Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
von Saarbrücken geht es weiter nach Pirmasens. Nachstehend veröffentlichen wir für Euch hier eine Entscheidung der jungen Richterin der 5. Zivilabteilung des Amtsgerichts Pirmasens zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht. Zutreffend bezieht sie sich auf die Grundsatzurteile des BGH zu den Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall, nämlich BGH VI ZR 67/06 (= BGH NJW 2007, 1540 = DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann) und BGH VI ZR 225/13 (= BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90). Lest selbst das Urteil des AG Prirmasens und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker
Aktenzeichen:
5 C 417/14
Amtsgericht
Pirmasens
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
in dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
…
– Beklagter –
wegen Forderung aus Dienstleistungsvertrag
hat das Amtsgericht Pirmasens durch die Richterin K. am 18.12.2014 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die-Klägerin 137,66 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.10.2014 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Abfassung eines Tatbestandes wird nach § 313a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist mit Ausnahme eines Teils der Zinsforderung begründet.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein restlicher Zahlungsanspruch in Höhe von 137,66 € gemäß § 7 StVG i. V. m. § 398 BGB zu.
Nach § 7 StVG ist der Halter eines Kraftfahrzeuges verpflichtet, einem anderen denjenigen Schaden zu ersetzen, der bei dem Betrieb des Kraftfahrzeuges entsteht.
1. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Dazu ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Haftung für den hier streitgegenständlichen Verkehrsunfall einzig und allein durch den Beklagten als Halter des unfallverursachenden Fahrzeuges übernehmen ist.
2. Der Geschädigte des Verkehrsunfalles hat seinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der Gutachterkosten an die Klägerin abgetreten gemäß § 39S BGB.
3. Der Geschädigte kann dabei im Rahmen eines Verkehrsunfalles diejenigen Aufwendungen für ein Sachverständigengutachten ersetzt verlangen, die zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren (§ 249II BGB).
a) Ob und in welchem Umfang Sachverständigenkosten notwendig und erforderlich sind, richtet sich danach, ob sie sich im Rahmen desjenigen halten, was ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Situation des Geschädigten für zweckmäßig halten darf (BGH, VersR 2007, 560 = DS 2007, 144). Grundsätzlich ist der Geschädigte dabei im Rahmen des ihm Zumutbaren und Möglichen gehalten, einen wirtschaftlichen Weg zur Schadensbeseitigung zu wählen. Umgekehrt wird aber von einem Geschädigten nicht verlangt, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (BGH, VersR 2014, 474 = DS 2014, 90 = NJW 2014, 1947 m. w. N.). Dies wird der besonderen Unfallsituation gerade nicht gerecht. Im Hinblick auf diese besondere Unfallsituation ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogens Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einfiussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGH VersR 2014, 474 m. w. N.).
Der Geschädigte ist grds. vor der Beauftragung eines Sachverständigen nicht verpflichtet, Marktforschung zu betreiben. Es ist ihm vielmehr im Normalfall gestattet, denjenigen Sachverständigen zu beauftragen, der für ihn in seiner konkreten Situation einfach erreichbar ist (vgl. OLG Naumburg, NJW-RR 2006, 1029; LG Zweibrücken, AZ 3 S 3/11). Da es dem Geschädigten im Bereich von Sachverständigengutachten in der Regel an Einsichtsnahmemöglichkeiten in allgemein anerkannte Preislisten fehlt, wird der durchschnittliche Geschädigte in der Regel von der Angemessenheit der abgerechneten Gutachterkosten ausgehen dürfen. Erst wenn auch für ihn als Laie erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar quasi willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, kann er auf Grund eines Verstoßes gegen seine Schadensminderungspflicht von dem Schädiger nicht mehr den Vollständigen Ausgleich seiner Aufwendungen verlangen.
b) Danach steht der Klägerin vorliegend ein Anspruch auf Ersatz restlicher Gutachterkosten in Höhe von 137,66 € zu. Das geltend gemachte Sachverständigenhonorar hält sich jedenfalls gerade noch im Rahmen des zur Begutachtung des geschädigten Fahrzeuges Erforderlichen. Anhaltspunkte dafür, dass dem Geschädigten ein Auswahlverschulden bzgl. der Klägerin zur Last gelegt werden könnte, oder dass die seitens der Klägerin geltend gemachte Vergütung in mehreren Punkten in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Schadenshöhe liegt, welches dem Geschädigten hätte ins Auge fallen müssen, bestehen nicht.
c) Eine Orientierung der Abrechnung an der Schadenshöhe ist unbedenklich (vgl. BGH VersR 2007, 560 m. w. N.). Eine solche an der Schadenshöhe orientierte Pauschalierung trägt vielmehr dem Umstand Rechnung, dass das Honorar des Sachverständigen die Gegenleistung für die Feststellung des wirtschaftlichen Wertes der Forderung des Geschädigten ist.
