Mit Urteil vom 13.09.2010 (12 C 131/10) hat das AG Rheinberg die HDI Direkt Versicherungs AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1.97,74 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht legt den Normaltarif der Schwacke-Liste zugrunde und lehnt die Anwendung der Fraunhofer Tabelle ab.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist auf Grundlage einer Schätzung des Gerichtes überwiegend begründet, § 287 ZPO.
Dem Grunde nach schuldet die Beklagte vollen Schadensersatz. Darüber streiten die Parteien nicht, und ebenso wenig über die Berechtigung einer ausfallbedingten Anmietung eines Ersatzwagens für den in Rede stehenden Zeitraum vom 10.10.2009 bis zum 30.10.2009.
Streitig sind aber die Angemessenheit der Kosten einer Ersatzanmietung, der Zustellung und Abholung des Fahrzeuges, der Zusatzkosten für die Nutzungsberechtigung eines Zweitfahrers und des Zuschlages von 20 % auf den von Klägerseite behaupteten Normaltarif. Ferner verlangt die Beklagte den Abzug einer Eigenersparnis von 10 %, da ein klassengeleiches Fahrzeug angemietet worden sei. Dieser Abzug wird auch von der Klägerin im Klageverfahren nicht mehr bestritten, sondern von dieser ausdrücklich vorgenommen (vgl. Berechnung BI. 13 d.A.).
Die Klägerin kann als Geschädigte nur den marktüblichen Anmietpreis ersetzt erhalten. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowie der überwiegenden Rechtsprechung auch der Instanzgerichte, der das Gericht in vollem Umfang folgt, kann ein Geschädigter Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Dabei ist der Geschädigte nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des Zumutbaren von mehren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (vgl. zuletzt BGH zfs, 260 ff. und VersR 2010, 545 ff.). Ausgehend hiervon sind daher zunächst die Mietwagenkosten auf der Grundlage sog. Normaltarife, d.h. den Tarifen für Selbstzahler in dem Gebiet des Geschädigten unzweifelhaft als ersatzfähig anzusehen (vgl. BGH NJW 2005, 1041 f.). Das Gericht ist der Ansicht, dass zur Ermittlung dieser Kosten das arithmetische Mittel des Normaltarifs nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel des betreffenden Jahres für das jeweilige Postleitzahlengebiet des Geschädigten bzw. des Anmietortes einen geeigneten Anknüpfungspunkt darstellt (so auch BGH NJW 2006, 2693 ff.; VersR 2007, 1286; zuletzt zfs 2010, 260 ff. und VersR 2010, 545 ff.).
Soweit die Beklagte meint, dass die Schwacke-Liste keine geeignete Schätzungsgrundlage sei und auf eigene Internet-Recherchen und auf die Erhebung des Fraunhofer-Instituts verweist, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Das Gericht ist der Ansicht, dass die Schwacke-Listen geeignete Schätzungsgrundlagen im Hinblick auf den sog. Normaltarif sind, wobei dieses auch vom Bundegerichtshof mehrfach bestätigt wurde (vgl. zuletzt BGH Urteile v. 02.02.2010, VI ZR 7/09 und v. 19.01.2010, VI ZR 112/09 sowie BGH NJW 2008). Der von der Beklagten vorgebrachte Verweis auf die eigene Internetrecherche mit günstgeren Tarifen in den einzelnen Fällen verfängt nach Ansicht des Gerichts schon deshalb nicht, als es sich um derzeitige Internet-Angebote handelt und auch hier ein Sondermarkt vorliegt, der nicht ohne weiteres die Tarife des allgemeinen reg;onalen Mietwagenmarktes wiedergibt (so auch BGH Urteil vom 02 02.2010, VI ZR 7/09). Soweit die Beklagte auf den Mietpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008 des Fraunhofer-Institutes verweist, wonach sich niedrigere Mietwagenpreise ergeben im Verhältnis zur Schwacke-Liste, vermag das Gericht hieraus nicht eine Ungeeignetheit der Schwacke-Liste als Schätzgrundlage erkennen. Die Fraunhofer-Liste beruht im wesentlichen auf Anfragen per Telefon und Internet. Internetangebote sind nach Auffassung des Gerichts für die Ermittlung des Normaltarifes im regionalen Mietwagenmarkt nicht geeignet. Demgegenüber lässt die Schwacke-Liste Internetangebote unberücksichtigt. Auch die stärkere Unterteilung der Postleitzahlengebiete in der Schwacke-Liste führt zu einer höheren örtlichen Genauigkeit im Vergleich zur Fraunhofer-Liste. Durch die Beklagtenseite wurden keine konkreten Mängel der Schwacke-Liste aufgezeigt, die die Schwacke-Liste als Schätzgrundlage erschüttern. Insbesondere hält das Gericht die Fraunhofer-Liste aufgrund der vorgenannten Gründe als Schatzgrundlage für nicht geeignet.
