Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
und weiter geht es Richtung Elbmündung. Hier ein Urteil des AG Otterndorf vom 3.2.2012 zum Thema „restliche Sachverständigenkosten“. Der zuständige Richter der 2. Zivilabteilung urteilte zu Lasten der HUK-Coburg. Das von der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung angeführte Gesprächsergebnis blieb unberücksichtigt. Es ist keine geeignete Schätzgrundlage im Sinne des § 287 ZPO. Lest selbst und gebt Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Euer Willi Wacker
Amtsgericht
Otterndorf
Geschäfts-Nr.:
2 C 465/11
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
Klägerin
gegen
Beklagte
hat das Amtsgericht Otterndorf im Verfahren gem. § 495 a ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 03.02.2012, 08.55 Uhr durch den Richter … für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 104,29 € nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.11.2011 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf bis zu 300,00 € festgesetzt.
Von der Darstellung des
Tatbestandes
wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von 104,29 € aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2 StVG i.V.m. §§1, 3 PflVG, 115 VVG zu. Die alleinige Haftung der Beklagten aus dem Verkehrsunfall vom … im Bezirk des Amtsgerichtes Otterndorf , der vom Fahrer des bei ihr versicherten Fahrzeugs verursacht wurde, ist unstreitig.
Gemäß § 249 BGB hat der Schädiger dem Geschädigte den zur Schadensbehebung erforderlichen Geldbetrag zu ersetzen. Die Kosten der Schadensfeststellung sind dabei grundsätzlich Teil des gem. § 249 BGB zu ersetzenden Schadens, so dass grundsätzlich auch die Kosten für ein Sachverständigengutachten zu ersetzen sind, sofern die Begutachtung erforderlich und zweckmäßig war (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2007 – VI ZR 67/06, = BGH DS 2007, 144 ). Daran bestehen im vorliegenden Fall keine Zweifel. Die Parteien streiten lediglich um die Höhe der erforderlichen Kosten.
Bei der Schadensbehebung darf der Geschädigte die Kosten aufwenden, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Der Schädiger bzw. der neben ihm haftende Versicherer hat dementsprechend den Finanzierungsbedarf des Geschädigten in Form des zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrags zu befriedigen und nicht etwa vom Geschädigten bezahlte Rechnungsbeträge zu erstatten (vgl. BGHZ 61, 56, 58; 61, 346, 347 f.; 63, 182, 184). Der vom Geschädigten getätigte Aufwand kann bei der ex post nach § 287 ZPO vorzunehmenden Schadensschätzung einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ (ex ante zu bemessenden) Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sein (BGH, Urteil vom 23.01.2007 – VI ZR 67/06, = BGH DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann). Hat der Geschädigte jedoch nicht erforderliche Maßnahmen zur Schadensbeseitigung ergriffen oder ist er überhöhte Verbindlichkeiten zur Beseitigung des Schadens eingegangen, kann die Berechnung des Schadens grundsätzlich nicht von den tatsächlich eingegangenen Verbindlichkeiten abhängig gemacht werden (BGH, BGHZ 61, 346, 348). Wahrt der Geschädigte aber den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen (BGH, Urteil vom 23.01.2007 – VI ZR 67/06, ). Dies gilt auch für die Höhe des Sachverständigenhonorars. Nach einem Verkehrsunfall kann grundsätzlich ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB erstattet verlangt werden (BGH, Urteil vom 23.01.2007 – VI ZR 67/06, ).
Dies zugrunde gelegt, war die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen, da die Klägerin bei der Beauftragung des Sachverständigen den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen nicht überschritten hat.
Das Gericht orientiert sich bei der Überprüfung der Angemessenheit der Sachverständigenkosten für den Unfall vom 26.08.2011 an der von der BVSK (Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen) vorgenommenen Befragung zur Höhe des üblichen Sachverständigenhonorars aus dem Jahr 2011, wobei der Honorarkorridor HB V zu Grunde gelegt wird, innerhalb dessen Rahmen zwischen 50 % und 60% der BVSK-Mitglieder ihr Honorar berechnen. Wegen der größeren örtlichen Genauigkeit wird die Erhebung betreffend den Postleitzahlenbereich 2 herangezogen. Auch wenn die Erhebung des BVSK nur Informationen von einem Teil der Sachverständigen, nämlich ihren Mitgliedern erfragt, kann die Erhebung als eine geeignete Schätzungsgrundlage i.S.d. § 287 ZPO herangezogen werden (statt vieler LG Coburg, Urteil vom 25.02.2011 -32 S 26/10). Sofern die Beklagte meint, der Ermittlung des angemessenen Aufwandes das Gesprächsergebnis BVSK-HUK zugrunde legen zu müssen, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Aus der Bereitschaft der Beklagten, gewisse Pauschalhonorare zu zahlen kann nicht gefolgert werden, dass das jeweilige Honorar auch ortsüblich und angemessen ist; dies zeigt sich schon an den Abweichungen zu der Erhebung des BVSK. Es ist auch nicht erkennbar, dass die vom Sachverständigen vorgenommene Praxis der Abrechnung nach Grundhonorar und Zusatzkosten unüblich ist. Dem Gericht ist aus einer Vielzahl eigener Verfahren, in denen Gutachten von KfZ-Sachverständigen nebst Rechnungen vorgelegt wurden, bekannt, dass es eher die Regel denn die Ausnahme ist, dass neben einem Grundhonorar Kosten für Lichtbilder, Schreibarbeiten, Kopien, Fahrtkosten und ähnliche Positionen abgerechnet werden.
