Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und Leser,
nachstehend geben wir Euch hier ein Urteil aus Paderbron zu einer konkreten Abrechnung gegen die Allianz VVD bekannt. Wie man sieht, versuchen die Versicherer nunmehr auch bei der konkreten Reparatur anzugreifen. Lackangleichung heißt die derzeitige „Sau“, die durchs Schadenmanagement-Dorf getrieben wird. Dieses insbesondere von der Allianz-Versicherung. Die Lackangleichung ist eine Position, die jeder seriöse Lackfachmann bei Metallic-Lacken für erforderlich hält einschließlich der Lackhersteller. Nur die (unseriösen) Versicherer halten diese Schadensposition offensichtlich nicht für erforderlich? Das mit dem Nutzungsausfall kann man unter dem Gesichtspunkt des Werkstattrisikos, das eindeutig bei dem Schädiger liegt (vgl. BGHZ 63, 182 ff), auch anders sehen. Aber – na ja, auch die gegenteilige Ansicht des Gerichts ist m.E. vertretbar. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommntare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
50 C 169/14 Verkündet am 14.11.2014
Amtsgericht Paderborn
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Klägerin,
gegen
1. …
2. die Allianz Versicherung VVd, vertr. d.d.Vorstandsvors. Dr. Alexander Vollert, Theodor-Stern-Kai 1, 60596 Frankfurt,
Beklagten,
hat das Amtsgericht Paderborn
auf die mündliche Verhandlung vom 14.11.2014
durch die Richterin am Amtsgericht W.
für Recht erkannt:
Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin als Gesamtschuldner 1.534,91 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3.658,04 Euro für die Zeit vom 10.04.2014 bis zum 30.06.2014 und aus 1.534,91 Euro seit dem 01.07.2014 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 78,89 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 413,64 Euro für die Zeit vom 10.04.2013 bis zum 30.06.2014 und aus 78,89 Euro seit dem 01.07.2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 13 % und die Beklagten tragen als Gesamtschuldner 87 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin allerdings nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz auf Grund eines Verkehrsunfalles, der sich am 10.12.2013 auf dem Parkplatz des Einkaufs-Centers Südring-Center in Paderborn ereignet hat.
Die Klägerin ist Halterin und Eigentümerin des Fahrzeugs Opel Corsa mit dem amtlichen Kennzeichen … , der am 10.12.2013 von ihrer Tochter gefahren
wurde. Diese musste auf der Suche nach einem Parkplatz anhalten, weil vor ihr
mit dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw des Beklagten zu 1) mit dem amtlichen Kennzeichen … in Begriff war, links in eine Parkbox hereinzufahren. … fuhr dabei rückwärts frontal in den Pkw der Klägerin.
Die Klägerin ließ ihr Fahrzeug im März 2014 von der Fa. … reparieren. Ausweislich der Rechnung vom 20.03.2014 der Fa. … wurden für die Reparatur 3.541,04 Euro berechnet, wobei sich das Fahrzeug in der Zeit vom 10.03.2014 bis zum 20.03.2014 in der Werkstatt befand. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Rechnung vom 20.03.2014 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 25.03.2014 forderte die Klägerin die Beklagte zu 2) auf, Reparaturkosten in Höhe von 3.541,04 Euro, Nutzungsausfall für 11 Tage à 29,00 Euro in Höhe von 319,00 Euro und eine allgemeine Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 Euro zu zahlen.
Mit Schreiben vom 08.04.2014 teilte die Beklagte zu 2) mit, dass die
Reparaturrechnung in Prüfung sei.
Mit Schreiben vom 13.05.2014 setzte die Klägerin zum Ausgleich des Schadens eine Frist bis zum 23.05.2014.
Die Beklagte zu 2) teilte daraufhin mit, dass der Vorgang derzeit noch geprüft werde.
Mit der Klageschrift vom 26.06.2014, die am 27.06.2014 bei Gericht eingegangen ist, begehrt die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 3.885,04 Euro.
Am 30.06.2014 zahlte die Beklagte zu 2) an die Klägerin Reparaturkosten in Höhe von 2.052,13 Euro, Nutzungsausfall für zwei Tage zu je 23,00 Euro in Höhe von 46,00 Euro und eine allgemeine Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 Euro, insgesamt 2.123,13 Euro.
Die Klägerin stellte ihren Antrag im Schriftsatz vom 04.07.2014 noch vor Klagezustellung um.
Die Klägerin behauptet, die Reparaturkosten seien nicht übersetzt, eine Beilackierung der Kotflügel und A-Säulen sei zur Vermeidung von Farbtonabweichungen erforderlich gewesen. Die Reparaturdauer habe tatsächlich elf Tage betragen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 3.885,04 Euro abzüglich gezahlter2.123,13 Euro = 1.761,91 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.04.2014 zu zahlen, sowie an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,64 Euro abzüglich gezahlter 334,75 Euro = 78,89 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.04.2014 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, unfallbedingt seien lediglich Reparaturkosten in Höhe von 2.052,13 Euro brutto erforderlich. Insbesondere sei die geltend gemachte
Beilackierung der Kotflügel und der A-Säule technisch nicht erforderlich gewesen, da diese Teile nicht eine Fläche bilden würden. Hinsichtlich der Reparaturdauer
behaupten die Beklagten, dass diese lediglich zwei Tage betrage.
