Sehr geehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
und schon wieder müssen wir über die HUK-COBURG berichten und ein gegen die HUK 24 AG ergangenes Urteil des AG Pforzheim vom 19.2.2015 veröffentlichen. Die HUK 24 AG meinte doch allen Ernstes, die berechneten Sachverständigenkosten nach ihrem eigenen Gutdünken kürzen zu können. Dies galt insbesondere für die berechneten Nebenkosten. Diese Kürzungsrechnung hat sie aber ohne das Amtsgericht Pforzheim gemacht. Der zuständige Amtsrichter Dr. G. wies die beklagte HUK 24 AG auf die gesetzmäßige Schadensregulierung hin. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die von ihr vorgenommenen Kürzungen rechtswidrig waren und in der vorgenommenen Form nicht von der Rechtsordnung hingenommen werden können. Insbesondere gefällt die Begründung zu den Nebenkosten. Entscheidend sind die Gesamtkosten des Sachverständigen. Hält ein durchschnittlicher, wirtschaftlich denkender Geschädigter diese für angemessen und zweckmäßig, so sind sie aus der Ex-ante-Sicht des Geschädigten auch erforderlich im Sinne des § 249 BB. Wie die einzelnen Positionen der Rechnung zusammengesetzt sind, ist für die Ex-ante-Sicht unerheblich. Deshalb ist auch die Rechtsprechung des LG Saarbrücken, die einzelne Nebenkosten im einzelnen auf ihre angebliche Überhöhung überprüft, als absolute Mindermeinung, die lediglich auf den begrenzten regionalen Markt (vgl. LG Saarbrücken Urt. v. 19.12.2014 – 13 S 41/13 – Seite 5, Punkt 4b) Anwendung finden kann, zu betrachten. Lest selbst das Urteil aus Pforzheim und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Mt freundlichen Grüßen
Willi Wacker
Aktenzeichen: 4 C 133/14
Amtsgericht Pforzheim
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
Deutsche Anwaltliche Verrechnungsstelle AG, vertr. d. d. Vorstand …, Köln
– Klägerin –
Prozessbevollmächtigte: R. Rechtsanwalts-GmbH in K.
g e g e n
HUK 24 AG, vertr. d. d. Vorstand, dieser vertr. d. d. Vorsitzenden, in Coburg
– Beklagte –
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt B. M. aus K.
wegen Schadensersatzes
hat das Amtsgericht Pforzheim durch den Richter am AG Dr. G. am 19.2.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:
Urteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 97,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.4.2014 zu bezahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 97,13 € festgesetzt.
Tatbestand:
(entfällt gemäß § 313 Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist auch begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch aus abgetretenem Recht auf Zahlung weiterer Sachverständigenkosten in Höhe von 97,13 € als Schadensersatz gemäß §§ 7, 17, 18 STVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 249 ff, 398, 823 ff BGB aufgrund des Verkehrsunfalls am 19.4.2013 in Pforzheim.
Die Haftung dem Grunde nach steht zwischen den Parteien außer Streit.
Soweit die Beklagte die Abtretung bestreitet, ist dieses Bestreiten im Hinblick auf den vorgelegten Abtretungsvertrag unsubstantiiert. Im Übrigen ist die Beklagte mit dem Einwand der fehlenden Aktivlegitimation schon deshalb ausgeschlossen, weil sie einen Teilbetrag der Sachverständigenkosten in Höhe von 292 € unstreitig an die Klägerin gezahlt hat (§ 242 BGB, venire contra factum proprium).
Zur Überzeugung des Gerichts stellen die vom Sachverständigen H. am 27.4.2013 für die Erstellung eines außergerichtlichen Haftpflichtgutachtens in Rechnung gestellten 389,13 € den erforderlichen Aufwand zur Schadensbehebung dar.
Für die Bemessung der Vergütung des Sachverständigen ist gemäß § 632 II BGB die übliche maßgeblich, nachdem der Geschädigte mit dem Sachverständigen H. keine Preisabsprache getroffen hat und eine Taxe nicht besteht.
