Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
zum beginnenden Wochenende veröffentlichen wir für Euch hier ein positives Urteil aus Rosenheim zu den Sachverständigenkosten gegen die HUK-COBURG. Was mich grundsätzlich stört, ist der Hinweis des OLG München auf den „Service aus einer Hand“, der langsam bei den Amtsgerichten ankommt. So gut die Entscheidung des OLG Mnchen bezüglich der Nichtanwendbarkeit des JVEG ist, so unglücklich ist diese Entscheidung hinsichtlich des „Services aus einer Hand“. Schadensrechtlich macht es keinen Unterschied, ob der Geschädigte seinen Rechtsanwalt fragt, welcher Sachverständige kompetent genug ist, sein verunfalltes Fahrzeug zu begutachten. Gleichgültig ist es auch, ob die Werkstatt einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen empfiehlt oder die Empfehlung von Tante Emma kommt. Es dürfte auch zulässig sein, wenn der Rechtsanwalt dem Geschädigten als seinem Mandanten empfieht, diesen oder jenen qualifizierten Gutachter zu wählen, weil bei diesem eine absolute Unabhängigkeit gewährleistet ist, während dies bei anderen nicht der Fall ist. Es spielt meines Erachtens auch keine Rolle, wie oft dies bei anderen Fällen geschieht, da der Geschädigte die Zusammenhänge nicht kennt. Darüber hinaus profitiert der Geschädigte durch die Empfehlung von Fachleuten durch Fachleute. Soll etwa durch solche spitzfindige Formulierungen durch die Gerichte eine professionelle Betreuung der Geschädigten verhindert werden? Der Verdacht beschleicht mich schon. Will man damit den Versicherern – wie bei der JVEG-Affäre – wieder in die Hände spielen? Auch diese Möglichkeit ist denkbar, denn der OLG München-Beschluss bezüglich des JVEG war für die Versicherer in Bayern niederschmetternd. Die gewünschte Reduzierung der Sachverständigenkosten im Unfallschadensgeschäft auf unterirdische Beträge a la JVEG hätte Millionen gespart. Es pfeift also in Bayern nicht mehr das JVEG durch die Gerichtsflure. Andererseits wird der „Service aus einer Hand“, der schon seit vielen Jahren exzessiv von den Versicherern betrieben wird, z.B. beim aktiven Schadensmanagmement und bei den Partnerwerkstattsystem, unberücksichtigt gelassen. Diese teilweise mafiosen Strukturen im Rahmen eines Quasi-Unfallhelferringes – zum Nachteil der Geschädigten – interessieren aber die Richter offensichtlich nicht? Lest selbst und gebt bitte anschließend Eure sachlichen Kommentare ab.
Mit freundlichen Grüßen und ein schönes Wochenende
Willi Wacker
Amtsgericht Rosenheim
Az.: 8 C 1009/15
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
HUK-Coburg, Bahnhofsplatz 1, 96444 Coburg
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Rosenheim durch die Richterin am Amtsgericht C. am 15.06.2015 auf Grund des Sachstands vom 15.06.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 126,12 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.02.2015 zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 126,12 € festgesetzt.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die zulässige Klage erwies sich als begründet.
Die Parteien streiten über restliche Sachverständigenkosten aus einem Verkehrsunfallgeschehen vom 06.12.14, wobei die Einstandspflicht der Beklagten unstreitig ist. Die Beklagte wendet überhöhte Sachverständigenkosten ein.
Bislang war bereits in der überwiegenden Rechtsprechung anerkannt, dass dem Geschädigten selbst bzgl. überhöhter Vergütungen nur ein Auswahlverschulden oder die Evidenz der Überhöhung entgegen gehalten werden konnte. Dies hat der BGH in seiner neuesten Entscheidung vom 11.02.2014 Az. VI ZR 225/13, NJW-Spezial 2014, 169 nunmehr bestätigt.
Der Geschädigte darf davon ausgehen, dass der in Rechnung gestellte Betrag grundsätzlich der zur Schadensbeseitigung erforderliche im Sinne des § 249 BGB ist. Dies bildet zudem ein wesentliches Indiz für die Schätzung des Tatrichters.
In dem vom BGH zu entscheidenden Fall ergaben sich bei einem Gesamthonorar von EUR 534,55 und einem Grundhonorar von EUR 266,00 keine Einwände des BGH gegen die Abrechnung. Die bloße Abweichung der Nebenkosten von der BVSK-Tabelle genügen hierfür nicht. Weitere Gründe für eine Überhöhung sind im Ergebnis nicht dargelegt, zumindest ist nicht ersichtlich, inwieweit dies dem Kläger evident hätte sein müssen.
Hiergegen spricht auch der geringe Betrag, um den die Parteien streiten. Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger grundsätzlich nicht zu einer Marktforschung verpflichtet ist. Soweit sich mangels anderweitiger Erkenntnisse nicht aufdrängt, dass hier ein überhöhtes Honorar verlangt wird, wobei nicht klar ist, was der Vergleichsmaßstab schlussendlich sein soll, war der Klage stattzugeben.