Das Gericht geht hinsichtlich der Schadenschätzung bzgl. der Mietwagenkosten mithin im vorliegenden Fall von den Normaltarifen der Schwacke-Liste 2009 und zwar vom arithmetischen Mittel aus. Einen Auszug aus der Schwacke-Liste Automietpreisspiegel 2009 hat die Klägerin zur Gerichtsakte gereicht. Auf den so für den Postleitzahlenbereich des Geschädigten bzw. der Anmietstation ermittelten Normaltarif der Schwacke-Liste ist ein pauschaler Aufschlag in Höhe von 20 % nach Ansicht des Gerichts gerechtfertigt. Die Anmietung erfolgte im vorliegenden Fall am Unfalltag. Das Fahrzeug war nicht mehr fahrbereit, die Klägerin, die das Fahrzeug auch zur Ausübung ihres Gewerbes, einer Gastwirtschaft, benötigte, war auf ein Fahrzeug sofort angewiesen. Die Geschädigte war insbesondere in dieser Situation nicht zu einer Marktforschung verpflichtet. Die Beklagte kann der Klägerin keine mangelnde Markterkundigung entgegenhalten. Bei einer Orientierung an den Normalpreisen (nicht: Unfallersatztarifen) einer auch obergerichtlich vielfach akzeptierten Schätzungsgrundlage sind insoweit Fehlverhaltensvorwürfe im übrigen nicht als berechtigt feststellbar. Dass der Klägerin ein günstiger Tarif an Ort und Stelle zugänglich gewesen ist, ist außerdem nicht ausreichend dargelegt. Wenn die Beklagte dazu vortragt, dass heute und auch damals die Anmietung zu den von der Beklagtenseite aufgeführten Internet-Preisen möglich gewesen sei, so ist hierauf zu entgegnen, dass solche Intemetpreise in der hier gegebenen Situation eben nicht maßgeblich sein können. Einen pauschalen Aufschlag von 20 % auf den Normaltarif der Schwacke-Liste hält das Gericht unter Zugrundelegung der obergerichtlichen Rechtsprechung dann für gerechtfertigt, wenn unfallspezifische Leistungen bei der Vermietung allgemein den Mehrpreis rechtfertigen (zuletzt BGH in zfs 2010, 260 ff und VersR 2010, 545 ff). Hier sind derartige unfallspezifische Kostenfaktoren von der Klägerin vorgetragen. So hat die Klägerin substantiiert vorgetragen, dass keine Kautions- oder eine andere Sicherheitsleistung vorgenommen werden musste. die genaue Anmietdauer zunächst wegen der unbekannten tatsächlichen Reparaturdauer offen bleiben konnte, eine Kilometerbeschränkung nicht erfolgte und eine Vorreservierung nicht vorgenommen werden musste. Demzufolge ist der Zuschlag von 20 % auf den Normaltarif im arithmetischen Mittel der Schwacke-Liste 2009 im vorliegenden Fall gerechtfertigt.
Bei der vorzunehmenden Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten gemäß § 287 ZPO sind auch die Kosten für eine Haftungsfreistellung zu berücksichtigen. Dieses sogar dann, wenn für das verunfallte Fahrzeug – anders als im vorliegenden Fall – keine Vollkaskoversicherung besteht (vgl. BGH NJW 2005, 1041; NJW 2005, 360) Die Kosten der Haftungsfreistellung, also einer Vollkaskoversicherung, setzt die Klägerin mit brutto 151,40 € gemäß Schwacke-Liste 2009 pro Woche an, ohne dass die Beklagte abweichende Einzelpreise angegeben hätte. Das Gericht hält dafür, dass die Klägerin als Geschädigte die Kosten einer Vollkaskoversicherung für das Mietfahrzeug von der Beklagten ersetzt verlangen kann. Eine solche vermindert das Risiko des Schädigers, der für mögliche weitere diesbezügliche Folgeschäden dann nicht in Anspruch genommen werden wird, und es entlastet die Klägerin als Geschädigte verstandigerweise von dem Risiko der Beschädigung eines weiteren Fahrzeuges, welches Risiko sie ohne den Unfall nicht zu tragen hätte.
