drei Angebote ausgewertet. Der Sachverständige kam schließlich zu einem Restwert von 370 € (netto). Da der Kläger einen vergleichbaren Betrag erzielt hat, durfte er davon ausgehen, auf ein realistisches Restwertangebot bei seinem Verkauf eingegangen zu sein.
Demgegenüber belief sich das von der Beklagten organisiertes Restwertangebot auf cirka das Siebenfache des vom Gutachter ermittelten Restwertes. Die Beklagte hat nicht erklärt, wie ein derartiger „Ausreißer nach oben“ zu Stande kommen konnte. Hinzu tritt, dass der Aufkäufer ja auch noch zum kostenlosen Abtransport des Fahrzeuges beim Kläger vor Ort erscheinen musste, was die eigenen Kosten des Aufkäufers erhöhen musste. Der Kläger hätte sich insoweit in der Tat fragen dürfen, inwieweit es sich bei dem von der Beklagten übermittelten Angebot überhaupt um eine seriöse Offerte handelte. Wie hätte angesichts dieser Umstände der Restwertaufkäufer überhaupt noch einen Gewinn erzielen können? Insoweit kann ein Geschädigter aber nicht gezwungen werden, mit Personen geschäftliche Verbindungen einzugehen, deren eventuelle Risiken für ihn nicht überschaubar sind (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 19.1.2010, Az. 22 U 49/08, zitiert nach Juris). Hinzu tritt, dass die Annahme des Restwertangebotes den Abschluss eines Kaufvertrages des Klägers mit dem Aufkäufer herbeigeführt hätte. Bei Kaufverträgen ist grundsätzlich das Risiko gegeben, dass Leistungsstörungen auftreten und vertragliche Nebenleistungspflichten verletzt werden, so dass in der Folge mit dem Vertragspartner Kontakt aufgenommen werden muss, um die aufgetretenen Probleme gegebenenfalls lösen zu können. Hier wollte die Beklagte den Kläger jedoch auf einen Aufkäufer aus Berlin verweisen, was das Lösen von etwaigen Problemen erschwert hätte. Denn so hätte der Kläger beispielsweise nicht einfach und schnell einmal bei seinem Vertragspartner vorbeifahren können, um irgendwelche Dinge zu regeln. Anders lagen die Dinge aber bei dem vom Kläger gewählten Ankäufer, der in der Nähe des Klägers, und zwar in der Wetterau, seinen Sitz hat.
Damit ist festzuhalten, dass das Restwertangebot, auf das die Beklagte sich beziehen zu können glaubt, nicht dergestalt war, dass dem Kläger seine Annahme zuzumuten gewesen wäre. Er muss sich daher bei der Schadensberechnung auch nicht auf dieses Angebot verweisen lassen. Er hat vielmehr einen Anspruch auf Erstattung der eingeklagten weiteren 2.270 € wegen seines Kraftfahrzeugschadens.
Dieser Betrag ist unter dem Gesichtspunkt der Verzugszinsen ab dem 17.1.2015 zu verzinsen, § 288 BGB.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Antrag des Klägers auf Verzinsung „…..seit dem 2014…“ lautete und eine Klarheit über den genauen, gewünschten Verzinsungsbeginn trotz gerichtlicher Nachfrage vom 19.3.2015 nicht geschaffen wurde. Das Datum „2014″ ist so unbestimmt, dass hieraus kein konkreter Tag als gewünschter Verzinsungsbeginn herausgelesen werden kann. Das Gericht hatte daher den Klageantrag auszulegen und konnte dies auch: Denn aus Seite 3 der Klageschrift folgt, dass der Kläger Verzinsung wegen Verzuges begehrt. Insoweit hatte die Beklagte mit vorprozessualem Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 8.1.2015 erfolglos eine Zahlungsfrist bis zum 16.1.2015 gesetzt bekommen, worauf der Kläger hingewiesen hat. Sie war daher, weil sie bekanntlich nicht gezahlt hat, jedenfalls ab dem 17.1.2015 in Verzug. Die Auslegung ergibt daher, dass der Kläger ab diesem Zeitpunkt, nämlich dem dargelegten Verzugsbeginn, Verzugszinsen einfordert.
Dem Kläger stehen ferner auch die zugesprochenen 334,75 € wegen vorgerichtlicher Anwaltskosten zu. Der Kläger durfte sich zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung anlässlich der notwendig gewordenen Schadensregulierung anwaltlicher Hilfe bedienen. Die hierdurch entstandenen Kosten sind ein erstattungsfähiger Schaden. Sie sind unter Basis eines Gegenstandswertes von 2270 € unter Zugrundelegung einer 1,3 fachen Geschäftsgebühr, der Telekommunikationspauschale und der Umsatzsteuer mit 334,75 € zutreffend berechnet. Da die Beklagte die Zahlung des hier eingeklagten Betrages abgelehnt hatte, war der Kläger berechtigt, als Nebenforderung auch die Erstattung der ihm entstandenen, vorgerichtlichen Anwaltskosten klageweise geltend zu machen.
Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 ZPO zu tragen.
Die Vollstreckbarkeitsentscheidung hat ihre Grundlage in § 709 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 43 Abs. 1 GKG.