Insbesondere führt das Argument der Beklagten, dass hier ein „Service aus einer Hand“ stattgefunden habe durch Vermittlung des Sachverständigen durch den Rechtsanwalt nicht zu einer anderen Sichtweise. Zu Recht zitiert die Beklagtenseite den Beschluss des OLG München, Az. 10 U 579/15. Konsequenterweise muss aber auch berücksichtigt werden, dass das OLG München den Nachweis einer auffälligen Indizienkette verlangt, die darauf hinweist, dass in diesen Fällen der Sachverständige regelmäßig nicht vom Geschädigten ausgewählt wurde. Es bedarf eines Verweises auf mehrere vergleichbare Fälle, in denen wegen der Kombination aus einer bestimmten Werkstätte, eines bestimmten Rechtsanwalts, eines bestimmten Sachverständigen bzw. bestimmter gleicher Geschehensabläufe diese Indizienkette besteht. Dies ist hier nicht geschehen. Auf rechtlichen Hinweis des Gerichts vom 28.05.15 erfolgte beklagtenseits keine Reaktion. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Klagepartei die Beauftragung/Vermittlung durch den Rechtsanwalt bestritten hat und dass es nicht ausreichend ist auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen Beauftragung des Rechtsanwalts und Auftragserteilung an den Gutachter abzustellen. Die Beklagte ist insoweit beweisfällig geblieben.
Somit ist es auch unbeachtlich, dass die Beklagtenpartei die einzelnen Kostenpositionen für überhöht erachtet. Mag im Zeitalter von Flatrates die Kosten gesunken sein, so bleibt doch der Charakter einer Pauschale derjenige, dass sie pauschal erhoben wird, egal ob im Einzelfall überhaupt tatsächlich telefoniert werden musste oder nicht.
Das pauschale Bestreiten der angefallenen Fahrtkosten ist zivilprozessual ohnehin unbeachtlich. Insbesondere ist eine Entfernung von 11 km nicht so weit, dass man verlangen könnte einen nähergelegenen Sachverständigen zu beauftragen.
Gem. § 287 BGB geht das Gericht daher davon aus, dass die beanstandeten Kosten allesamt erforderlich im Sinne des § 249 BGB waren. Der Kläger ist auch nicht gehalten zum billigsten Anbieter und Sachverständigen auf dem Markt zu gehen. Auch ein preisgehobener Sachverständiger ist grundsätzlich nach § 249 BGB ersatzfähig.
Da mangels Marktforschung Obliegenheit des Klägers von vornherein nie klar ist, auf welchen Sachverständigen man stößt, ist vorliegend weder von einem Auswahlverschulden noch von einer evidenten Überhöhung der Kosten auszugehen, die Klage war daher in der Hauptsache zuzusprechen.
Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Hallo, W.W.,
selbst wenn es einen solchen „Service aus einer Hand“ geben sollte, besagt dies doch nichts über die Erstattungsverpflichtung entstandener Gutachterkosten, denn Rechtsanwälte und Werkstätten können vorher auch nicht wissen, was im konkreten Fall ein Gutachten kosten würde. Das ist absoluter Quatsch.
Sie können aber ggf. das Anliegen der Versicherungen unterstützen, dass der Geschädigte nicht einem Wald-und Wiesensachverständigen in die Hände fällt, denn damit ist den Versicherungen auch nicht gedient. Oder ist denen das etwa egal ?
Wer deshalb glaubt, mit diesem Begriff Terrain gewinnen zu können, hat den Vorgang nicht bis zum Ende durchdacht und den Richtern des OLG München sei ein Ausflug auf den Gipfel der Zugspitze empfohlen, denn von dort oben sieht man lebensnah und praxisorientiert mehr und vielleicht kommt dann macher auch zur Erkenntnis, dass man die Kirche im Dorf lassen sollte angesichts der praktischen Erfahrung, dass dir auch Damen und Herren im Richteramt erwartungsgemäß wie ganz normale Menschen begegnen, wenn sie einen Verkehrsunfall haben und…. von der HUK-Coburg auch genau so behandelt werden, womit ich u.a. die rechtswidrige Kürzung der entstandenen Gutachterkosten meine. Da macht zumindest diese Versicherung in ihrer Raffgier und in ihrem rechtswidrigen Verhalten keinen Unterschied. Auch deshalb muss man u.a. das Urteil des AG Essen-Steele täglich neu in Erinnerung bringen, weil es ansonsten „versandet“. Ich werde mit den sieben Zwergen danach handeln und bitte die Redaktion von captain-huk.de im Zusammenhang mit Urteilen gegen die HUK-Coburg-Vers. auch, denn nur so werden die Umrisse wünschenswert schärfer.- Was ist ergänzend die Meinung der Diskutanten ?
Herzlichst
Euer Schneewittchen