Nach dem überzeugenden und im Einzenen nachvollziehbaren und in sich schlüssigen Gutachten des Sachverständigen Dipl-Ing. R. K., dem das Gericht folgt, bewegen sich die Gesamtkosten für das Gutachten 54,– € über dem regionalen Gesamtkostenschnitt und 59,– € unter dem Höchstwert der regionalen Gesamtkosten. Die in Rechnung gestellten Gesamtkosten liegen um 17,— € über dem Korridorwert, bei dem zwischen 50 und 60 % der BVSK-Mitglieder abrechnen. Nach Überzeugung des Gerichts unterliegt es damit keinem Zweifel, dass sich die abgerechneten Gesamtkosten für das streitgegenständliche Gutachten noch in einer Bandbreite bewegen, in der ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten Aufwendungen zur zweckmäßigen und angemessenen Schadensbehebung machen würde.
Soweit die abgerechneten Gesamtkosten ca. 98,– € über den Werten der Gesprächsergebnisse BVSK-HUK-COBURG/Bruderhilfe liegen, ändert dies nichts an der Überzeugung des Gerichts. Denn die Ergebnisse stammen aus dem Jahr 2009 und sind damit für die streitgegenständliche Sachverständigenrechnung aus dem Jahr 2013 aufgrund Zeitablaufs nur von untergeordneter Relevanz.
Entgegen der Auffassung der Beklagten bedeutet Pauschalierung nicht, dass alles pauschaliert wird, auch die Nebenkosten. Soweit einzelne Nebenkosten ausweislich des Gutachtens aus dem regionalen Rahmen herausfallen, bewegen sich diese Abweichungen noch in dem Rahmen, in dem das Gesamthonorar ortsüblich und angemessen ist. Soweit andere Sachverständige bestimmte Positionen überhaupt nicht anrechnen (Büromaterial) oder nur ein Sachverständiger Kosten extra berechnet (EDV), kann – nachdem solche Kosten zweifellos anfllen – davon ausgegangen werden, dass dieser Betrag in der Pauschale des Grundhonorars enthalten ist. Auch soweit die abgerechneten Kosten höher sind als im regionalen Vergleich (Schreibgebühren + 11,10 €, Fahrtkosten + -,10 € pro gefahrener km) beruht die unterschiedliche Abrechnung möglicherweise auf einer abweichenden Kalkulation im Verhältnis Grundhonorar : Abrechnung Nebenkosten oder einer anderen Kostenstruktur des Sachverständigen. Maßgeblich ist jdoch nach Auffassung des Gerichts, ob die Gesamtkosten sich noch im üblichen Gsamtrahmen bewegen.
Soweit die Beklagte den Anfall und die Höhe der Nebenkosten bestreitet, ist dieses Bestreiten, was den Anfall dieser Kosten betrifft, offensichtlich teilweise falsch (Schreibgebühren, Lichtbilder) und im übrigen unsubstantiiert.
Nachdem die Beklagte am 15.5.2013 auf die Sachverständigenkosten 292,– € bezahlt hat, sind noch (389,13 € abzüglich 292,– € =) 97,13 € offen.
Die Entscheidung hinsichtlich der Zinsen beruht auf §§ 291, 288 BGB. Rechtshängigkeit ist am 11.4.2014 eingetreten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO, die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen. Denn der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erforderlich, § 511 IV ZPO. Die Entscheidung fußt auf einem Einzelfall, bei dem mittels Sachverständigenbeweis geklärt wurde, ob die Vergütung angemessen und ortsüblich ist.
Rechtsbehelfsbelehrung:
(von der Veröffentlichung der Rechtsbehelfsbelehrung haben wir Abstand genommen).
Dr. G., Richter am Amtsgericht.
Und nun bitte Eure Kommentare.
Sorry,
bis auf die Argumentation zu den Nebenkosten halte ich die Entscheidung für ein Schrotturteil. Gebühren, Üblichkeit, Angemessenheit und ein Honorargutachten im Schadensersatzprozess ist so was von daneben.
Diese Formulierung halte ich übrigens auch für unzutreffend:
„Deshalb ist auch die Rechtsprechung des LG Saarbrücken, die einzelne Nebenkosten im einzelnen auf ihre angebliche Überhöhung überprüft, als absolute Mindermeinung, die lediglich auf den begrenzten regionalen Markt (vgl. LG Saarbrücken Urt. v. 19.12.2014 – 13 S 41/13 – Seite 5, Punkt 4b) Anwendung finden kann, zu betrachten.“
Auch im begrenzten regionalen Markt des LG Saarbrücken gilt das Schadensersatzrecht. Und damit ist auch im begrenzten Markt des LG Saarbrücken beim Schadensersatzprozess jegliche Kürzung unzulässig, sofern der Geschädigten ex-ante keine Überhöhung feststellen konnte.