AG Otterndorf (Niedersachsen) verurteilt Bruderhilfe Sachversicherung AG zur Zahlung der Stundenverrechnungssätze, der Verbringungskosten und zur Zahlung weiterer Sachverständigenkosten (2 C 400/07 vom 10.03.2009)

Das AG Otterndorf hat die Bruderhilfe Sachversicherung AG mit Urteil vom 10.03.2009 (2 C 400/07) verurteilt, an die Klägerin 620,52 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 117,67 € zu zahlen. Die Kosten des Rechtstreites trägt die Beklagte. Damit hat das AG dem Geschädigten auch bei fiktiver Schadensabrechnung die Stundenerrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt, die UPE – Aufschläge sowie die Verbringungskosten zuerkannt und die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, durch die Versicherung veranlasst, dieser angelastet.

Tatbestand:

Die Klägerin macht Ansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend. Dem Rechtsstreits liegt dabei im Wesentlichen der folgende Sachverhalt zugrunde:

Am 11.07.2007 kam es zwischen 16:0.0 Uhr und 17:00 Uhr in Heinmoor in der Bahnhofstraße zum nachfolgenden Unfall: Die Klägerin hatte ihr Fahrzeug, einen VW Passat mit dem amtlichen Kennzeichen CUX…, auf den Parkstreifen in Höhe des Hauses Bahnhofstraße 9 abgestellt. Der Versicherungsnehmer der Beklagten, Herr xxx war mit dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen CUX…gegen das Fahrzeug der Klägerin gefahren. Dabei wurde das Fahrzeug der Klägerin beschädigt.

In der Folge ließ die Klägerin einen Kostenvoranschlag der Firma einem Opelhändler- erstellen. Dieser Reparaturkostenvoranschlag wies Kosten in Höhe von 982,88 EUR auf. Die Beklagte nahm eine Prüfung dieses Reparaturkostenvoranschlages vor und empfand ihn als überhöht. Daraufhin beauftragte sie die Dekra mit dar Vornahme eines weiteren Reparaturgutachtens. Bei dem Gutachtertermin am 30.07.2007 war die Klägerin selbst zugegen. Das Gutachten der Dekra schätzte die Reparaturkosten auf 648,78 EUR brutto und somit 545,19 EUR netto.

Dieser Betrag wurde der Klägerin erstattet. Des Weiteren erhielt die Klägerin 25,00€ Schadenspauschale, im Rahmen des Gutachtens wurde der Arbeitslohn für Karosseriearbeiten auf 78,50 EUR pro Stunde, für Lackierarbeiten auf 83,50 EUR plus Materialaufschlag taxiert. Verbringungskosten für die Lackierung und UPE-Aufschläge wurden nicht berechnet. Aufgrund der, die Schadenshöhe betreffende, Differenz zwischen dem Kostenvoranschlag und dem Gutachten der Beklagten ließ die Klägerin dann ein weiteres Gutachten beim Sachverständigenbüro H. in Auftrag geben, welches die Reparaturkosten auf netto 876,25 EUR schätzte. Dieses Gutachten setzte Arbeitskosten in Höhe von 94,80 EUR für Karosseriearbeiten und 90,00 EUR plus Materialkosten für Lackierarbeiten an. Die Erstellung des Gutachtens kostete weitere 308,72 EUR.

Die Unterschiede in der Schadensberechnung resultierten primär aus der Nichtberücksichtigung von Verbringungskosten sowie UPE-Aufschlägen in dem Gutachten der Dekra sowie in niedriger eingesetzten Stundenlöhnen einer Fachwerkstatt. Mit Schreiben vom 10.08.2007 forderte der Vertreter der Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 23.08.2007 zur Zahlung von 664,78 EUR auf.

Die Klägerin behauptet, dass sie bei dem Autohaus xxx eine Reparatur durchführen wolle, weil sie diesem Autohaus bereits seit 10 Jahren verbunden sei. Diese Reparaturwerkstatt verfüge nicht über eine Lackierwerkstatt, so dass eine Verbringung zwangsläufig erforderlich wäre. Im Übrigen träfe dies auch auf alle anderen Fachwerkstätten in der Umgebung zu.