d) Das Gericht legt seiner nach § 287 ZPO vorzunehmenden Schadensschätzung die von dem BVSK vorgenommene Mitgliederbefragung zu Grunde und orientiert sich insofern an dem Honorarkorridor, in dessen Rahmen 50 – 60 % der BVSK-Mitglieder ihr Honorar berechnen. Dem Gericht erscheint es dabei nunmehr gerechtfertigt, sich nicht nur hinsichtlich der Grundvergütung, sondern auch hinsichtlich der Nebenkosten an der Gebührentabelle des BVSK zu orientieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Tabelle als „Gesamtkonzept“ zu verstehen ist. Sie enthält einerseits die typischerweise im Rahmen eines Sachverständigengutachtens anfallenden Kosten. Andererseits wird aus der Auflistung von Nebenkosten aber auch deutlich, dass diese gerade Üblicherweise noch zusätzlich zu dem ebenfalls geltend gemachten Grundhonorar anfallen und gerade nicht von diesem abgedeckt werden sollen. Dazu hat er auch das OLG Saarbrücken in einer neueren Entscheidung geltend gemacht, dass eine Kappung der Sachverständige … geltend gemachten Nebenkosten auf einen Pauschalbetrag von 100 € nicht in Betracht kommt (vergleiche OLG Saarbrücken, AZ 4 U 61/13).
e) Die Gegenüberstellung der seitens der Klägerin geltend gemachten Vergütungsansprüche mit der BVSK-Befragung belegt, dass sich die klägerseits geltend gemachten Ansprüche wenn auch im oberen Bereich, so aber doch noch im Rahmen des Erforderlichen halten.
Es ergibt sich unter Berücksichtigung des Wiederbeschaffungswertes des Fahrzeuges von 1.800,00 € folgende Gegenüberstellung:
Honorar der Klägerin Honorar nach BVSK
Grundhonorar 369,00 € 333,00 – 370,00 €
Fahrtkosten je km 1,15 € 0,92-1,16 €
Fotokosten je Foto 2,55 € 2,21-2,55 €
Fotokosten zweiter Sat z1,65 € 1,32-1,67 €
Schreibkosten je Seite 2,85 € 2,46-2,86 €
Schreibkosten je Kopie 1,40 € 1,11 -1,43€
Porto, Fax, Telefon 18,15 € 14,48-18,17€
Restwertanfragen 20,00 €
f) Die Klägerin kann gegenüber dem Beklagten nicht lediglich ein Grundhonorar, sondern daneben auch verschiedene Nebenkosten geltend machen. Aus der seitens von dem Berufsverband der Sachverständigen durchgeführten Befragung und der dortigen Preistabellen ergibt sich klar und eindeutig, dass es gerade üblich ist, neben dem Grundhonorar weitere Kosten in Rechnung zu stellen. Die gesamte, übliche Höhe des Sachverständigenhonorars ergibt sich dabei erst aus einem Zusammenspiel dieser Grund- und Nebenkosten. Das Grundhonorar deckt dabei nur die Arbeitsausführung des Sachverständigen an sich ab, wohingegen die weiter anfallenden Beträge über die Nebenkosten abgedeckt werden.
Der Klägerin sind dabei die geltend gemachten Fahrtkosten für insgesamt 44 km zu erstatten. Zwar hat der Beklagte bestritten, dass Fahrtkosten angefallen und erforderlich gewesen sind. Dabei handelt es sich jedoch um ein rein pauschales Bestreiten, Umgekehrt hat die Klägerin angegeben und ergibt sich auch aus dem erstellten Gutachten, dass eine Besichtigung des Fahrzeuges in Hauenstein erfolgte. Auch unter Berücksichtigung der dazu am nächsten gelegenen Niederlassung der Klägerin in Pirmasens sind aber für die Hin- und Rückfahrt insgesamt Fahrtkosten für 44 km absolut nachvollziehbar. Hinzu kommt im Übrigen, dass auch ausweislich des erstellten Gutachtens das Fährzeug des Geschädigten zwar fahrtüchtig, jedoch nicht verkehrssicher war, dieser also mit seinem Fahrzeug nicht umgekehrt eine Niederlassung der Klägerin aufsuchen konnte.
Bezüglich der geltend gemachten Fotokosten verkennt das Gericht nicht, dass sich die hier seitens der Klägerin abgerechnete Höhe durchaus nicht unerheblich über demjenigen Betrag befindet, welcher von einer durchschnittlichen Person üblicherweise in einem Fotogeschäft gezahlt werden müsste. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass die Klägerin aufgrund ihres Berufes gerade darauf angewiesen ist, besonders hochwertige Fotografien anzufertigen und dazu auch entsprechend hochwertiges Material benötigt. Insofern erscheinen die geltend gemachten Beträge auch unter Berücksichtigung der BVSK-Honorarbefragung gerade noch angemessen. Ausweislich des Gutachtens ergibt sich darüber hinaus, dass die Klägerin irn Rahmen des streitgegenständlichen Falles insgesamt 5 Fotografien angefertigt hat. Auch das Erfordernis eines 2, Fotosatz ist durchaus verständlich und rechtfertigt sich daraus, dass das fragliche Gutachten häufig nicht nur dem Unfallgeschädigten, sondern darüber hinaus weiteren Personen zur Verfügung gestellt werden muss.
