AG Offenbach am Main verteilt die Allianz Versicherung AG zur Zahlung der vorgerichtlich gekürzten Sachverständigenkosten (AG Offenbach Urteil mit Aktenzeichen 360 C 49/15).

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

hier veröffentlichen wir für Euch ein Urteil aus Offenbach am Main, dessen Entscheidungsdatum uns leider nicht bekannt ist, zu den restlichen, von der eintrittspflichtigen Allianz Versicherungs AG gekürzten Sachverständigenkosten nach einem für den Geschädigten unverschuldeten Verkehrsunfall. Aber auch ohne Entscheidungsdatum halten wir das nachfolgend dargestellte Urteil des Amtsgerichts Offenbach am Main für veröffentlichungswürdig. Bemerkenswert ist, dass sämtliche Argumente der Anwälte der Allianz Versicherung unerheblich waren. Damit ist festzuhalten, dass das gesamte prozessliche Vorbringen der Allianz nicht geeignet war, den berechtigten Schadensersatzanspruch des Klägers zu Fall zu bringen. Lest selbst das – undatierte – Urteil des AG Offenbach am Main und gebt dann bitte Eure Kommentare ab. 

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht Offenbach am Main                                                     Zugestellt am:
Aktenzeichen: 360 C 49/15

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

Kläger

gegen

Allianz Versicherüngs AG vertr. d. d. Vorstand, Theodor-Stern-Kai 1, 60596 Frankfurt am Main

Beklagte

hat das Amtsgericht Offenbach am Main durch den Richter am Amtsgericht Dr. E. im vereinfachten Verfahren nach § 495 a ZPO ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

1.   Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 382,43 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.3.2015 zu zahlen.

2.   Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3.   Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4.   Die Berufung wird nicht zugelassen.

5.   Der Streitwert wird festgesetzt auf 382,43 €.

Entscheidungsgründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen
Die zulässige Klage ist unbegründet.

Mit der Klage verfolgt der Kläger die Erstattung des von der Beklagten nicht regulierten Teils der Sachverständigenkosten über das Schadensgutachten hinsichtlich des Unfallschadens aus dem Verkehrsunfall vom 16.10.2014 im Starkenburgring in Offenbach des im Eigentum des Klägers stehenden Fahrzeugs … mit dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug … . Die Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach ist unstreitig. Von den vom Sachverständigen für die Begutachtung des Unfallschadens berechneten 1.031,58 Euro regulierte die Beklagte lediglich 649,15 Euro. Die Differenz zum Rechnungsbetrag ist Hauptforderung gemäß des Klageantrages.

Der eingeklagte Anspruch ist gegeben.

Der Schädiger hat gemäß § 249 BGB nach einem Verkehrsunfall die Kosten eines Sachverständigengutachtens zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind (Grüneberg-Palandt, BGB, § 249 Rdnr. 58). Dabei kommt es darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigengutachtens für geboten erachten durfte (BGH, DS 2005, NJW 2005,). Dies ist dann anzunehmen, wenn der Geschädigte nicht allein in der Lage ist, seinen Schaden zu beziffern (OLG Jena, MDR 2008, 211).

Hinsichtlich der erforderlichen und angemessenen Höhe der Gutachterkosten sind sich die Parteien jedoch uneins. Grundsätzlich gilt, dass eine Erstattungspflicht auch dann besteht, wenn diese Kosten überhöht sind. Es ist einem Geschädigten vor Erteilung des Gutachtensauftrags nicht zuzumuten, „Marktforschung“ zu betreiben und in jedem Fall mehrere Kostenvoranschläge von Sachverständigen einzuholen. Ein Preisvergleich dürfte ohne vorherige Begutachtung des Fahrzeugs durch mehrere Sachverständige auch nur schwer möglich sein (OLG Sachsenanhalt, 20.01.2006, 4 U 49/05).

Die Beklagten rügen, die mit der Klägerin vereinbarten Sachverständigenkosten seien im Einzelnen überhöht. Hierauf kommt es im Ergebnis aber nicht an.

Für das Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger ist die Bestimmung der Angemessenheit der Vergütung nur von begrenzter Bedeutung. Eine Auffassung, die dem Geschädigten auferlegt, nur solche Honorare zu akzeptieren, die den durchschnittlichen Vergütungen der von Prüfverbänden und freien Sachverständigen verlangten entsprechen, verkennt die Kenntnisse und Fähigkeiten, die von einem Geschädigten rechterdings erwartet werden dürfen (Vgl. Geigel, der Haftpflichtprozess, 26. Auflage, 3. Kapitel, Rdn. 121). Solange für ihn als Laien nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung also in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt oder er grobe und offensichtliche Unrichtigkeiten der Begutachtung oder der Vergütungsberechnung missachtet oder gar verursacht hat (OLG Hamm NZV 93,149), kann der Geschädigte vom Schädiger Ausgleich gezahlter Aufwendungen oder Freistellung verlangen (vgl. LG Darmstadt, 6 S 93/12, Hinweis vom 3.9.2012; BGH, Urteil vom 23.1. 2007 – VI ZR 67/06 ; LG Frankfurt/M.,OLG Hamm NZV 2001, 433; DAR 97, 275; OLG Nürnberg OLGR 2002, 471).