Weiterhin meint die Klägerin, dass die Verbringungskosten, sowie die UPE-Aufschläge auch im Falle einer fiktiven Abrechnung zu ersetzen seien. Bei dem im Rahmen des Gutachtens des Sachverständigen H. ausgewiesenen Arbeitslohn von 94,80 EUR handelt es sich um einen ortsüblichen Lohn einer Fachwerkstatt. Die Klägerin habe insofern einen Anspruch auf. Durchführung der Reparaturarbeiten bei einer Fachwerkstatt und müsse sich nicht an freie Werkstätten verweisen lassen.

Nachdem die Klägerin ursprünglich die Zahlung von 664,78 EUR verlangt hat, hat sie die Klage in Höhe von 25,00 EUR zurückgenommen und beantragt nunmehr, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 639,78 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.08.2007 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 117,62 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass die vor dem Hintergrund des Dekra-Gutachtens bereits an die Klägerin geleisteten 545,19 EUR zur Schadensbehebung ausreichend seien. Sie behauptet, dass die im Dekra-Gutachten angesetzten Stundenlöhne ordnungsgemäß, berechnet worden seien. Weiterhin ist sie der Ansicht, dass bei einer fiktiven Abrechnung der Reparaturkosten die Verbringungskosten sowie weitere UPE-Aufschläge nicht anzusetzen seien. Des weiteren sei es so, dass es sich bei dem im streitgegenständlichen Fahrzeug der Klägerin um einen VW-Passat handele, so dass eine Abrechnung in einer Opel-Werkstatt, wie dem Autohaus schon nicht in Betracht käme.

Die Beklagte meint überdies, dass die Klägerin durch die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen habe. Einwendungen gegen das Dekra-Gutachten habe sie nicht erhoben. Vielmehr habe sie der Beklagten mitgeteilt, dass sie sich allein deshalb um die Beauftragung eines zweiten Gutachters bemüht habe, da die Beklagte nicht nach den zuvor von ihr eingereichten Kostenvoranschlägen des Autohauses K. abgerechnet habe. Ein Verstoß der Schadensminderungspflicht sei insbesondere zu erkennen, da die Kosten eines zweiten Gutachtens in keinem Verhältnis zu den in Rede stehenden Reparaturkosten stünden.

Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie durch die anschließende Vernehmung des Sachverständigen W.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Gutachten des Sachverständigen W. vom 13.11.2008 (Blatt 120 bis 127 der Akte) sowie auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung (Blatt 138 bis 140 der Akte).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Klägerin kann die Zahlung von insgesamt 620,52 EUR verlangen. Dieser Betrag teilt sich auf in  Kosten für den Sachschaden in Höhe 311,80 EUR (I) und Gutachterkosten in Höhe 308,72 EUR(II). Rechtsgrundlage für das begründete klägerische Zahlungsverlangen sind die Vorschriften der §§ 7, 17, 18 StVG in Verbindung mit § 3 Nr. 1 und Nr. 2 PfiVG. Nachdem zwischen den Parteien unstreitig ist, dass der Versicherungsnehmer der Beklagten, in das Fahrzeug der ordnungsgemäß geparkte Fahrzeug der Klägerin fuhr, geht das Gericht von einer 100%igen Haftung der Beklagten aus.

I.

Die Klägerin kann weitere 311,80 EUR für den entstandenen Sachschaden verlangen.
Diesen Betrag hat das Gericht unter Beachtung der streitigen Positionen aus den Gutachten des Sachverständigen H. nach den folgenden Maßgaben geschätzt.

