Mit Urteil vom 15.01.2010 (43 C 131/09) hat das AG Rostock die HDI Industrie Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 580,91 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht erachtet die Schwacke-Liste als geeignete Schätzungsgrundlage gem. § 287 ZPO.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat als Zedent einer sicherungsabgetretenen Forderung ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, als gewillkürter Prozessstandschafter diesen Rechtsstreit zu führen.
Die Klage ist teilweise begründet.
Die Beklagte hat als Unfalleinstandspflichtige nach § 249 II 1 BGB als Herstellungsaufwandersatz diejenigen Mietwagenkosten zu erstatten, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Klägers für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Dabei hat der Geschädigte sich nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen.
Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann.
Die Mietwagenkosten sind dabei grundsätzlich objektiv erforderlich, soweit der Rechnungsbetrag dem sog. Normaltarif entspricht. Der Normaltarif kann dabei auf der Grundlage von Listen geschätzt werden, solange nicht mit konkreten Tatsachen Mängel der betreffenden Schätzgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken. Dabei ist das Gericht nicht an die Listenwerte gebunden, sondern kann diese als Ausgangspunkt seiner Betrachtungen wählen und Korrekturen vornehmen, wobei bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit grundsätzlich das Preisniveau an dem Ort maßgebend ist, an dem das Fahrzeug angemietet oder übernommen wurde. Im Falle der Anmietung über mehr als eine Woche ist fernerhin der eintretende Spareffekt zu Gunsten des Mieters zu berücksichtigen, denn in den Tagespreisen sind Aufwendungen kalkuliert, die bei langfristiger Anmietung bereits mit der Miete für den ersten Teilabschnitt abgegolten sind. Insoweit steht es dem Tatrichter frei, den Normaltarif für den eine Woche übersteigenden Zeitraum nach Tagespreisen, nach anteiligen Wochenpreisen oder 3-Tages-Preisen zu bestimmen.
Zuzüglich zum Normaltarif kann eine Erhöhung wegen unfallspezifischer Kostenfaktoren gerechtfertigt sein. Das ist dann der Fall, wenn diese Besonderheiten auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst sind. Mit Blick auf die subjektbezogene Schadensbetrachtung können auch nicht durch unfallspezifische Kostenfaktoren Erhöhungen gerechtfertigt sein.
Auf den objektiv erforderlichen Betrag kommt es dann nicht an, wenn dem Geschädigten unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten ein wesentlich günstigerer als der tatsächlich gewählte Tarif in der konkreten Situation nicht zugänglich war. Dabei muss ein wirtschaftlich denkender Geschädigter nach der Höhe des Tarifes fragen und sich bei Zweifeln an der Angemessenheit nach günstigeren Tarifen erkundigen. Der objektiv erforderliche Betrag kann auch dann offen bleiben, wenn dem Geschädigten in der konkreten Situation ein günstigerer Normaltarif ohne weiteres zugänglich war. Mit der Vereinbarung des teueren Tarifes verstieß er dann gegen die Schadensminderungspflicht nach § 254 II BGB.
Auf Grundlage der vorstehenden Erwägungen steht dem Kläger ein über die objektiv erforderlichen Kosten hinausgehender Ersatzanspruch nicht zu.
Er bleibt für seine Behauptung, ein wesentlich günstigerer als der tatsächlich gewählte Tarif sei in der konkreten Situation nicht zugänglich gewesen, darlegungs- und beweisfällig. Er trägt lediglich abstrakt und pauschal vor, im Vorfeld der streitgegenständlichen Anmietung drei am Ort ansässige Vermieter kontaktiert zu haben, ohne dass dies zu einer günstigeren Anmietung geführt hätte. Dabei bleibt der Kläger schon jedweden Vortrag zu den konkreten Anfragedaten schuldig. Es stellt sich auch die Frage, warum der Kläger nicht bei überörtlich agierenden Vermietern Nachfrage hielt. Hierauf wäre er zwar dann nicht zu verweisen, so er dringlich auf die Reparatur des geschädigten Fahrzeuges und der dementsprechenden raschen Anmietung eines Mietfahrzeuges angewiesen gewesen wäre. Vorliegend liegen zwischen Unfall und Reparaturbeginn allerdings immerhin 22 Tage. Auch unter Berücksichtigung von Weihnachts- und Silvestertagen ist es für das Gericht nicht nachvollziehbar, dass insbesondere in den Tagen unmittelbar nach dem Unfall keine weitere Nachfragemöglichkeit bestanden haben soll. Dar-überhinaus bietet der Kläger für seine Pauschalbehauptung keinen Beweis an.