Hierdurch ist der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung gegenüber überhöhten Sachverständigenkosten-Anforderungen auch nicht schutzlos gestellt. Der Schädiger kann den Sachverständigen, dessen Vertrag mit dem Geschädigten Schutzwirkungen auch für ihn hat (vgl. Geigel aaO), auf Herausgabe des für unbillig gehaltenen Honorars in Anspruch nehmen (vgl. OLG Nürnberg aaO; Holz VersR 98,1257). Diesen Anspruch kann sich die regulierende Haftpflichtversicherung abtreten lassen.

Dass vorliegend für den die Klägerin mit der Begutachtung beauftragenden Geschädigten mit der Beauftragung einen Pflichtverstoß träfe, weil für einen Laien erkennbar das vereinbarte Entgelt überhöht war, ist nicht schlüssig vorgetragen. Es ergibt sich auch kein für einen mit der Preisgestaltung nicht vertrauten Laien auffälliges Missverhältnis. Das Gericht kann nicht annehmen, dass dem Geschädigten bei Beauftragung der Klägerin bewusst gewesen wäre, dass die Leistung überdurchschnittlich teuer wäre.

Auch die Beklagtenseits zitierte Entscheidung des BGH vom 22.7.2014 (Urteil VI ZR 357/13) weicht von den oben ausgeführten Grundsätzen nicht ab. Vielmehr stützt sie die rechtliche Bewertung, dass der Geschädigte auch den Ersatz materiell eigentlich überhöhter Sachverständigenabrechnungen verlangen kann, solange sich dem Laien eine Überhöhung nicht aufdrängt.

Der Kläger ist auch aktivlegitimiert.

Der Kläger hat zwar ursprünglich mit der anliegend zur Klageerwiderung überreichten Sicherungsabtretungserklärung ausdrücklich auch seine Ersatzansprüche auf Ersatz der Gutachterkosten an den Sachverständigen abgetreten.

Vorliegend hat die streitgegenständliche Sicherungsabtretung an den Sachverständigen nach der klägerseits nachgewiesenen Zahlung seines Honorars für den Sachverständigen und seinen Auftraggeber, den Kläger, jegliche Funktion verloren. Eine ausdrückliche formale Rückabtretung ist in einer solchen Situation unüblich (Vgl. BGH, Urteil v. 21.11.1985 – VII ZR 305/84 (Saarbrücken) in: NJW 1986, 977). In dem genannten Urteil heißt es auszugsweise: „Abtretung und Rückabtretung sowie das ihnen zugrunde liegende Rechtsgeschäft sind zwar begrifflich auseinanderzuhalten. Vor allem ist auch ihre Wirksamkeit unabhängig voneinander zu prüfen. Jedoch pflegt der Rechtsverkehr hier nicht so scharf zu unterscheiden (Weber, in: RGRK, 12. Aufl., § 398 Rdnr. 7). Dem trägt die Rechtsprechung Rechnung, indem sie in dem Abschluß des Grundgeschäfts oft zugleich unmittelbar und stillschweigend auch die Vornahme der Abtretung sieht und überhaupt häufig eine stillschweigend vereinbarte Gültigkeitsbeziehung zwischen Abtretung und Grundgeschäft annimmt (§§ BGB § 133, BGB § 157 BGB; vgl. auch Weber, in: RGRK, § 398 Rdnr. 7). Entgegen der Auffassung des BerGer. ist die ausdrückliche Vornahme von Abtretungshandlungen, an die nicht rechtskundige Beteiligte in aller Regel gar nicht denken werden, nicht immer erforderlich. Vielmehr kann es genügen, daß der Abtretungserfolg den Zwecken und Absichten der Beteiligten entspricht, gegebenenfalls sogar ohne daß die Beteiligten insoweit ausdrückliche oder stillschweigende Abmachungen getroffen haben (vgl. etwa BGH, NJW 1982, NJW Jahr 1982 Seite 275 (NJW Jahr 1982 Seite 276)). An einer solchen Abhängigkeit hat der BGH nicht nur die Wirksamkeit einer Sicherungsabtretung wegen Fehlens der gesicherten Forderung scheitern lassen (BGH, NJW 1982, NJW Jahr 1982 Seite 275 (NJW Jahr 1982 Seite 276)). Er hat auch eine stillschweigende Abtretung bei Fehlen äußerer Kundgabe angenommen, wenn dafür die Umstände in hinreichendem Maße sprachen (BGH, NJW 1969, NJW Jahr 1969 Seite 40; WM 1957, WM Jahr 1957 Seite 1574 (WM Jahr 1957 Seite 1575)). Für die Rückabtretung kann grundsätzlich nichts anderes gelten. Hier kann sich vor allem aus den Umständen ergeben, daß eine Abtretung sicherungs- oder erfüllungshalber von vomeherein nur unter der auflösenden Bedingung vereinbart war, daß sie bei Zweckerfüllung oder Zweckverfehlung hinfällig sein solle. Auch können die Beteiligten stillschweigend im Zusammenhang mit Abmachungen, die die ursprüngliche Abtretung gegenstandslos werden lassen, die Rückabtretung vornehmen. So ist es hier. Die Fa. D hat spätestens, als sie entsprechend ihrem Verlangen nach unmittelbarer Erfüllung durch den Kl. dessen Erfüllungsleistung entgegennahm, damit gleichzeitig stillschweigend und im Einverständnis mit dem Kl. die Forderung zurückabgetreten. Mehr zu verlangen wäre hier nicht sachgerecht. Wie der BGH betont hat, kommt es dabei nicht so sehr auf die äußeren Erklärungen der Beteiligten und ihre Vorstellungen vom rechtlich Notwendigen an, sondern darauf, welchen Zweck sie mit ihrem Verhalten erreichen wollen.“