Die Klägerin kann auch die Kosten der Zustellung und Abholung verlangen. Unstreitig ist, dass das Fahrzeug der Klägerin nicht mehr fahrbereit war. Demzufolge durfte die Klägerin, die durch den Unfall nicht mehr über ein fahrbereites Fahrzeug verfügte, auch den Service des Mietwagenunternrehmens zur Zustellung und Abholung des Mietfahrzeuges in Anspruch nehmen. Hier wirkt sich für die Beklagte auch nicht nachteilig aus, dass das Mietwagenunternehmen sich in erheblicher Entfernung zum Reparaturort und auch zum Wohnort der Beklagten befindet, da die Klägerin im Klageverfahren das arithmetische Mittel der Zustell- und Abstellkosten des Postleit-zahlengebietes ihres Wohnortes der Schwacke-Liste 2009 angesetzt hat.
Diese Kosten hält das Gericht im Rahmen der vorzunehmenden Schätzung nach § 287 ZPO nach Schwacke-Liste für erstattungsfähig.
Auch kann die Klägerin Ersatz für die Kosten der Nutzungsmöglichkeit durch einen zweiten Fahrer in Ansatz bringen. Es handelt sich nicht um einen mittelbaren Schaden. Als Eigentümerin eines Fahrzeuges ist die Klägerin dazu berechtigt, das Fahrzeug auch dritten Personen zu überlassen, insbesondere dann, wenn auch zuvor das verunfa’lte Fahrzeug von einer weiteren Person genutzt werden durfte Dieses wurde hier substantiiert vorgetragen. Die Nutzung durch eine weitere Person ist vor dem Hintergrund der Nutzung des Fahrzeuges auch im Rahmen des Gewerbebetriebes verständlich. Demzufolge hält das Gericht die Kosten für die Nutzungsmöglichkeit durch einen 2 Fahrer ersatzfähig. Diese Kosten hält das Gericht Im Rahmen der vorzunehmenden Schätzung nach § 287 ZPO nach Schwacke-Liste für erstattungsfähig.
Abzusetzen ist eine Eigenersparnis von 10 % auf den angesetzten Normaltarif, da die Klägerin ein klassengleiches Fahrzeug angemietet hat. Diesen Abzug hat die Klägerin im Klageverfahren auch vorgenommen.
Unter Berücksichtigung der Fahrzeugklasse 5 für das geschädigte Fahrzeug und dem berechneten Mietwagen sind nach der im Auszug von der Klägerseite vorgelegten Schwacke-Liste 2009 – der Unfall fand im Jahr 2009 statt – für 3 Wochen bei dem Postleitzahlengebiet der Klägerin als Geschädigter „472″ pro Woche im arithmetischen Mittel brutto 529,00 €, also brutto 1.587,00 € für 3 Wochen, zuzüglich 20 % Aufschlag auf den Normaltarif, also brutto 317,40 €. und abzüglich 10 % Eigenersparnis vom Normaltarif, also brutto 158,70 €, mithin brutto 1.745,70 € anzusetzen. Hinzu kommt die Haftungsfreistellung gemäß Schwacke-Liste im arithmetischen Mittel von brutto 151,40 € pro Woche, also bei 3 Wochen brutto 454.20 €, sowie die Zustell- und Abholkosten gemäß Schwacke-Liste im arithmetischen Mittel zu je brutto 24,46 €, also brutto 48,92 €, sowie die Kosten für den zweiten Fahrer gemäß Schwacke-Liste im arithmetischen Mittel pro Tag von brutto 15,31 €, also brutto 321,51 € Insgesamt ergibt sich ein berechtigter Mietwagenkostenersatz von brutto 2.570,33 €. Da die Klägerin vorsteuerabzugsberechtigt ist, ist die Mehrwertsteuer abzusetzen, so dass ein Nettobetrag von 2.159,94 € verbleibt. Abzüglich der von der Beklagten bereits erfolgten Zahlung von 962,20 € verbleibt ein restlicher Anspruch der Klägerin von 1.197,74 €. Insoweit ist die Klage begründet, im übrigen unbegründet.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Soweit das AG Rheinberg.