AG Perleberg spricht im Schadensersatzprozess aus abgetretenem Recht um von der HUK-COBURG Allg. Vers. AG vorgerichtlich gekürzter Sachverständigenkosten nur einen Teil der berechneten Kosten zu mit kritisch zu betrachtendem Urteil vom 29.11.2017 – 11 C 26/17 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

hier und heute stellen wir Euch ein kritisch zu betrachtendes Urteil des Amtsgerichts Perleberg  im Schadensersatzprozess um die Erstattung restlicher, von der HUK-Coburg Allgemeine Versicherungs AG. gekürzter Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen den bei der HUK-Coburg versicherten Halter des unfallverursachenden Kraftfahrzeuges vor. Das Gericht ist der – allerdings irrigen – Ansicht, den Schaden (bei Vorlage einer Rechnung) nach § 287 ZPO schätzen zu können? Wenn dem so ist, dann ist die Erde aber auch eine Scheibe, wie wir meinen. Das erkennende Gericht sollte vielleicht einmal die 54 BGH-Entscheidungen zum § 287 ZPO hier im Captain-Huk-Blog durchlesen, bevor es noch einmal fehlerhaft auf die ZPO Bezug nimmt. Der Schaden ist durch die vorgelegte Rechnung bereits ausreichend dargelegt, denn die in der Rechnung befindliche Zahlungsverpflichtung ist bereits der dem Geschädigten entstandene Vermögensschaden, der nach herrschender Meinung über § 249 I BGB auszugleichen ist (vgl. nur BGH VI ZR 67/06 Rn. 11). Aber auch der Vortrag der HUK-Coburg zeigt, dass sie offensichtlich keine Ahnung von Sachverständigenkosten und Erstellung von Haftpflichtgutachten hat. So werden die Kosten für die Restwertermittlung bestritten, weil ein offensichtlicher Totalschaden vorläge. Gerade bei einem wirtschaftlichen oder technischen Totalschaden ist eine Restwertermittlung entsprechend der BGH-Rechtsprechung erforderlich. Das, was der HUK-Coburg nutzt, wird vorgetragen, ob es passt oder nicht, ist egal. Das ist aber kein seriöser Sachvortrag einer Versicherung. Hier noch einige Erläuterungen des Einsenders:

„Obwohl ich ausdrücklich auf das BGH Urteil VI ZR 50/15 hingewiesen habe, nach dem alle meine Nebenkosten ausdrücklich zulässig und im Rahmen liegen, wurde selbstherrlich vom AG Direktor S. die Restwertermittlung und EDV-Kosten gestrichen. Nach dem wörtlichen Motto „bei uns hier am AG Perleberg sollten Sie doch wissen, wie das so gehandhabt wird… Auch mein Antrag auf Zulassung der Berufung bei abweichender Rechtsprechung wurde schlicht ignoriert.“

Lest aber selbst das Urteil des AG Perleberg und gebt dann bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Az.: 11 C 26/17

Amtsgericht Perleberg

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

– Beklagter –

Nebenintervenientin:
HUK Coburg Allgemeine Versicherungs AG, Willi-Hussong-Str. 2, 96442 Coburg

hat das Amtsgericht Perleberg durch den Direktor des Amtsgerichts S. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.11.2017 für Recht erkannt:

1.  Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20,43 € zzgl. Zinsen von 5 % – Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.10.2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.  Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 2/3 und der Beklagte 1/3.

3.  Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist Inhaber eines Ing.- und Sachverständigenbüros in Osterburg. Er erstellt Gutachten zu Haftpflichtschäden. In diesem Zusammenhang wurde ihm von dem Geschädigten Herrn W. am 26.09.2016 der Auftrag zur Erstellung eines Sachverständigengutachtens erteilt. Gleichzeitig traf er mit dem Geschädigten eine Abtretungsvereinbarung dahingehend, dass die Schadensersatzforderungen des Geschädigten gegen den Fahrer, Halter und Kfz-Haftpflichtversicherung auf Erstattung der Kosten des Sachverständigen an ihn abgetreten wurde. Hintergrund der Beauftragung des Klägers war ein Verkehrsunfall des Geschädigten Herrn H.-J. W., der sich am 23.09.2016 ereignet hatte. An diesem Unfall waren der PKW des Geschädigten mit dem Kennzeichen … und der PKW des Beklagten mit dem Kennzeichen … beteiligt. Unstreitig haftet der Beklagte für den in Zusammenhang mit diesem Unfall entstandenen Schaden zu 100 %. Der Beklagte hatte sein Fahrzeug bei der HUK-Coburg Allgemeine Versicherungs AG (Nebenintervenientin) versichert.