Danach ergibt sich folgende Gegenüberstellung:
Position Aufwand SVKlägerin BVSK BVSK PLZ2
Grundvergütung 330,85 € 316-350 329-360
Fahrtkostenpauschale 35,00 € 19,29-20,44 15,88-19,80
Lichtbilder (7 St. x 2,50 €) 17,50 € 14,42-17,99 14,42-16,66
Porto/Telefon/Auslagen 18,50 € 13,59-18,88 10,90-18,58
2. Satz LiBi (7 St. x 1,80 €) 12,60 € 8,75-12,60 8,05-13,72
Schreibgebühren 11,00 € 2,47-3,75 3,54-3,89
Der erforderliche Reparaturaufwand für das KfZ lag hier bei 1814,31 € netto. Nach der Honorarbefragung 2011 liegen das im vorliegenden Fall berechnete Grundhonorar von 330,85 € sowie die Nebenkosten, die dem Grunde nach alle erstattungsfähig sind (vgl. LG Corburg, a.a.O.), mit Ausnahme der Fahrtkosten und der Kosten für den ersten Satz Lichtbilder im Bereich des Honorarkorridors V, in dem zwischen 50% bis 60% der befragten BVSK-Mitglieder abrechnen, so dass die mit der Klage geltend gemachten Kosten des Sachverständigengutachtens hinsichtlich dieser Positionen angemessen und erforderlich erscheinen. Bezüglich der Kosten des ersten Lichtbildersatzes übersteigt der vom Sachverständigen … berechnete Preis den Honorarkorridor um ca. 5%. Diese Abweichung ist jedoch so gering, insbesondere in der Relation zu den Gesamtkosten des Gutachtens, dass ein verständig und wirtschaftlich denkender Mensch deswegen nicht von der Beauftragung des Gutachters abgesehen hätte.
Die vom Sachverständigen … in Rechnung gestellten Fahrtkosten übersteigen den Honorarkorridor hingegen deutlich, um etwas das doppelte, ohne dass für diese Mehrkosten eine besondere Begründung geliefert wird. Im Hinblick auf die besondere Situation des Geschädigten hält das Gericht allerdings eine subjektive Schadensbetrachtung für geboten (OLG Düsseldorf, urteil vom 16.06.2008 -I-1 U 246/07, zit. n. juris). Diese führt dazu, dass der Geschädigte auch die Kosten eines Sachverständigen ersetzt verlangen kann, wenn eine einzelne Position den Mittelwert erheblich überschreitet, sich die gesamten Kosten des Gutachtens insgesamt noch im Rahmen des Honorarkorridors halten. Einwendungen gegen die Höhe der Sachverständigenkosten können dem Geschädigten gegenüber nur erhoben werden, wenn ihn ein Auswahlverschulden trifft oder die Überhöhung derart evident ist, dass eine Beanstandung von ihm verlangt werden muss. Der Geschädigte ist jedoch nicht verpflichtet, vor der Auftragserteilung Preisvergleiche anzustellen. Eine erhebliche Überschreitung der Kosten, bei welcher der Geschädigte die Abrechung des Sachverständigen hätte beanstanden müssen und bei dessen Hinnahme das Gericht eine Kürzung der verlangten Vergütung auf die ortsübliche und angemessene Vergütung vornehmen würde, liegt danach erst dann vor, wenn die Gesamtkosten des Gutachtens, also die Summe aus Grundhonorar und Nebenkosten, um wenigstens 25 % über den durchschnittlichen Werten liegen. Vorliegend beträgt der Mittelwert aus den Werten des BVSK-Erhebung 2011, Honorarkorridor V, jeweils bezogen auf den hier erbrachten Umfang der Leistungen – mit Ausnahme der Schreibgebühren, die mit 11,00 € im Hinblick auf die durchschnittliche Vergütung je Seite angemessen ist – 414,51 € netto; Bei Zugrundelegung des jeweiligen Höchstwertes sogar 439,76 €. Der Sachverständige … hat für seine Leistungen 425,45 € netto verlangt und liegt damit nur ca. 3% oberhalb des Durchschnittwertes und unterhalb des Höchstsatzes. Damit bestand für die Klägerin keine Veranlassung, die Liquidation des Sachverständigen zu beanstanden. Ebenso ist danach ein Auswahlverschulden nicht festzustellen.
Zinsen auf die Klagforderung stehen der Klägern gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB ab dem 11.11.2011 analog § 187 BGB zu, nachdem die Klage am 10.11.2011 zugestellt wurde.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 3 ZPO.