Der Kläger kann auch nicht den über den sogenannten Normaltarif übersteigenden durch die besondere Unfallsituation veranlassten 20%-igen Aufschlag, den die Zessionarin vornahm, verlangen. Allein die Angabe, er habe nicht in Vorleistung treten wollen, entbindet ihn hiervon nicht. Maßstab ist insoweit der durchschnittlich wirtschaftlich vernünftig denkende Mensch, wobei individuelle Befindlichkeiten oder rechtsirrige Annahmen keine Berücksichtigung finden. Ein wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch würde zur Vermeidung eines 20%-igen Nettoaufschlages auf den Mietpreis eigene Vorleistung ernsthaft überdenken und nicht pauschal mit der Überlegung ablehnen, man sei schuldlos in den Unfall verwickelt worden. Nach Ansicht des Gerichts greift diese Überlegung erst recht für einen – wie hier – in seinem Gewerbebetrieb zu kaufmännischen Überlegungen angehaltenen Kläger.
Nach alledem stand dem Kläger gegen die Beklagte ursprünglich ein Zahlungsanspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten in Höhe von 1.369,91 € zu, der sich infolge der unstreitigen Zahlungen der beklagten Partei in Höhe von 528,45 € und 260,55 € auf 580,91 € reduziert .
Das Gericht hat den vorgenannten objektiv erforderlichen Mietpreis unter Zugrundelegung des gewichteten Mittels des Normaltarifes des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ im Postleitzahlengebiet 181 aus dem Jahre 2003 gemäß § 287 ZPO angesetzt.
Sowohl in Literatur als auch in Rechtsprechung werden Bedenken gegen die Anwendung des Schwacke-Mietpreisspiegels 2006 als auch gegen den Mietpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008 des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation angemeldet. Die Rechtsprechung ist uneinheitlich. Hierzu wird beispielhaft auf die Ausführungen des Landgerichts Rostock in seiner Entscheidung vom 05.08.2009 (1 S 76/09 – mit vielen weiteren Hinweisen) Bezug genommen.
Das Gericht sieht vorliegend, dass das Mietfahrzeug im Januar 2007 angemietet wurde, also an sich vor der Gültigkeit des Marktpreisspiegels Mietwagen Deutschland 2008 des Fraunhofer-Instituts, wenngleich der Erhebungszeitraum auch das Jahr 2007 umfasst haben könnte. Gleichviel sieht das Gericht die signifikante Preissteigerung der Mieten im Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 gegenüber denjenigen des Jahres 2003, ohne dass dies sich – was gerichtsbekannt ist infolge diverser ehemals anhängiger Verfahren – im realen Mietpreisgeschäft widergespiegelt hätte.