Denn die Beklagte meint, in Rückabtretung des Sachverständigen sei erforderlich um die Beklagte vor einer doppelten Inanspruchnahme hinreichend zu schützen, überzeugt dies nicht. Zum einen kommt es für die Frage einer wirksamen Rückabtretung nicht auf die Rechtspositionen Dritter an, sondern allein auf das Verhältnis der Vertragsparteien. Zum anderen ist der Dritte, hier die Beklagte, nach § 407 BGB vor einer doppelten Inanspruchnahme umfassend geschützt, wenn ihm die Rückabtretung nicht angezeigt wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus 708 Nr. 11, 713 ZPO. Die Berufung ist nicht zuzulassen, da kein Fall des § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO vorliegt. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 48 GKG i. V. m. § 3 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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Eine Antwort zu AG Offenbach am Main verteilt die Allianz Versicherung AG zur Zahlung der vorgerichtlich gekürzten Sachverständigenkosten (AG Offenbach Urteil mit Aktenzeichen 360 C 49/15).

  1. Elen sagt:

    ….Wer war das wohl?

    Sie hatte am Wochenende unverschuldet einen Verkehrsunfall. Aber danach reichte es noch für die Fahrt nach Hause.

    Dann allerdings vergingen keine 2 Stunden, da meldete sich schon die gegnerische Versicherung und wollte von ihr alles Mögliche wissen und sogleich den Unfallschaden selbst begutachten lassen, da sie – so die Versicherung – ansonsten nicht mit vollständigem Schadenersatz rechnen könne. Außerdem dürfe sie gar nicht einen eigenen Sachverständigen und eine eigene Werkstatt „so ohne weiteres“ beauftragen. Der Anrufer am anderen Ende der Leitung wusste aber noch nicht, dass die soeben Geschädigte nicht ganz unerfahren war und nach ihrer Antwort, dass sie noch im Besitz ihrer geistigen Fähigkeiten sei und alles was ihr gerade angetragen worden sei, selbst entscheiden und erledigen würde, war es mit der Freundlichkeit vorbei.

    Als sie dann noch entgegnete, dass ihr so viel selbstlose Fürsorge verdächtig sei, weil sie dann ja auch genauso demnächst ihre Steuererklärung gleich durch das Finanzamt machen lassen könne, war es mit dem Rest der Freundlichkeit endgültig dahin..

    Sie beauftragte selbst einen unabhängigen und qualifizierten Sachverständigen, der den unfallbedingten Reparaturumfang, einschließlich notwendiger Lackanpassungsmaßnahmen und geschätzter Wertminderung, die angeblich auch nicht zu erstatten wäre, mit der Werkstatt ihres Vertrauens abklärte und einen versierten Fachanwalt, der sich erfolgreich um die Durchsetzung ihrer Schadenersatzansprüche kümmerte.

    Ende gut, alles gut. Aber solche Vorgänge, bei denen die gegnerische Versicherung gleich telefonisch versucht, den Unfallopfern das für die Versicherung kostensparende Management anzudienen, passieren tagtäglich tausendfach und nicht gerade wenige Geschädigte, die sach- und rechtsunkundig sind, fallen auch darauf herein.

    Wer kann einmal über ähnliche Erfahrungen hier berichten?

    Elen

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