Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
zum Wochenanfang veröffentlichen wir für Euch hier ein Urteil aus Rosenheim zur Schadenregulierung, Wertminderung und zu den Sachverständigenkosten gegen die Aachen Münchener Versicherung AG in Nürnberg. Die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung hatte unter der Behauptung, das vorgerichtliche Sachverständigengutachten des vom Geschädigten beauftragten Sachverständigen sei nicht brauchbar, die Erstattung der berechneten Sachverständigenkosten verweigert. Dem widersprach der erkennende Amtsrichter aber entschieden. Nicht nachvollziehbar ist die Begründung zur Wertminderung. Wenn es sich um einen offenbarungspflichtigen Unfallschaden handelt, so entsteht praktisch immer ein merkantiler Minderwert, da unfallreparierte Fahrzeuge auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu geringeren Preisen gehandelt werden als nicht verunfallte. Dieser Makel wird über die merkantile Wertminderung ausgeglichen. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, wie alt das Fahrzeug ist und wie viele Kilometer das Fahrzeug gefahren ist. Insoweit begegnet das Urteil der Kritik. Lest aber selbst und gebt bitte Eure Meinung bekannt.
Viele Grüße und eine schöne Woche
Willi Wacker
Amtsgericht Rosenheim
Az.: 15 C 1445/14
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
1) …
– Beklagter –
2) Aachen Münchener Versicherungs AG, vertreten durch d. Vorstand Michael Westkamp, Äußere Sulzbacher Straße 116, 90491 Nürnberg
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Rosenheim durch den Richter am Amtsgericht (weiterer aufsichtführender Richter) T. am 19.09.2014 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 08.09.2014 folgendes
Endurteil
I. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an die Klägerin 96,57 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.01.2012 zu bezahlen.
II. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Sachverständigen N. , zu dessen Gutachterrechnung … vom 20.12.2011, 652,83 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.01.2012 zu bezahlen.
III. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an die Klagepartei weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe 74,25 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.03.2014 zu bezahlen.
IV. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
V. Von den Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten des Beweissicherungsverfahrens mit dem Aktenzeichen 15 H 175/2, tragen die Klägerin 58 % und die Beklagten samtverbindlich 42 %.
VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe 120 % des auf Grund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vorder Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.787,80 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin macht restliche Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am xx.12.2011 an der Einmündung Staatsstraße bzw. Kreisstraße RO 29 in die RO 19 ereignet hat. Der Beklagte zu 1) war mit dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten PKW RO – … auf den Pkw der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen RO – … aufgefahren.
Die Alleinhaftung der Beklagten ist unstreitig.
Der Streit der Parteien geht um restliche Reparaturkosten, Wertminderung und die Kosten des von der Klägerin vorprozessual beauftragten Sachverständigen.
Die Klägerin behauptet, dass durch den Anstoß ihr Pkw nicht nur an der hinteren Stoßstange, sondern auch an der hinteren Heckklappe beschädigt wurde, wodurch insgesamt Reparaturkosten in Höhe von 1.905,65 € netto entstanden seien.
Für die vorprozessuale Einschaltung des Sachverständigen N. wurden von diesem Gutachterkosten in Höhe von 652,83 € in Rechnung gestellt.
Darüber hinaus sei auf Grund der Reparaturmaßnahmen am Pkw der Klägerin in technischer wie merkantiler Hinsicht eine Wertminderung von 200,00 € eingetreten.
Aus einem Gesamtgegenstandswert von 2.758,51 € seien vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe 316,18 € entstanden.
Vorprozessual hat die Beklagte zu 2) auf die geltend gemachten Reparaturkosten einen Betrag von 970,71 € und auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten einen Betrag in Höhe von 155,30 € bezahlt.
Die Klägerin beantragt:
I. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an die Klägerin 1.134,97 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit 28.01.2012 zu bezahlen.
II. Die Beklagten werden verurteilt, samtverbindlich an den Sachverständigen N. , zu dessen Gutachterrechnung … vom 20.12.2011, 652,83 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit 28.01.2012 zu bezahlen.
III. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an die Klagepartei vorgerichtliche Kosten in Höhe von 160,88 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Klagezustellung zu bezahlen.
IV. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, einschließlich des Beweissicherungsverfahrens, Aktenzeichen Amtsgericht Rosenheim 15 H 175/12.
Die Beklagten beantragen:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagten tragen vor, dass sich die angemessenen Reparaturkosten für das klägerische Fahrzeug lediglich auf € 970.71 belaufen würden. Insbesondere sei eine Beschädigung an der Heckklappe des klägerischen Fahrzeuges nicht durch das Beklagtenfahrzeug verursacht worden. Nach einer Reparatur des klägerischen Fahrzeuges würde auf Grund der geringfügigen Reparaturarbeiten an der hinteren Stoßstange keine Wertminderung von 200,00 € verbleiben.
Die von der Klägerin beanspruchten Sachenverständigenkosten seien nicht erstattungsfähig, da das Gutachten für eine Regulierung unbrauchbar sei.
Die Durchführung eines selbständigen Beweissicherungsverfahren sei nicht erforderlich gewesen, da die Klägerung der Beweisfragen auch im Klageverfahren hätte erfolgen können.
Zu den weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze der Prozeßbevollmächtigten samt Anlagen Bezug genommen.
Ausdrücklich erfolgt die Bezugnahme insbesondere auf das von der Klägerin vorgelegte, vorprozessual erholte Gutachten des Sachverständigen N. vom 20.12.2011 samt Gutachterrechnung (Anlage K 1 / K 2) und das vorprozessual seitens der Beklagten eingeholte Gutachten des Sachverständigen J. vom 18.01.2012 (Anlage B 1).