Das Gericht hält deshalb für den hier zu beurteilenden Fall den Schwacke-Mietpreisspiegel 2003 als geeignete Schätzgrundlage (vgl. BGH vom 14.10.2008, VI ZR 308/07). Danach ergibt sich für die Mietwagengruppe „6-tr.“ ein Wochenpreis in Höhe von 843,00 € brutto (= 708,40 € netto) sowie ein 3-Tages-Preis in Höhe von 327,00 € brutto (= 274,79 € netto). Der so ermittelte Normaltarif in Höhe von 983,19 € netto war um 10% wegen ersparter Eigenwendungen zu kürzen, dann allerdings um einen inflationsbedingten Ausgleich, den das Gericht entsprechend den Angaben des Statistischen Bundesamtes mit 2% jährlich schätzt, zu addieren. Es ergibt sich damit ein Mietpreis für die Reparaturdauer in Höhe von 939,03 € (983,19 € – 10% = 884,77 € + 2% = 902,57 € + 2% = 920, 62 € + 2% = 939,03 €) . Hinzuzusetzen ist der unstreitige Betrag in Höhe von 16 0,00 € für die Anhängerkupplung sowie in Höhe von 206,88 € für die Haftungsbegrenzung. Da Anmietzeiträum im Winter war, eine allgemeine Winterreifenpflicht in der Bundesrepublik Deutschland nicht besteht, waren außerdem 64,00 € für die Winterbereifung anzusetzen. Insgesamt ergibt sich damit ein objektiv erforderlicher Mietpreis in Höhe von 1.369,91 € und damit unter Berücksichtigung der Zahlungen der beklagten Partei eine Restforderung in Höhe von 580,91 €.
Der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung des auf dem örtlich und zeitlich relevanten Marktes angesetzten Mietpreises bedarf es nicht. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass die von einem Sachverständigen anzuwendenden Erhebungsmethoden denen der Firma Eurotax Schwacke oder des Fraunhofer-Instituts überlegen wären. Einem gerichtlich bestellten Sachverständigen stünden keine Erkenntnismöglichkeiten offen, die eine bessere und realistischere Ermittlung der Mietwagenkosten zum Unfallzeitpunkt erwarten ließen. Die Ermittlung von Mietpreisen für einen vergangenen Zeitraum könnte ebenfalls nur durch eine Markterhebung in Form einer Befragung der im einschlägigen Postleitzahlenbereich ansässigen Mietwagenunternehmen erfolgen. Damit wären jedoch dieselben Fehlerquellen und Manipulationsmöglichkeiten eröffnet, aus denen die Parteien ihre jeweiligen Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Schwacke-Liste bzw. der Fraunhofer-Liste herleiten.
Die beklagte Partei hat mit Schreiben vom 01.04.2008 über die geleisteten Zahlungen hinausgehende endgültig abgelehnt, so dass unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 187 I BGB Verzug ab 02.04.2 008 eingetreten ist und der Kläger deshalb Zinsen in gemäß § 288 I BGB bestimmter Höhe verlangen darf.
Der Kläger darf außerdem vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 104,50 € verlangen. Die Beklagte ist dem Grunde nach unstreitig schadenersatzpflichtig. Dies umfasst auch die Kosten der vorgerichtlichen Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes, soweit das erforderlich ist, woran hier kein Zweifel besteht, da die beklagte Partei sich beharrlich weigerte, einen über den bereits geleisteten Betrag hinaus zu zahlen. Allerdings bemisst sich der Anspruch bis zu einem Streitwert in Höhe von 900,00 €, denn ausweislich hiesiger Verurteilung steht der klagenden Partei ein Betrag in Höhe von 580,91 € zu und die Inanspruchnahme des Rechtsanwaltes erfolgte vor der Beklagtenzahlung in Höhe von 260,55 €. Danach ergibt sich ein Nettobetrag unter Ansatz einer 1,3 Geschäftsgebühr von 84,50 €, zu der die Telekommunikations- und Postpauschale in Höhe von 20,00 € hinzuzusetzen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 I ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung war mangels grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit im Hinblick auf die durch den Bundesgerichtshof getroffene Entscheidung zur Anwendbarkeit des AMS 2003 (aaO.) nicht zuzulassen. Das Gericht brauchte auf die von ihm vorgenommene Anwendung des AMS 2003 nicht ausdrücklich hinzuweisen. Es handelt sich insoweit um eine im Rahmen des § 287 ZPO zu beantwortende Rechtsfrage; in der Anwendung der Schätzgrundlage ist der Tatrichter besonders freigestellt.
Soweit das AG Rostock.