1. Karosseriearbeiten

Der Geschädigte hat grundsätzlich Anspruch darauf, die Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchführen zu lassen und kann im Fall fiktiver Abrechnung auf der Basis eines Gutachtens deshalb auch den dazu erforderlichen Betrag verlangen. Das Gericht geht insofern davon aus, dass die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch, entsprechend des geschädigten Fahrzeugs an den Stundenverrechungssätzen der örtlichen VW-Werkstätten zu orientieren hat, das Sachverständigengutachten weist insofern 5 Werkstätten aus, die an die Marke VW gebunden sind, diese Werkstätten haben einen durchschnittlichen Stundenverrechnungssatz von 82,01 EUR, so dass dieser Wert der Schadensbemessung zugrunde zulegen ist. Bei der konkreten Schadenshöhe war dann zu berücksichtigen, dass sowohl das Dekra Gutachten, als auch das Gutachten der Firma H. von einem Arbeitsaufwand von 0,7 Stunden ausgegangen sind, so dass – abweichend vom Gutachten des Sachverständigen H., der 66,36 EUR angesetzt hat, ein Betrag von 57,40 EUR für Karosseriearbeiten anzusetzen ist.

2. Lackierkosten

Hinsichtlich der Kosten für die Lackierung des beschädigten Fahrzeugs der Klägerin gilt das Folgende: Der gerichtliche Sachverständige hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die vom Sachverständigen H. angesetzten Kosten für die Lackierung des Fahrzeugs 109,02 EUR betragen würden. Der Vergleichswert des Dekra Gutachtens würde 108,55 EUR betragen, sodass ein nennenswerter Unterschied nicht erkennbar ist. Die durchschnittlichen Kosten in den fünf markengebundenen VW -Werkstätten würden nach Berechnung des Gerichts 1.18,82 und somit 9,80 EUR mehr als in der Schadensberechnung der Klägerin betragen.

3. UPE-Aufschläge

Die Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit der UPE-Aufschläge bei fiktiver Abrechnung auf Gutachtenbasis ist nicht einheitlich. Nach der wohl herrschenden Meinung können prozentuale Aufschläge auf Ersatzteilpreise auch bei der fiktiven Abrechnung verlangt werden, wenn und soweit sie regional üblich sind. Dann machen sie den erforderlichen Reparaturaufwand aus, der für die Behebung des Fahrzeugschadens erforderlich ist. Dieser Auffassung schließt sich das Gericht an. Wie das Gericht dem Gutachten des Sachverständigen W. entnommen, nehmen im Bereich Otterndorf und Umgebung 25 von 29 Werkstätten UPE -Aufschläge, so dass von einer regionalen Üblichkeit und daher von der Ersatzfähigkeit dieser Aufschläge gesprochen werden kann. Zu beachten war allerdings, dass der vom Sachverständigen H. gewählte UPE-Aufschlag den Spitzenwert darstellte, das Gericht geht hingegen lediglich von einer Ersatzfähigkeit eines UPE -Aufschlags von 10 Prozent und somit 45,55 statt 68,33 EUR aus.

4. Verbringungskosten

Auch hinsichtlich der Verbringungskosten ist von einer Ersatzfähigkeit der im Gutachten der Firma H. genannten 85 EUR auszugehen. Insofern gelten die gleichen Maßstäbe wie hinsichtlich der UPE – Aufschläge, auch hier ist von einer Ersatzfähigkeit bei Ortsüblichkeit auszugehen. 26. der 29 im Rahmen des gerichtlichen Sachverständigengutachten genannten Werkstätten, darunter sämtliche VW Werkstätten haben solche Verbringungskosten verlangt. Auch die Höhe der geltend gemachten Kosten ist nicht zu beanstanden, der Sachverständige hat sein schriftliches Gutachten im Rahmen der mündlichen Verhandlung dahingehend korrigiert, dass die Überführungskosten sich im durchschnittlichen Bereich bewegen würden. Auch das Gericht ist bei einem Vergleich der VW-Werkstätten zu dem Ergebnis gelangt, dass die hier verlangten Verbringungskosten im Schnitt bei 87,68 EUR – mithin über den angesetzten 85 EUR lagen.