Nachdem der Kläger das Gutachten verfasst hatte, erstellte er für seine Tätigkeit Rechnung in Höhe von 567,63 € (Bl. 12 d. A.). Daraufhin erstattete ihm die Nebenintervenientin einen Betrag in Höhe von 499,00 €.

Der Kläger macht jetzt im Wege der Klage die Differenz geltend.

Dazu trägt er vor, dass alle Positionen auf der von ihm gestellten Rechnung angemessen und nicht überhöht seien.

Es sei zunächst nicht erkennbar gewesen, dass hier schließlich ein Totalschaden des Fahrzeugs des Geschädigten habe konstatiert werden musste. Dies habe sich erst nach gründlicher Untersuchung, auf welcher der Geschädigte bestanden habe, herausgestellt.
Schließlich ist er der Auffassung, dass seine Rechnung nicht sittenwidrig sei. Dies sei schon daraus ersichtlich, dass die Rechnung durch die HUK-Coburg Versicherung um 12,09 % gekürzt worden sei. Insgesamt entspreche seine Abrechnung der BVSK Honorartabelle.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 68,63 € zzgl. Zinsen mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.10.2016 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, das dem Kläger kein weiterer Anspruch zusteht. Dazu trägt er vor, dass nicht nachvollziehbar sei, warum der Geschädigte nicht einen ortsansässigen oder ortsnahen Sachverständigen mit der Begutachtung beauftragt habe. Insofern seien Fahrtkosten in Höhe von 28 € produziert worden.

Weiter macht er geltend, dass das vom Kläger angesetzte Grundhonorar übersetzt sei. Dazu trägt er vor, dass der Kläger schon auf den ersten Blick hätte erkennen können, das hier ein offensichtlicher Totalschaden am Fahrzeug des Geschädigten vorgelegen habe. Insofern hätte er die Reparaturkosten nicht einmal genau kalkulieren müssen.

Hier sei daher von einem einfachen Gutachten auszugehen. Da der Kläger ein üppiges Grundhonorar angesetzt habe, könne er nicht noch weitere Nebenkosten verlangen. Insbesondere seien hier Kosten für eine Restwertermittlung in Höhe von 15 € netto sowie Kosten für die Fahrzeugbewertung in Höhe von 15 € netto nicht erstattungsfähig. Diese Positionen seien im Grundhonorar enthalten.

Wegen des weiteren Vortrags wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.11.2017 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im erkannten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten über den bereits gezahlten Betrag in Höhe von 499,00 € brutto hinaus aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Zahlung weiterer Sachverständigenkosten in Höhe von 20,43 € gem. §§ 7, Abs. 1 StVG, 823, 249 ff. i.V.m. 398 BGB, nachdem die volle Haftung des Beklagten aus dem Verkehrsunfall vom 23.09.2016 zwischen den Parteien dem Grunde nach feststeht.

Dabei war die Höhe des Schadensersatzanspruches gemäß § 632 Abs. 2 BGB, 287 ZPO zu schätzen. Es gelten nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH-Urteil vom 28.02.2017, Az.: VI ZR 76/16, zitiert nach juris) folgende Grundsätze:

„Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Sein Anspruch ist auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrages und nicht etwa auf Ausgleich von ihm bezahlter Rechnungsbeträge gerichtet. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechend scheint.

Denn Ziel der Schadensrestitution ist es, den Zustand wieder herzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht. Der Geschädigte ist deshalb grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann.

Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen.

Den Geschädigten trifft gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB grundsätzlich die Darlegungslast hinsichtlich des oben beschriebenen erforderlichen Herstellungsaufwandes. Dieser Darlegungslast genügt der Geschädigte regelmäßig durch Vorlage der – von ihm beglichenen – Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht dann grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zustellen. Diese Grundsätze gelten auch bei einer Abtretung der Forderung auf Ersatz der Sachverständigenkosten.“

Unter Berücksichtigung dieser oben dargestellten Grundsätze und des jeweiligen Vortrags steht dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung weiterer 20,43 € zu.

Diesen Betrag hat das Gericht auf der Grundlage der BVSK Honorarbefragung ermittelt. Nach Auffassung des Gerichts bietet diese Befragung eine solide Grundlage zur Schätzung der hier tatsächlich angemessenen Kosten. Konkret hat das Gericht hier die BVSK Honorarbefragung 2015 in Anwendung gebracht, weil sich der in Rede stehende Verkehrsunfall im September 2016 ereignet hat.

a) Grundhonorar

Danach kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass bzgl. des Honoraranspruchs hier die übliche Vergütung (bei einer Schadenshöhe von 1.875 €) im HB V Korridor, also bei einem Betrag von zwischen 341 € und 376 € liegt. Das Gericht hat hier den Mittelwert i. H. von 358,50 € in Ansatz gebracht.