Es wurde Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen … . Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2014.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist überwiegend begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 1.534,91 Euro aus §§7, 17 StVG, 115 VVG, 426, 249 BGB.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagten den Schaden der Klägerin zu 100 % zu erstatten haben. Der Klägerin ist daher Schadensersatz in Höhe von insgesamt 3.658,04 Euro zu leisten, wovon die Beklagten bereits 2.123,13 Euro gezahlt haben.
Die Reparaturkosten in Höhe von 3.541,14 Euro sind der Klägerin vollständig zu erstatten. Sämtliche abgerechneten Arbeiten waren zur Beseitigung des Schadens erforderlich, insbesondere auch die Beilackierung der Kotflügel und der A-Säule. Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Der Zeuge … hat dazu erklärt, dass der Farbton der erneuerten Teile
ohne Farbtonangleichung nicht passe. Er habe diese Erfahrung gemacht. Es sei so, dass die Motorhaube und der Stoßfänger vor Ort lackiert worden seien. Diese würden im Rohzustand geliefert. Für die Farbe Silber von Opel gebe es mehrere Farbkarten und man müsse schauen, welche der Farbe am nächsten komme. Wenn keine passende Farbe dabei sei, müsse eine Farbtonangleichung an den angrenzenden Teilen vorgenommen werden. Es sei lediglich in 1 % der Fälle so, dass der Ton ohne Angleichung passe. Auf den angrenzenden Teilen lasse man die Lackierung dann auslaufen, damit der Farbton gleich aussehe. Der Zeuge ist glaubwürdig. Er hat den Reparaturvorgang nachvollziehbar geschildert und die technischen Details verständlich erklärt. Es erscheint plausibel, dass sich der Farbton an einem 10 Jahre alten Auto verändert hat und daher bei einer Reparatur eine Angleichung erfolgen muss. Im Ergebnis steht damit fest, dass die in der Rechnung vom 20.03.2014 abgerechneten Leistungen für die Reparatur und Instandsetzung des klägerischen Fahrzeugs erforderlich waren.
Die Klägerin hat zudem einen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung für vier Tage in Höhe von jeweils 23,00 Euro. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagten bereits eine Nutzungsausfallentschädigung für zwei Tage à 23,00 Euro erstattet haben. Insofern ist diesbezüglich noch ein Betrag von 46,00 Euro zu zahlen. Dass die Klägerin das Fahrzeug elf Tage nicht nutzen konnte, hat sie nicht bewiesen. Nach der Aussage des Zeugen … hat die Reparatur zwar länger gedauert. Der Zeuge
hat dazu erklärt, dass dies daran gelegen habe, dass die Motorhaube nicht lieferbar gewesen sei. Die Reparatur hätte ansonsten drei bis vier Tage gedauert. In zwei Tagen hätte die Reparatur unmöglich vorgenommen werden können. Die Teile müssten zunächst angeliefert werden und normalerweise würden sie einen Tag später lackiert. Zudem müsse das Auto zunächst zerlegt werden, dann werde es lackiert und dann werde es wieder zusammengebaut. Nach der glaubwürdigen Aussage des Zeugen steht damit fest, dass die Reparatur bei einem normalen Verlauf ohne Lieferschwierigkeiten vier Tage gedauert hätte. Für diesen Zeitraum erhält die Klägerin eine Nutzungsausfallentschädigung.
Ein darüber hinaus gehender Anspruch besteht indessen nicht. Zwar fällt es nicht in den Risikobereich der Klägerin, dass die Motorhaube nicht lieferbar war und sich die Reparatur aus diesem Grund verzögert hat. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug fahrbereit war und die Klägerin drei Monate bis zur Reparatur gewartet hat. Insofern hätte die Klägerin das Fahrzeug auch noch weiter nutzen können, bis die Motorhabe geliefert worden ist. Daher steht ihr keine weitere Nutzungsausfall-Entschädigung zu.
Pro Tag sind 23,00 Euro zu erstatten. Diesen Betrag schätzt das Gericht gem. § 287 ZPO unter Hinzuziehung der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch. Danach ist für einen Opel Corsa, der 10 Jahre alt ist, ein Betrag von 23,00 Euro anzusetzen. Aus welchem Grund vorliegend 29,00 Euro pro Tag zu erstatten sein sollen, hat die Klägerin nicht näher dargelegt. Für die Einstufung in eine höhere Gruppe bestehen auch aus anderen Gründen keine Anhaltspunkte.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Beklagtenseitig ein Widerspruch in sich selbst, da speziell beim Thema „IFL Lackangleichung“ u.a. die Allianz mit im Boot war….oder ein Zeichen von fortschreitender Amnesie…?