5.  Gesamtbetrachtung

Letztlich hat das Gericht berücksichtigt, dass das von der Klägerin als Basis der Klagforderung vorgelegte Gutachten mitunter Werte berücksichtigt, die über den ersatzfähigen Werten liegen, an anderer Stelle jedoch hinter diesen Werten zurückbleibt. Bei einer Saldierung der Werte ergibt sich, dass die Forderung der Klägerin in Höhe von 19,26 EUR überhöht war, insofern war die Klage abzuweisen.

II.

Die Kosten für die Einholung des Sachverständigengutachtens des Zeugen H. sind als adäquate Schadensposition ersatzfähig.

Das Gericht kann nicht erkennen, dass die Einholung eines weiteren Gutachtens durch die Klägerin einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht darstellt. Die Klägerin hatte sich im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht zunächst auf die Einholung eines Kostenvoranschlags beschränkt. Diesem Kostenvoranschlag ist die Beklagte entgegengetreten und hat nach Einholung des Dekra-Gutachtens durch Schreiben vom 01.08.2007 signalisiert, dass sie lediglich einen Betrag in Höhe von 545,19 EUR erstatten würde, was eine erhebliche Abweichung von dem im Rahmen des Kostenvoranschlags genannten Preis darstellt. Vor diesem Hintergrund war die Klägerin geradezu gezwungen, den von ihr behaupteten Schaden näher zu substantiieren und ein weiteres Gutachten einholen zu lassen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin bei der Fahrzeugbesichtigung durch den Dekra Gutachter anwesend war.

Die geltend gemachten außergerichtlichen Anwaltskosten sind in voller Höhe ersatzfähig da die geringfügige Zuvielforderung nicht zu einem Gebührensprung führte.

Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs.1 BGB, Verzugsbeginn war – nachdem der Beklagten eine Zahlungsfrist bis zum 23.08.2007 eingeräumt wurde – der 24.08.2007.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs.2 Nr.1, 269 ZPO. Soweit die Klägerin mit einem Teilbetrag von 19,26 EUR unterlegen ist und die Klage in Höhe von 25 EUR zurückgenommen hat, handelt es sich dabei um einen verhältnismäßig geringen Betrag der keine weiteren Kosten verursacht hat.

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr.11, 713, 709 S. 2 ZPO.

So das AG Otterndorf.

Urteilsliste “Fiktive Abrechnung u. SV-Honorar” zum Download >>>>>

Dieser Beitrag wurde unter Bruderhilfe, Ersatzteilzuschläge, Fiktive Abrechnung, Haftpflichtschaden, Lohnkürzungen, Sachverständigenhonorar, Stundenverrechnungssätze, UPE-Zuschläge, Urteile, Verbringungskosten abgelegt und mit , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

3 Antworten zu AG Otterndorf (Niedersachsen) verurteilt Bruderhilfe Sachversicherung AG zur Zahlung der Stundenverrechnungssätze, der Verbringungskosten und zur Zahlung weiterer Sachverständigenkosten (2 C 400/07 vom 10.03.2009)

  1. Friedhelm S sagt:

    Hi Willi,
    schön von Dir wieder ein Lohnkostenurteil mit Verbringungskosten und Ersatzteilpreisaufschlägen zu lesen. Die Bruderhilfe kann also auch an der Elbe nicht punkten.
    Prima.
    Einen schönen Maifeiertag wünscht
    Friedhelm S.

  2. Buschtrommler sagt:

    Da hat sich das Streicher-ensemble Dekra mitsamt dem Dirigent Bruderhilfe ordentlich vergeigt.
    Schön anzusehen wenn ein Gericht Nachhilfe gibt und denen die Flötentöne frisch einpaukt.
    Ein wahrlich wackeres Urteil, wobei dies nicht die einzigen sind, die im Elbeschlick stecken bleiben….

  3. Willi Wacker sagt:

    Hallo Buschtrommler,
    so kann man es auch sagen. Trotzdem noch einen schönen Tag der Arbeit.
    MfG
    Willi Wacker

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert