Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
gleich nach der Entscheidung des AG Saarbrücken, die wir Euch heute Vormittag vorgestellt hatten, stellen wir Euch noch ein Urteil aus Saarbrücken zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die Generali Versicherung vor, deren Begründung wieder einmal zu wünschen läßt. Im Ergebnis ist das Urteil (fast) richtig, in der Begründung jedoch wieder mehr als bedenklich. So werden die Sachverständigenkosten wieder über § 249 Abs. 2 BGB gelöst, obwohl eine konkrete Rechnung vorgelegen hatte und selbst der BGH bei den Sachverständigenkosten von einem mit dem Unfall zusammenhängenden Vermögensnachteil ausgeht, der über § 249 I BGB auszugleichen ist (vgl. nur: BGH VI ZR 67/06; BGH VI ZR 491/15 Ls. 1; VI ZR 76/16 Ls. 1). Das Grundhonorar wurde im Rahmen der Schadenshöhenschätzung nach BVSK und die Nebenkosten nach JVEG „geprüft“, obwohl der BGH entschieden hatte, dass der Geschädigte die Ergebnisse der BVSK-Honorarbefragung nicht kennen muss (BGH VI ZR 225/13 Rd-Nr. 10) und die Grundsätze des JVEG auf Rechnungen der privaten Sachverständigen nicht übertragbar sind (BGH VI ZR 67/06). Die km-Kosten bei den Fahrtkosten werden höher als JVEG vorgenommen, dann erfolgt jedoch eine Kürzung der Fahrtkosten von sage und schreibe 1,40 Euro. Die Kürzung wird damit begründet, dass mehr als 25 km für eine Fahrt nicht angemessen seien bei der Plausibilitätsprüfung. Dass der Sachverständige eventuell eine Umleitung von 2 Kilometern auf dem Rückweg vornehmen musste, soll schadenmindernd zu berücksichtigen sein? Vor allem soll der Geschädigte bei der Beauftragung oder bei der Plausibilitätsprüfung bereits wissen, dass eine Umleitung möglicherweise besteht? Hätte er daher einen anderen Sachverständigen beauftragen sollen? Die Antwort ist eindeutig nein, denn bei einem Aktionsradius von 25 km ist eine Überschreitung von 1 km wohl unbeachtlich. Das alles sollte der Geschädigte natürlich ohne weiteres bei der Beauftragung (ex ante betrachtet) erkennen? Denn der ist nach der neueren Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des BGH dann wohl ein „Hellseher“? Mit den Grundsätzen des Schadensersatzrechts hat die vom Gericht vorgenommene Überprüfung der einzelnen Rechnungsposten nichts mehr zu tun. Aus dem Gesetz kann man den gesamten Schadenskürzungsmist auf alle Fälle nicht herleiten. Im Übrigen ist ein einmal eingetretener Schaden ohnehin nicht zu mindern. Bereits mit dem Crash ist der Schaden eingetreten, auch wenn er sich noch nicht beziffern läßt. Deshalb sind die Argumente bezüglich der Schadensminderung abwegig. Ein einmal eingetretener Schaden kann nicht gemindert werden. Völlig unverständlich ist zudem noch der Hinweis des Gerichts in den Urteilsgründen, dass die bezahlte Rechnung nun plötzlich auch keine Undizwirkung entwickeln soll? Was denn nun? Da wird selbst dem BGH der Unsinn mit der bezahlten Rechnung vorgeführt. Lest aber selbst das Urteil des AG Saarbrücken und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
121 C 552/16 (13) Verkündet am 28.04.2017
Amtsgericht Saarbrücken
U r t e i l
I m N a m e n d e s V o l k e s
In dem Rechtsstreit
…
Kläger
gegen
Generali Versicherung AG vert. durch d. Vorstand, Adenauerring 7, 81737 München
Beklagter
wegen Schadensersatz aus Verkehrsunfall, hier: Sachverständigenkosten
hat das Amtsgericht Saarbrücken ohne mündliche Verhandlung am 28.04.2017 im Verfahren gem. § 495a ZPO durch die Richterin am Amtsgericht L. für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 117,57 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.09.2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 119,24 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Tatbestand entfällt gemäß § 313a Abs. 1 ZPO.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist überwiegend, nämlich in Höhe von 117,57 €, begründet.
Der Kläger hat aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Sachversiändigenkosten in Höhe restlicher 117,57 € aus den §§7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG, 249 Abs. 2 BGB. Die grundsätzliche Haftung der Beklagten ist unstreitig. Zu den ersatzfähigen Kosten gehören auch diejenigen für ein Sachverständigengutachten, soweit dieses zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich ist (so Palandt/Heinrichs, 63. Aufl., § 249, Rdnr. 40).