b) Fahrtkosten

Fahrtkosten sind hier in Anlehnung an die BVSK Honorarbefragung 2015 in Höhe von 28,00 € (40 km zu je 0,70 €) angemessen. Dies entspricht auch im Übrigen dem Betrag der von verschiedenen Anbietern erstellten Autokostentabellen.

c) Fotokosten

Als angemessen und üblich erscheinen hier ebenfalls in Anlehnung an die BVSK-Honorarbefragung 2015 und in Übereinstimmung mit § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 JVEG Kosten von 2,00 € pro Foto und von 0,50 € pro Foto Zweitausfertigung, insgesamt also ein Betrag in Höhe von 20 €.

d) Schreibkosten

Schreibkosten sind in Höhe von 7 € angesetzt worden. Dies erscheint angemessen.

e) Fotokopierkosten

Auch die hier in Ansatz gebrachten 8 € erscheinen in Anlehnung an die BVSK-Honorarbefragung und § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG als angemessen.

f) Fremdleistung (Restwertermittlung, EDV-Fahrzeugbewertung)

Hier können keine zusätzlichen Kosten in Rechnung gestellt werden. Die Nutzung von Hard- und Software fällt unter die Bürokosten.

g) Porto/Telefon

Hier ist nach Auffassung des Gerichts ebenfalls der in der BVSK-Honorarbefragung ausgewiesene (Pauschal-)Betrag von 15 € angemessen.

Zusammenfassend kann der Kläger folgende Sachverständigenkosten beanspruchen:

Grundhonorar                                                379,50 €
Fahrtkosten                                                     28,00 €
Fotokosten                                                      20,00 €
Schreibkosten                                                   7,00 €
Fotokopien                                                        8,00 €
Porto/Telefon                                                  15,00 €
.                                                                   436,50 €
zzgl. 19%MWSt                                               82,93 €
gesamt:                                                       519,43 €.

Daraufhin hat die Nebenintervenientin bereits 499 € gezahlt, so dass sich ein Anspruch des Klägers auf Zahlung weiterer 20,43 € ergibt.

Aus den genannten Gründen war die weitergehende Klage abzuweisen.

Der Zinsanspruch beruht auf den §§ 288, 291 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Streitwert: 68,63 €

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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  1. begeisterter Captain-Huk-Leser sagt:

    Warum tun sich die Richter bei der Anwendung des § 249 Abs. 1 BGB so schwer?
    Wenn es um die (Wieder-) Herstellung des vor dem Schadensereignis bestehenden Zustands geht, ist § 249 Abs. 1 BGB anzuwenden. Das Gesetz sagt ja auch ausdrücklich: „Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.“ Wichtig ist dabei, dass „der Zustand … wiederhergestellt wird…“. Damit ist die konkrete Schadensbehebung (Naturalrestitution) gemeint. Bei den Sachverständigenkosten, die der Geschädigte eines Verkehrsunfalls aufwenden muss, damit im Wege der Beweissicherung der Zustand des verunfallten Fahrzeugs festgehalten werden kann und die voraussichtlichen Wiederherstellungskosten beziffert werden können, hat der BGH in der Grundsatzentscheidung BGH VI ZR 67/06 unter Randziffer 11 entschieden, dass diese Kosten zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen gehören, wenn die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Das ist regelmäßig der Fall, denn der Geschädigte ist selbst nicht in der Lage, den Schaden beweismäßig zu sichern und den Wiederherstellungsaufwand zu beziffern.

    Nur dann, wenn der Geschädigte einen Unfallschaden, wozu er aufgrund der Dispositionsfreiheit berechtigt ist, auf der Basis eines Gutachtens (oder Kostenvoranschlages) fiktiv abrechnen will, will er nicht mehr die (wieder-) Herstellung, sondern den für die Herstellung erforderlichen Geldbetrag. In diesem Fall will er nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB abrechnen. Nicht umsonst steht im Gresetzestext bei § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB: „… so kann der Gläubiger (also der Geschädigte!) s t a t t der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen…“ . Insoweit hat der Gesetzgeber die tatsächliche Wiederherstellung in Abs. 1 und die fiktive Schadensabrechnung in Abs. 2 des § 249 BGB geregelt. Die Änderung schadenersatzrechtlicher Bestimmungen am 1.8.2002 mit Wegfall der Umsatzsteuer bei fiktiver Schadensabrechnung betraf mithin den Absatz 2 und wurde dort auch unter Satz 2 eingefügt.

    Also ist es doch eigentlich ganz einfach: Bei konkreter Abrechnung gilt § 249 Abs. 1 BGB. das gilt auch bei konkret angefallenen Sachverständigenkosten! Bei fiktiver Abrechnung („statt der Herstellung“) gilt § 249 Abs. 2 mit dem Umsatzsteuerwegfall, den der BGH selbst als systemwidrig bezeichnet hat.

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