Bezüglich der seitens der Klägerin abgerechneten Kopierkosten ist ebenfalls nachvollziehbar und verständlich, dass insofern verschiedene Durchschläge des Gutachtens erforderlich sind. Das Gutachten muss nicht nur dem Unfallgeschädigten, sondern in der Regel auch dem Unfallgegner, der gegnerischen Versicherung sowie häufig auch einem Rechtsanwalt zur Verfügung gestellt werden.
Zinsen waren der Klägerin erst ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit zuzugestehen gemäß §§ 288, 291 ZPO. Ein früherer Schutzanspruch, etwa unter dem Gesichtspunkt des Verzuges, ist nicht ersichtlich.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92II Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Richterin hat sich nicht auf BGH VI ZR 357/13 und auch nicht auf LG Saarbrücken – Berufungskammer-Rechtsprechung gestützt, sondern auf die Grundsatzurteile des BGH VI ZR 67/06 und VI ZR 225/13. Was mit allerdings nicht gefällt, ist die Preiskontrolle durch das Gericht. Daran ändert auch nicht, dass die Richterin diese Konrolle im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO vorgenommen hat. Bei der Schätzung nach § 287 ZPO kann höchstens der Gesamtbetrag, nicht jedoch einzelne Rechnungspositionen der Höhe nach geschätzt werden. Hier liegt ein gewaltiger Fehler des Urteils.
@Friederich R.
Es führen viele Wege nach Rom und nicht alle gefallen jedem Reisenden. Da sind – was dieses Urteil angeht – in den Entscheidungsgründen jedoch eine ganze Reihe wertvoller Hinweise abgreifbar, die der Beklagtenseite kaum willkommen sein dürften. So heißt es doch unter 3 f):
„Die Klägerin kann gegenüber dem Beklagten nicht lediglich ein Grundhonorar, sondern daneben auch verschiedene Nebenkosten geltend machen. Aus der seitens von dem Berufsverband der Sachverständigen durchgeführten Befragung und der dortigen Preistabellen ergibt sich klar und eindeutig, dass es gerade üblich ist, neben dem Grundhonorar weitere Kosten in Rechnung zu stellen. Die gesamte, übliche Höhe des Sachverständigenhonorars ergibt sich dabei erst aus einem Zusammenspiel dieser Grund- und Nebenkosten. Das Grundhonorar deckt dabei nur die Arbeitsausführung des Sachverständigen an sich ab, wohingegen die weiter anfallenden Beträge über die Nebenkosten abgedeckt werden.“
Andereseits ist auch in den Entscheidungsgründen dieses Urteils das Phänomen zu beobachten, dass zunächst der schadenersatzrechtlich maßgebliche Beurteilungsansatz sauber aufgelistet wird und dann plötzlich ein krasser Schwenk in Richtung werkvertraglich vermeintlich zu erörtender Kriterien erfolgt.
Der richtige und wichtige Überlegungsansatz
„Im Hinblick auf diese besondere Unfallsituation ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogens Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einfiussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGH VersR 2014, 474 m. w. N.)“
wird dadurch wieder entwertet, wie es aber auch bei einer Vielzahl anderer Urteile zu beobachten ist.
Die Sequenz: Kein Auswahlverschulden –Keine Verpflichtung und Möglichkeit zu einer Markrecherche — kein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht — Bedeutung der subjektbezogenen Schadensbetrachtung erfordert keine Beschäftigung mit der Berechtigung der Abrechnungshöhe von Einzelpositionen und ebensowenig eine vergleichende Bezugnahme auf werkvertraglich konstruierte ausgelegte Fußangeln eintrittspflichtiger Haftpflichtversicherungen. Der Auslöser für einen evtl. Verstoß gegen die Schadengeringhaltungspflicht liegt in jedem Fall aus der zu beachtende ex ante Position des Unfallopfers in ganz anderen Grenzbereichen, wie vereinzelt angesprochen und so z.B. abgestellt auf die
Sittenwidrigkeit und Wuchergrenze oder auch nur auf das Doppelte des abgerechneten Honorars.Das sollte deutlich zum Ausdruck kommen. Dabei sollte nicht übersehen werden, dass es dabei nicht um die ex post Sichtweise einer kürzendenVersicherung geht und auch nicht um die möglicherweise im Vergleich größere Sichtweite des Gerichts, weil dazu der BGH gut nachvollziehbar und ausreichend deutlich dargelegt hat, warum eine (solche) Überprüfung nicht veranlaßt ist und auch nicht mit der Bezugnahme auf § 287 ZPO erklärt werden könnte, denn da steht von vermeintlichen Erfordernissen einer Schätzung nichts drin.
Mit freundlichen Grüßen
BORIS jun.