Die vom Kläger angesetzte Höhe des Grundhonorares sowie die Pauschalen „EDV-Abrufgebühr“ und „Fahrzeugbewertung“ sind nicht zu beanstanden. Lediglich die Fahrtkosten waren um 1,40 € zu kürzen, da maximal 50 km abgerechnet werden können.
Zu erstatten sind die Kosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten als zweckmäßig und angemessen zur Schadensbeseitigung ansehen darf, dabei ist grundsätzlich auf seine spezieile Situation und seine Erkenntnismöglichkeiten Rücksicht zu nehmen (so BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az.: VI ZR 67/06). Grundsätzlich darf der Geschädigte dabei von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen (so LG Saarbrücken, Urteil vom 30.05.2008, Az. 13 S 20/08 und Urteil vom 21.02.2008, Az. 11 S 130/07). Erst wenn er erkennen kann, dass der Sachverständige das Honorar willkürlich festsetzt oder Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, oder der Geschädigte ein Auswahiverschufden zu vertreten hat oder offensichtliche Unrichtigkeiten der Begutachtung verschuldet oder der Honorarberechnung missachtet, mindert sich sein Erstattungsanspruch (so LG Saarbrücken, a.a.O.). Dem Geschädigten obliegt keine Erkundigungspflicht, er muss nicht mehrere Angebote einholen. Die Berechnung des Schadens kann nicht von rechtlichen Mängeln der zu seiner Beseitigung tatsächlich eingegangenen Verbindlichkeit, also zum Beispiel einer überhöhten Honorarrechnungen des Sachverständigen abhängig gemacht werden (so LG Saarbrücken, Urteil vom 21.02.2008, Az. 11 S 130/07).
Der erforderliche Geldbetrag wird aber nicht durch die Rechnung des Sachverständigen festgelegt, auch nicht, wenn der Geschädigte diese gezahlt hat. Allerdings ist der tatsächlich erbrachte Aufwand ein Indiz für die Bemessung des erforderlichen Betrages, jedoch ist der aufgewendete Betrag nicht zwingend identisch mit dem zu ersetzenden Schaden (so BGH, Urteil vom 22.07.2014, Aktenzeichen VI ZR 357/13), insbesondere dann nicht, wenn die Preise des Sachverständigen für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegen. Dann darf das Gericht den erforderlichen Betrag nach § 287 Abs. 1 ZPO schätzen.
Die Vergütung des Sachverständigen darf sich an der Schadenshöhe orientieren (so LG Saarbrücken, Urteil vom 25.09.2003, Az.: 2 S 219/02; Saarl. OLG, Urteil vom 22.072003, Az.: 3 U 438/02-46-; so nunmehr auch der BGH, Urteil vom 4.4.2006, NJW 2006, 2472; VersR 2006, 1131). Deshalb überschreitet ein Sachverständiger bei Routinegutachten den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum bei der Bemessung seines Honorars grundsätzlich nicht, wenn er dieses an der Schadenshöhe orientiert.
Das Gericht legt bei der Berechnung von Sachverständigenhonoraren die Urteile des LG Saarbrücken vom 19.12.2014, Az. 13 S 41/13 und des BGH vom 22.07.2014, Aktenzeichen VI ZR 357/13, zugrunde.
1.) Grundhonorar
Nach der vorstehend zitierten obergerichtiichen Rechtsprechung kann das Grundhonorar wie bisher entsprechend dem Honorarkorridor HB V der BVSK Honorarbefragung (hier 2015) geschätzt werden. Die vom Kläger angesetzte Grundgebühr in Höhe von 397 € hält sich in diesem Rahmen, wenn auch an der Obergrenze.
2.) Nebenkosten
Für die Nebenkosten bietet die BVSK Honorarbefragung aber keine taugliche Schätzungsgrundlage. Es ist deshalb auf die vom Landgericht Saarbrücken im Urteil vom 19.12.2014, Aktenzeichen 13 S 41/13 aufgestellten Grundsätze zurückzugreifen.
Zunächst gilt der Grundsatz, dass ein Sachverständiger zum Ausdruck bringt, dass seine Ingenieurtätigkeit mit dem Grundhonorar abgegolten sein soll, wenn er dies mit einem Pauschalbetrag abrechnet und zusätzlich bestimmte Nebenkosten beansprucht. Nebenkosten können dann nur in Höhe der entstandenen Aufwendungen berechnet werden.
Als Aufwendungen können Fahrtkosten, Kosten für das Schreiben, Drucken und Vervielfältigen des Gutachtens, Fotokosten, Porto-, Versand-und Telefonkosten sowie die EDV-Abrufgebühr und Kosten der EDV- Fahrzeugbewertung angesetzt werden. Diese sind erstattungsfähig, soweit sie erforderlich sind, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Maßgebend ist, ob ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch die Kosten als zweckmäßig und notwendig ansehen würde.
