Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
zum Wochenbeginn veröffentlichen wir hier für Euch ein Urteil aus Rosenheim zu den Sachverständigenkosten und zur Unkostenpauschale gegen die VHV Versicherung. In diesem Fall war es die VHV Versicherung in Hannover, die neben den berechneten Sachverständigenkosten gleich auch noch die allgemeine Unkostenpauschale kürzte. Da hat sie allerdings die Kürzungsrechnung ohne das örtlich zuständige Amtsgericht Rosenheim gemacht. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung im OLG Bezirk München wurden die restlichen 5,–€ zugesprochen. Ebenso zutreffend hat das erkennende Gericht auch die gekürzten Sachverständigenkosten zugesprochen, dabei allerdings unter Bezugnahme auf die BGH-Rechtsprechung. Nur bei einer erheblich überhöhten Honorarforderung entfällt die Indizwirkung der Erforderlichkeit. Das steht in der Darlegungs- und Beweislast des Schädigers. Er muss beweisen, dass der Geschädigte die deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegenden Sachverständigenkosten erkennen konnte (vgl. BGH VI ZR 225/13 Rdnr. 8). Allerdings trifft den Geschädigten keine Erkundigungspflicht nach dem kostengünstigsten Sachverständigen (vgl. BGH VI ZR 67/06). Insofern konnte in dem Rechtsstreit, der dem nachfolgend dargestellten Urteil zugrunde lag, die beklagte VHV nicht den Beweis führen. Insoweit war ohnehin ihr Vortrag unerheblich, da er das bererechtigte und schlüssige Vorbringen der Klageseite nicht zu Fall bringen konnte. Lest selbst die Entscheidung des AG Rosenheim vom 12.10.2015 und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche
Willi Wacker
Amtsgericht Rosenheim
Az.: 15 C 1296/15
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
… ,
– Klägerin –
gegen
VHV Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand, VHV-Platz 1, 30177 Hannover,
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Rosenheim durch die Richterin … am 12.10.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 222,35 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.02.2015 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 222,35 € festgesetzt.
Tatbestand
Von der Wiedergabe des Tatbestands wird gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, nachdem das Urteil einem Rechtsmittel offensichtlich einem Rechtsmittel nicht zugänglich ist.
Entscheldungsgründe
A.
Die Klage ist zulässig und in der Hauptforderung umfassend begründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, 823, 249 Abs. 2, 250 BGB, 3 PflVG in voller Höhe zu.
I.
Es besteht ein Anspruch auf Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 217,35 €. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach zu 100 % besteht. Die streitgegenständlichen Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs als erforderlich und zweckmäßig anzusehen ist.
Dies ist grundsätzlich für die Beauftragung eines Sachverständigen anerkannt, die erforderliche Kostenhöhe wird durch die Rechnungshöhe indiziert. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Rechnung bereits bezahlt wurde oder noch nicht, da dies oft nur eine Frage des Zeitablaufs ist.
Bislang war bereits in der überwiegenden Rechtsprechung anerkannt, dass dem Geschädigten bezüglich überhöhter Vergütungen ein Auswahlverschulden oder die Evidenz der Überhöhung entgegengehalten werden konnten. Dies hat der BGH aber mit den neuesten Entscheidungen vom 11.02.2014 (VI ZR 225/13) am 22.07.2014 (VI ZR 357/13) bestätigt, sowie das OLG München in seinem Hinweisbeschluss von Anfang des Jahres. Danach ist der Beklagte zu einer Recherche nach einem Sachverständigen mit einem günstigen Honorarangebot nicht verpflichtet. Dem Kläger muss auch nicht das Ergebnis der Umfrage bei den Mitgliedern des Sachverständigenverbandes über die Höhe der üblichen Honorare bekannt sein. Nach der subjektiven Schadensbetrachtung kann der Schädiger dem Geschädigten nur entgegenhalten, dieser habe gegen seine Pflicht zur Schadensminderung aus § 254 Abs. 2 BGB verstoßen, indem er bei der Schadensbeseitigung Maßnahmen unterlassen habe, die ein ordentlicher und verständiger Mensch als Schadensminderung ergriffen hätte. Nur wenn der Geschädigte hätte erkennen können, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen.
