Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
weil wir gerade saarländische (Un)Rechtsprechung darstellen, veröfffentlichen wir hier noch ein weiteres „Schrotturteil“ aus Saarbrücken zu den Sachverständigenkosten gegen die HUK. In diesem Fall war es das Amtsgericht Saarbrücken, das sich auf die kritisch zu betrachtende Rechtsprechung des LG Saarbrücken bezogen hat. Blindes Vertrauen auf die Rechtsprechung der Freymann-Kammer ist eben keine Rechtsprechung, die beachtet werden müsste. Es grenzt schon an Rechtsbeugung, wenn die ältere Rechtsprechung des OLG Saarbrücken zitiert wird, die neuere und damit aktuellere Rechtsprechung des Saarländischen OLG jedoch völlig ignoriert wird. Die aktuellere Rechtsprechung des OLG Saarbrücken setzt sich – zu Recht – bewußt mit der Rechtsprechung der Freymann-Kammer auseinander und lehnt eine JVEG-basierte Überprüfung der erforderlichen Sachverständigennebenkosten ab. Insofern hat offenbar die aktuelle OLG-Rechtsprechung nicht in das vom LG Saarbrücken gewünschte Konzept, dem auch der erkennende Amtsrichter H. vom Amtsgericht Saarbrücken folgt, gepasst? Auch insofern besteht der Verdacht der Rechtsbeugung, wenn aktuelle OLG-Rechtsprechung bewußt ignoriert wird. Mit diesem Urteil soll dann aber auch die kritisch zu betrachtende Rechtsprechung aus dem Saarland beendet sein. Es erscheint schon mehr als merkwürdig, dass ein LG nicht auf die Argumente des OLG eingeht. Mittlerweile besteht zu dem Thema der JVEG-basierten Überprüfung auch ein Beschluss des OLG München. Dann folgen blind einige Amtsrichter und -richterinnen saarländischer Amtsgerichte – Gott sei Dank nicht aller! – der Rechtsprechung des LG Saarbrücken, obwohl diese gegen die BGH-Rechtsprechung verstößt. Was denkt Ihr? Lest aber selbst dieses „Schrotturteil“ des AG Saarbrücken und gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
120 C 47/15 (05)
Amtsgericht Saarbrücken
T e i l u r t e i l
I m N a m e n d e s V o l k e s
In dem Rechtsstreit
…
Kläger
gegen
HUK Coburg Vers. AG vertr. d. d. Vorstand, Großherzog-Friedrich-Straße 40, 66111 Saarbrücken
wegen Schadensersatz aus Verkehrsunfall, hier: Sachverständigenkosten
hat das Amtsgericht Saarbrücken ohne mündliche Verhandlung am 29.04.2015 im Verfahren gem. § 495a ZPO durch den Richter am Amtsgericht H. für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 81,69 % nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.11.2014 zu zahlen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
3. Die Entscheidung im Übrigen bleibt vorbehalten.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist hinsichtlich der Sachverständigenkosten teilweise begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Sachverständigenkosten in Höhe restlicher 81,69 € aus den §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG, 249 Abs. 2 BGB. Die grundsätzliche Haftung der Beklagten ist unstreitig. Zu den ersatzfähigen Kosten gehören auch diejenigen für ein Sachverständigengutachten, soweit dieses zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich ist (Palandt/Heinrichs, 63. Aufl., § 249, Rdnr. 40).
Zu erstatten sind die Kosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten als zweckmäßig und angemessen zur Schadensbeseitigung ansehen darf, dabei ist grundsätzlich auf seine spezielle Situation und seine Erkenntnismöglichkeiten Rücksicht zu nehmen (BGH, Urteil vom 23.012007, Az.: VI ZR 67/06).
Grundsätzlich darf der Geschädigte von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen (LG Saarbrücken, Urteil vom 30.05.2008, Az. 13 S 20/08 und Urteil vom 21.02.2008, Az. 11 S 130/07). Erst wenn er erkennen kann, dass der Sachverständige das Honorar willkürlich festsetzt oder Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, oder der Geschädigte ein Auswahlverschulden zu vertreten hat oder offensichtliche Unrichtigkeiten der Begutachtung verschuldet oder der Honorarberechnung missachtet, mindert sich sein Erstattungsanspruch (LG Saarbrücken, a.a.O.).