Der Geschädigte muss eine Plausibilitätskontrolle der berechneten Kosten durchführen, um zunächst zu einer eigenen Einschätzung zu kommen, ob die berechneten Nebenkosten angemessen sind. Zur Überprüfung der Angemessenheit im Rahmen des § 287 ZPO darf das Gericht nach dem Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 19.12.2014, Az. 13 S 41/13, auf den Rahmen zurückgreifen, den das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) für die Entschädigung von Sachverständigen vorgibt.
a) Fahrtkosten:
Für Fahrtkosten gilt dies allerdings nicht. Das Landgericht weist darauf hin, dass der Kilometersatz des § 8 Abs. 1 Nr. 2 i.Vm. § 5 JVEG von 0,30 € sich erkennbar an der steuerlichen Abzugsfähigkeit orientiert und nicht den tatsächlichen Kosten entspricht, die das Landgericht in seiner Ausgangsentscheidung mit 0,60 € pro Kilometer ermittelte. Erstattungsfähig ist daher ein Betrag von maximal 0,70 € pro Kilometer. Eine Überschreitung dieses Betrages ist erkennbar überhöht.
Unter Berücksichtigung der regionalen Sachverständigendichte ist dabei davon auszugehen, dass der Geschädigte unter Berücksichtigung seiner Schadensminderungspflicht in der Regel in einem Umkreis von 25 km einen fachkundigen Sachverständigen seines Vertrauen finden kann, so dass Fahrtkosten für eine Gesamtstrecke von über 50 km regelmäßig nicht mehr zu ersetzen sind (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 10.02.2012, Az.: 13 S 109/10).
b) EDV-Abrufgebühr und Fahrzeugbewertung
Auch die Kosten der EDV-Abrufgebühr und der EDV-Fahrzeugbewertung sind erstattungsfähig, jedenfalls soweit sie jeweils einen Betrag von 20,00 € nicht übersteigen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Kosten konkret anfielen. Das Gericht ist davon überzeugt, dass Kosten für EDV-Abruf und -Fahrzeugbewertung angefallen sind. Insoweit hat der Kläger Monatsabrechnungen der Fa. Audatex, welche die Fremdleistungen für den Kläger erbringt, für den Zeitraum, in welchem das Gutachten erstellt wurde, vorgelegt. Daraus ergibt sich zwar nicht die konkret geltend gemachte Höhe, allerdings geht daraus hervor, dass dem Kläger für diese Fremdleistungen monatliche Gebühren in Rechnung gestellt wurden. Dass der Kläger diese im konkreten Fall im Rahmen der Begutachtung tatsächlich in Anspruch genommen hat, ergibt sich bereits aus dem vom Kläger erstellen Gutachten selbst. Steht fest, dass der Kläger tatsächlich entsprechende Fremdleistungen in Anspruch genommen hat, kann die Abrechnung auch durch Pauschalen, deren Höhe hier nicht zu beanstanden ist, erfolgen.
3.)
Damit ist die Rechnung lediglich um 1,40 € betreffend die Fahrtkosten zu kürzen. Es ergibt sich mithin ein Gesamtvergütungsanspruch des Klägers in Höhe von 578,80 € netto zuzüglich 19% Mehrwertsteuer 109,97 €, mithin ein Gesamtanspruch in Höhe von 888,77 €. Hieraufhat die Beklagte bereits 571,20 € gezahlt, so dass ein weiterer Anspruch noch in Höhe von 117,57 € besteht.
Der Zinsanspruch folgt aus Verzug, §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Voilstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
@ Willi Wacker
Danke für diese neue Verdichtung der Feststellung, das der VI. Zivilsenat des BGH den § 287 ZPO zu Gunsten der Assekuranz irreführend zur Anwendung bringt und unkritische Untergerichte sich bundesweit dieser rechtswidrigen Auslegung zum Wahrung der eigenen Bequemlichkeit anschließen. Die so auch auf Semininaren verbreitete Beschwörung der Unfehlbarkeit des Herrn Wellner lässt den Samen der Unfallopferbenachteiligung aufgehen und die damit verbundene Prüfung, „was es bringt“, ist im Ergebnis auch nicht schlecht. Außerdem adelt Herr Wellner so auch die ihm hörige Schafherde, was die Selbstüberschätzung und Vernachlässigung des Amtseids angeht. Und dafür gibts auch noch Geld, das dem dummen Michel offiziell aus der Tasche gezogen wird. Zunächst war ich auf ein Seminar mit Herrn Wellner unsagbar neugierig. Dann aber habe ich mich gefragt, ob ich eine solche Verblödung finanziell noch stützen sollte. Ich habe die Höhe der Seminarkosten (Grundhonorar) und „Nebenkosten“ wie Anreise, Übernachtung, Verdienstausfall usw. dann gespendet für die Einrichtung „Stiftung, Hilfe mit Plan“ und da ist die Hilfe von insgesamt ca. 1.600,00 EURO sicher auch nötiger.
J.M.C.