Soweit die Beklagte vorträgt, solche Umstände seien mit der Beauftragung eines Sachverständigen in Waldkraiburg gegeben, wenn die Besichtigung in Steinhöring erfolgte, so konnte dies durch die Klagepartei entkräftet werden. Die Besichtigung erfolgte nicht in Steinhöring, sondern in Gars, sodass eine einfache Fahrtstecke von 20 km anfiel, diese Kilometer wurden auch nur angesetzt und berechnet. Damit handelt es sich um einen im näheren Umkreis befindlichen Sachverständigen, die Klägerin hat nicht gegen ihre Schadensminderungspflicht bei der Begutachtung verstoßen.
Die weiteren von der Beklagtenpartei vorgetragenen Umstände hinsichtlich der Überhöhung von Nebenforderungen und des Honorarbetrags greifen deswegen nicht durch, weil sie erst anhand der Kostenrechnung der Beklagten erkennbar wurde. Mit der Kostenrechnung ist ein Anspruch jedoch bereits entstanden. Gemäß der BGH-Rechtsprechung (Urteil v. 11.02.2014, VI ZR 225/13) muss für den Geschädigten völ Beauftragung des Sachverständigen die Überhöhung dessen Honorarsätze erkennbar sein.
Auch im Einzelnen greifen die Eiwendungen nicht durch. Die Hauptforderung des Sachverständigen bewegen sich im Korridor V der BVSK-Befragung, dies kann als die übliche Sachverständigenbezahlung zugrunde gelegt werden (KG, Urteil v. 30.04.2015, 22 U 31/14). Die BVSK-Befragung beruht auf einer groß angelegten, bundesweiten Befragung der Sachverständigen nach ihren Honoraren, sodass sie einer Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO als objektiver Maßstab dienen kann.
Hinsichtlich der Nebenforderungen ist auszuführen, dass eine deutliche Überhöhung nicht zu erkennen ist. Ein Gutachten kann immer auch mündlich erteilt werden, das ist auch an den gerichtlich eingeholten Gutachten zu erkennen. Dass für eine schriftliche Niederlegung eines Gutachtens höhere Kosten anfallen, ist nachvollziehbar, die Beklagte als die Versicherung wird sich aber mit einem mündlichen Gutachten nicht zufrieden gegeben haben. Auch was die übrigen Nebenkosten angeht, bewegen sich diese im BVSK-V-Korridor, sodass diese als üblich zu schätzen sind, § 287 ZPO. Überdies waren sie vorher, auch nach Beklagtenvortrag für die Klägerin nicht als überhöht zu erkennen, sodass nach der neuen BGH-Rechtsprechung die Einwendungen der Beklagten nicht durchgreifen.
II.
Als Unkostenpauschale wird im OLG-Bezirk München ein Betrag von 25,- € grundsätzlich als angemessen geschätzt, § 287 ZPO, als Ausgleich für die angefallenen Telefon-, Porto-, Fahrtkosten und Ähnliches im Rahmen der durch die Versicherungsnehmerin der Beklagten verursachten besonderen, aufwendigen Umständen des Unfalls. Damit besteht ein weitergehender Anspruch auf 5,- € der Klagepartei.
III.
Grundsätzlich besteht ein Zahlungsanspruch erst nach erfolgloser Fristsetzung des Anspruchsinhabers, §§ 249, 250 BGB. Dieser wandelt sich erst in einen Zahlungsanspruch um, wenn dem Anspruchsgegner erfolglos eine Frist zur Zahlung gesetzt wurde. Das Setzen einer solchen Frist ist entbehrlich, wenn die Zahlung endgültig verweigert wurde (BGH, NJW 2004, 1868; 12, 1573). Hier wurde eine Zahlungsfrist gesetzt, die erfolglos abgelaufen ist. Würde diese als zu kurz angesehen, so ist jedenfalls im Klageabweisungsantrag eine endgültige Zahlungsverweigerung zu sehen, sodass ein Anspruch auf Zahlung statt auf Freistellung zuzusprechen ist.
B.
Nebenkosten sind in Form von Zinsen erst ab dem 19.02.2015 zuzusprechen. Erst ab dem Anspruchsschreiben des Geschädigten ist für die Versicherung erkennbar, welchen Betrag sie zu bezahlen haben. Ab dann läuft die Prüffrist, die in der Regel mit vier bis sechs Wochen anzusetzen ist. Selbst wenn man hier eine 4-wöchige Prüfungsfrist ansetzt, läuft diese erst ab Versendung des Anspruchsschreibens, das per E-Mail versendet wurde, sodass der Fristlauf mit gleichem Tag am 21.01.2015 beginnt. Die Zinsforderung ist ab dem 19.02.2015 begründet gemäß §§ 286, 288 BGB.
C.
Die Kostenenscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708, 713 ZPO.