Dem Geschädigten obliegt keine Erkundigungspflicht, er muss nicht mehrere Angebote einholen. Die Berechnung des Schadens kann nicht von rechtlichen Mängeln der zu seiner Beseitigung tatsächlich eingegangenen Verbindlichkeit, also zum Beispiel einer überhöhten Honorarrechnung des Sachverständigen abhängig gemacht werden (LG Saarbrücken, Urteil vom 21.02.2008, Az. 11 S 130/07).
Der erforderliche Geldbetrag wird aber nicht durch die Rechnung des Sachverständigen festgelegt auch nicht, wenn der Geschädigte diese gezahlt hat. Allerdings ist der tatsächlich erbrachte Aufwand ein Indiz für die Bemessung des erforderlichen Betrages, jedoch ist der aufgewendete Betrag nicht zwingend identisch mit dem zu ersetzenden Schaden (BGH, Urteil vom 22.07.2014, Aktenzeichen VI ZR 357/13), insbesondere dann nicht, wenn die Preise des Sachverständigen für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegen. Dann darf das Gericht den erforderlichen Betrag nach § 287 Abs. 1 ZPO schätzen.
Die Vergütung des Sachverständigen darf sich an der Schadenshöhe orientieren (LG Saarbrücken, Urteil vom 25.09.2003, Az.: 2 S 219/02; Saarl. OLG, Urteil vom 22.07.2003, Az. 3 U 438/02-46; so nunmehr auch der BGH, Urteil vom 04.04.2006, NJW 2006, 2472; VersR 2006 113f). Deshalb überschreitet ein Sachverständiger bei Routinegutachten den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum bei der Bemessung seines Honorars grundsätzlich nicht, wenn er dieses an der Schadenshöhe orientiert.
Das Gericht legt bei der Berechnung von Sachverständigenhonoraren die Urteile des LG Saarbrücken vom 19.12.2014, Az. 13 S 41/13 und des BGH vom 22.07.2014, Aktenzeichen VI ZR 357/13, zugrunde. Demnach kann das Grundhonorar wie bisher entsprechend dem Honorarkorridor HB V der BVSK Honorarbefragung (hier 2013) geschätzt werden.
Für die Nebenkosten bietet die BVSK Honorarbefragung aber keine taugliche Schätzungsgrundlage. Es ist deshalb auf die vom Landgericht Saarbrücken im Urteil vom 19.12.2014, Aktenzeichen 13 S 41/13 aufgestellten Grundsätze zurückzugreifen.
Zunächst gilt der Grundsatz, dass ein Sachverständiger zum Ausdruck bringt, dass seine Ingenieurtätigkeit mit dem Grundhonorar abgegolten sein soll, wenn er dies mit einem Pauschalbetrag abrechnet und zusätzlich bestimmte Nebenkosten beansprucht. Nebenkosten können dann nur in Höhe der entstandenen Aufwendungen berechnet werden.
Als Aufwendungen können Fahrtkosten, Kosten für das Schreiben, Drucken und Vervielfältigen des Gutachtens, Fotokosten, Porto-, Versand- und Telefonkosten sowie die EDV-Abrufgebühr und Kosten der EDV-Fahrzeugbewertung angesetzt werden. Diese sind erstattungsfähig, soweit sie erfordelich sind, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Maßgebend ist, ob ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch zu Kosten als zweckmäßig und notwendig ansehen würde.
Der Geschädigte muss eine Plausibilitätskontrolle der berechneten Kosten durchführen, um zunächst zu einer eigenen Einschätzung zu kommen, ob die berechneten Nebenkosten angemessen sind. Zur Überprüfung der Angemessenheit im Rahmen des § 287 ZPO darf das Gericht nach dem Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 19.12.2014, Az. 13 S 41/13, auf den Rahmen zurückgreifen, den das Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) für die Entschädigung von Sachverständigen vorgibt.
Für Fahrtkosten gilt dies allerdings nicht Das Landgericht weist darauf hin, dass der Kilometersatz des § 8 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 JVEG von 0,30 € sich erkennbar an der steuerlichen Abzugsfähigkeit orientiert und nicht den tatsächlichen Kosten entspricht, die das Landgericht in seiner Ausgangsentscheidung mit 0,60 € pro Kilometer ermittelte. Erstattungsfähig ist daher ein Betrag von maximal 0,70 € pro Kilometer. Eine Überschreitung dieses Betrages ist erkennbar überhöht.