Im vorangegangenen selbständigen Beweissicherungsverfahren mit dem Az: 15 H 175/12 wurde zum Reparaturumfang und einem möglichen merkantilen Minderwert mit Beschluss vom 14.06.2012 ein schriftliches Sachverständigengutachten erholt ( Bl. 61/63 15 H 175/12 ).
Insoweit wird auf das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. P. vom 15.11.2012 Bezug genommen (Bl. 79/101, Az.: 15 H 175/12).
Der Sachverständige P. hat sein Gutachten in der mündlichen Verhandlung vom 08.09.2014 weiter erläutert. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 08.09.2014 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
I. Die Klägerin hat gegenüber den Beklagten gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG aus dem gegenständlichen Unfallgeschehen vom 13.12.2011 einen weiteren Anspruch auf Ersatz von Reparaturkosten in Höhe 96,57 €.
Nach den schlüssigen und überzeugend erläuterten Ausführungen des Sachverständigen P. ist am klägerischen Pkw ein unfallbedingter Reparaturaufwand in Höhe von 1.067,28 € entstanden. Da dem Gutachter eine Gegenüberstellung der unfallbeteiligten Fahrzeuge nicht mehr möglich war, konnte aus technischer Sicht der von der Klägerin geltend gemachte Schaden an der Heckklappe nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden. Die vom Sachverständigen P. in seinem Gutachten vom 15.11.2012 als angemessen erachteten Reparaturkosten in Höhe von 1.187,28 € netto waren um die Position „Heckklappenunterkante – Smart-Repair“, wie in seiner Anhörung am 08.09.2014 nachvollziehbar erläutert, in Höhe von 120,00 € netto zu reduzieren.
Unter Berücksichtigung der vorprozessualen Bezahlung der Beklagten zu 2) in Höhe von 970,71 € ist die Klage daher in soweit in Höhe von 96,57 € begründet.
II. Die Klägerin kann auf Grund des an ihrem Pkw entstandenen Reparaturanfalls keinen merkantilen Minderwert beanspruchen.
Unter einem ersatzfähigen merkantilen Minderwert versteht man die Minderung des Verkehrswertes, die ein erheblich unfallbeschädigter Pkw mit Rücksicht darauf erleidet, dass ein potentieller Käufer vernünftigerweise wegen der Gefahr des Vorhandenseins verborgen gebliebener Unfallschäden nicht bereit ist, denjenigen Preis zu zahlen, der für das Fahrzeug ohne Unfall gerechtfertigt gewesen wäre. Es handelt sich also um eine Schätzung, die nicht generell, sondern nur auf Grund des einzelnen Falles zu beurteilen ist, wobei neben der Art und Erheblichkeit der Beschädigung, das Alter und die Laufleistung eines Fahrzeuges, die Zahl seiner Vorbesitzer, etwaiige Vorschäden und ähnliches eine Rolle spielen.
Zum Zeitpunkt der Begutachtung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen P. am 15.10.2012 wies der Pkw Opel Astra Caravan der Klägerin, mit einer Motorleistung von 74 kw, einem Hubraum von 1.686 ccm und einer Erstzulassung am 18.05.2008, eine Laufleistung von 90.342 km auf. Der Pflege- und Erhaltungszustand wurde vom Gutachter als „sehr gut“ bezeichnet. Aus gutachterlicher Sicht war der hintere Stoßfänger zu erneuern, einschließlich des Stoßfängerträgers und auch eine lackschadenfreie Instandsetzung der Heckklappe sei notwendig, unabhängig davon, ob diese Beschädigung dem gegenständlichen Unfallereignis zugeordnet werden könne oder nicht.
Der Sachverständige hat in der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens in überzeugender Weise dargelegt, dass eine Demontage und Wiederanbringung der Stoßstange zu keinem Minderwert des Fahrzeugs führt. Die Befestigung der Stoßstange erfolgt mit einer überschaubaren Anzahl von Befestigungsmaterialien.
Auf Grund dieses Beschädigungs- und Reparaturumfanges sowie dem Alter und der Laufleistung des Fahrzeuges kommt aus Sicht des Gerichts kein merkantiler Minderwert in Betracht, zumal auch die Beschädigung der Heckklappe nicht zweifelsfrei dem Unfallgeschehen zugeordnet werden konnte.
III. Die von der Klägerin geltend gemachten Sachverständigenkosten in Höhe von 652,83 € stellen eine nach § 249 BGB ersatzfähige Schadensposition dar.
Auch nach den Bekundungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen P. waren die Feststellungen des vorprozessual eingeschalteten Sachverständigen N. durchaus brauchbar.
Der Sachverständige ist darüber hinaus kein Erfüllungsgehilfe des Unfallgeschädigten. Von einer, auch aus Laiensicht erkennbaren Unbrauchbarkeit des Gutachtens kann eindeutig nicht ausgegangen werden.
IV. Der unstreitige Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 280, 286, 288 Abs. 2, 247 BGB Gemäß den §§ 280, 286 BGB hat die Klägerin aus einem Gegenstandswert von 1.720,11 € einen Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 229,55 €. Unter Berücksichtigung der vorprozessualen Zahlung der Beklagten zu 2) in Höhe von 155,30 € ist insoweit der Anspruch der Klägerin in Höhe von 74,25 € bedründet.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
VI. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.