@ Buschtrommler
Leider verstehe ich Ihren Beitrag nicht. Was ist IFL Lackangleichung und was hat das mit der Allianz zu tun?
Die Ausführungen des Gerichts zum Nutzungsausfall sind fraglich:
Also hätte die Werkstatt den Reparaturauftrag schon annehmen sollen, ohne das Fahrzeug da zu haben, die Motorhaube (ohne Sicherheit) bestellen sollen und darauf vertrauen sollen, daß der Geschädigte dann auch wirklich zur Reparatur kommt? Die Werkstatt hätte auf das Werkunternehmerpfandrecht verzichten sollen?
Ich kann verstehen, wenn eine Werkstatt das nicht macht, sondern erst dann Ersatzteile beschafft, wenn das Fahrzeug in der Werkstatt steht.
Es ist aufgrund des doch mittlerweile erheblichen Anteils der Ersatzteilkosten am Gesamtschaden gängige Praxis, die Teile nicht auf eigenes Risiko vorab zu bestellen.
Insbesondere bei ausländischen Fabrikaten gibt es keine Chance der Rückgabe, höchstens bei Falschlieferung oder Beschädigung.
Das Problem der Lackangleichung ist ein Dauerbrenner, hier wird von Versicherer Seite aus nur mit Standard-Behauptungen agiert, ohne eine Einzelfallbetrachtung durchzuführen.
Mfg. SV Stoll Reutlingen
@RA Schepers
„Leider verstehe ich Ihren Beitrag nicht. Was ist IFL Lackangleichung und was hat das mit der Allianz zu tun?“
Gute Gründe für die Beilackierung
Die Interessengemeinschaft für Fahrzeugtechnik und Lackierung (IFL) hat ein neues Merkblatt zu Farbtondifferenzen und Beilackierung herausgegeben. Der Leitfaden gibt Lackierbetrieben, Sachverständigen und Versicherern eine verlässliche Orientierung und leistet konkrete fachliche Hilfestellung.
Immer wieder geht es bei der fachgerechten Unfallreparaturlackierung um die Frage, ob die Ein- oder Beilackierung zu den schadensbedingten Kosten gehört. Grundsätzlich gilt: „Der Lackierfachmann entscheidet, ob eine Reparatur nach Lackstufe 2, 3 oder Spotlackierung ausgeführt wird“, heißt es in den bereits bekannten Merkblättern.
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Quelle:
Krafthand.de
http://www.autohaus.de/nachrichten/neues-ifl-merkblatt-beilackierung-ist-heute-in-den-meisten-faellen-unumgaenglich-1351049.html
Mit besten Grüßen
aus Bochum & Tangendorf
Dipl.-Ing. Harald Rasche
Das ist sicherlich richtig. Stellt sich nur die Frage, ob die Klägerin auch vorgetragen hat, dass die Werkstatt das so nicht mitgemacht hätte. Auch wenn dies sehr nahe liegt, musste das Gericht nicht ohne weiteres davon ausgehen.
@ Herr Rasche
Danke für die Info 🙂
@ Waterkant
Dann hätte das Gericht zumindest darauf hinweisen müssen, daß es den Vortrag der Klägerin für nicht ausreichend hält…
@ RA Schepers:
Falls die Beklagte schon auf den unzureichenden Vortrag hingewiesen haben sollte, wäre ein gerichtlicher Hinweis nicht zwingend erforderlich gewesen.
Es erscheint aber auch nicht fernliegend, dass die Klägerin hier einen entsprechenden Hinweis erhalten hat. Offenbar hat sie doch einiges zur Reparaturdauer vorgetragen. Jedenfalls wurde der Zeuge diesbezüglich ja recht ausführlich befragt. Andererseits wurde vielleicht auch einfach nur ausgeforscht (machen manche Richter ja sehr gerne). In diesem Fall hätte es bei fortbestehenden Zweifeln allerdings ohne Frage einen Hinweis und ggf. Schriftsatznachlass geben müssen.
@RA Schepers
Hier finden Sie das Merkblatt:
http://ifl-ev.de/download/dateien_f%C3%BCr_den_%C3%B6ffentlichen_bereich/Merkblatt%20IFL-Stand%2029-04-2014.pdf
Dieses Merkblatt ist nicht nur für den Fachmann, sondern auch für den Laien verständlich. Ich habe es mehreren Rechtsanwälten/innen und Richter/innen zukommen lassen, wenn in den jeweiligen Verfahren die Notwendigkeit der Bei-/Einlackierung von der Gegenseite bestritten wurde.
MfG
SV-Mann
Ich glaube, der link funzt nicht …
Trotzdem Dank für die Infos, wir können sie gut gebrauchen.