Für das Schreiben und den Druck des Originalgutachtens in Schwarz/Weiß sind gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 JVEG 0,50 € für jede Seite und gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 JVEG 0,90 € für jede Seite anzusetzen also insgesamt 1,40 € für jede Seite. Zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 20 % liegt die Obergrenze hier bei 1,68 €. Wird diese überschritten, ist lediglich der Sockelbetrag von 1,40 € erstattungsfähig.
Für jede weitere gedruckte Seite schwarz-weiß ohne Schreibkosten sowie für jede Kopie schwarz-weiß ohne Schreibkosten sind 0,50 € zu erstatten. Zuzüglich des Sicherheitszuschlages von 20 % liegt die Obergrenze hier bei 0,60 €. Wird diese überschritten, ist lediglich der Sockelbetrag von 0,50 € erstattungsfähig. Grundsätzlich sind über das Originalgutachten hinaus maximal 2 Ausfertigungen erstattungsfähig (für den Geschädigten und dessen Rechtsanwalt).
Für eine in Farbe gedruckte Seite des Gutachtens ist 1,00 € zu vergüten, was aber nicht in hinsichtlich der Fotos gilt, für die eine Sonderregelung eingreift. Die Obergrenze für Farbausdrucke liegt bei 1,20 €. Wird diese überschritten, ist lediglich der Sockelbetrag von 1,00 € zu erstatten.
Fotokosten sind entsprechend § 12 Abs. 1 Nr. 2 JVEG einmalig für das Originalgutachten in Höhe von 2,00 € pro Foto zu erstatten, soweit sie zur Vorbereitung und Erstattung des Gutachtens erforderlich waren. Zuzüglich des Sicheitszuschlages von 20 % liegt die Obergrenze bei 2,40 €. Wird diese überschritten, ist lediglich der Sockelbetrag von 2,00 € erstattungsfähig. Für maximal weitere 2 Fotosätze bei den Ausfertigungen des Gutachtens sind 0,50 € pro Foto zu erstatten. Die Obergrenze liegt hier bei 0,60 €. Sofern diese überschritten wird, sind lediglich 0,50 € zu erstatten.
Für die Porto-, Versand-und Telefonkosten bleibt es bei dem Pauschalbetrag von 15,00 €.
Ferner, sind die Kosten der EDV-Abrufgebühr und der EDV-Fahrzeugbewertung erstattungsfähig, jedenfalls soweit sie jeweils einen Betrag von 20,00 € nicht übersteigen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Kosten konkret anfielen. Auch sonstige Fremdkosten des Sachverständigen sind zu erstatten.
Daraus ergibt sich folgende Berechnung:
Kostenart Anzahl Einzelpreis Gesamtpreis
Grundhonorar bei Schadesnhöhe 1.589,36 € netto pauschal 351,00 € 351,00 €
Fahrtkosten 0,70 € pro km 38 0,70 € 26,60 €
Schreiben und Druck s/w 1,40 €, max. 1,68 €/Seite 8 1,40 € 11,20 €
Druck s/w ohne Schreiben 0,50 €, max. 0,60 €/Seite 0,00 €
Kopie s/w ohne Schreiben 0,50 €, max. 0,60 €/Seite 16 0,50 € 8,00 €
Druck Farbe 1,00 €, max. 1,20 €/Seite 0,00 €
Fotos für Original 2,00 €, max. 2,40 €/Stück 6 2,00 € 12,00 €
Fotos für max. 2 Ausfert. 0,50 €, max. 0,60 €/Stück 6 0,50 € 3,00 €
Porto, Versand, Telefon gem. Rechng., max. 15,00 € 15,00 € 15,00 €
EDV-Abrufgebühr gem. Rechng., max. 20,00 € 20,00 € 20,00 €
EDV-Fahrzeugbewertung gem. Rechng., max. 20,00 € 0,00 €
Sonstige Fremdkosten nach Anfall 0,00 €
Summe netto 446,80 €
Umsatzsteuer 19% 84,89 €
Summe brutto 531,69 €
bereits gezahlt 450,00 €
Restbetrag zu zahlen 81,69 €
Der Zinsanspruch folgt aus Verzug.
Die Nebenentscheidung beruht, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Ist es eigentlich förderlich für die Zuteilung von Honorar-Seminaren, wenn man der Berufungskammer hinterherschleimt? Siehe auch: Kommentar zu LG Saarbrücken