AG Saarlouis entscheidet bei wirtschaftlichem Totalschaden zur Nutzungsausfallentschädigung nach Veräußerung des noch verkehrssicheren Fahrzeugs durch Geschädigten mit Urteil vom 25.1.26 – 28 C 317/15 (70) -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und Leser,

bevor es heute nachmittag in das wohlverdiente Wochenende geht, stellen wir Euch hier und heute noch ein Urteil aus Saarlouis zum Nutzungsaufall nach einem Verkehrsunfall vor sowie auch zur Haftungsverteilung bei einem Parkplatzunfall. Interessant sind hierbei jedoch die Ausführungen zur Nutzungsausfallentschädigung. Sofern ein Fahrzeug nach einem Verkehrsunfall nicht mehr fahrbereit und auch nicht mehr verkehrssicher ist, es somit nicht mehr im öffentlichen Straßenverkehr benutzt werden kann, steht dem Geschädigten wegen des Verlustes der Gebrauchsmöglichkeit am Fahrzeug eine Nutzungsaushallentschädigung zu. Das ist grundsätzlich unbestritten.  Hier war es aber so, dass der Geschädigte das Fahrzeug, an dem wirtschaftlicher Totalschaden eingetreten war, das aber noch fahrtüchtig und verkehrssicher war, nach der Begutachtung veräußert hatte. Auch in diesem Fall steht ihm Nutzungsausfallentschädigung zu. Lest selbst das Urteil des AG Saarlouis vom 25.1.2016 – 28 C 317/15 (70) – und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab. 

Viele Grüße
Willi Wacker

28 C 317/15 (70)                                                                                Verkündet am 25.01.2016

Amtsgericht Saarlouis

U r t e i l

I m   N a m e n   d e s   V o l k es

In dem Rechtsstreit

1. …

Kläger und Widerbeklagter

2. …
3. …

Widerbeklagte

gegen

1. …

Beklagte

2. …

Beklagter und Widerkläger

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Saarlouis
durch den Richter am Amtsgericht S.
im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO
im Einverständnis der Parteien
nach Schriftsatzfrist des 15.1.2016

für Recht erkannt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 257,99 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 3.12.2014 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,53 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seitdem 19.3.2015 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Auf die Widerklage werden die Widerbeklagten zu 1-3 verurteilt, an den Beklagten zu 2) 562,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.1.2014 zu zahlen.

5. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

6. Kläger, Widerbeklagte zu 2 und 3 tragen als Gesamtschuldner 31 %, der Kläger allein weitere 44 % der Gerichtskosten. Die Beklagten zu 1 und 2) tragen als Gesamtschuldner 14 %, der Beklagte zu 2) allein weitere 11 % der Gerichtskosten.

Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers fallen den Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner 14 %, den Beklagten zu 2 allein weitere 11 % zur Last.

Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 tragen Kläger und Widerbeklagte zu 2 und 3 als Gesamtschuldner zu 31 %, der Kläger allein weitere 44 %.

Der Kläger trägt von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 3/4. Der Beklagte zu 2 trägt von den außergerichtlichen Kosten der Widerbeklagten zu 2) und 3)1/4.

Im Übrigen trägt jeder seine außergerichtlichen Kosten selbst.

7. Das Urleil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung von je 115 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei zuvor Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand

Kläger und Beklagter zu 2 verfolgen wechselseitig Schadensersatzansprüche aus einem Unfallgeschehen vom 30.10.2014 in Saarlouis.

An diesem Tag kam es auf dem Parkplatz des Aldi-Marktes zu einer Kollision des von der Widerbeklagten zu 2 geführten und bei der Widerbeklagten zu 3 haftpflichtversicherten Pkws des Klägers mit dem Pkw des Beklagten zu 2, der bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversichert ist.

Die Widerbeklagte zu 2 fuhr rückwärts aus einer Parklücke heraus als sie mit dem die Fahrgasse befahrenen Pkw des Beklagten zu 2 kollidierte.

Bezüglich der Unfallörtlichkeit wird auf die Lichtbilder im technischen Gutachten des beauftragten Sachverständigen vom 8.8.2015 (134,135 GA) Bezug genommen.
Der Kläger verfolgt 50 % seines Schadens in unstreitiger Höhe von 1.031,97 € gleich 550,98 €.

Am Pkw des Beklagten zu 2 entstand Totalschaden. In einem von ihm beauftragten Schadengutachten ist festgehalten, dass sich sein Fahrzeug in einem fahrfähigen, verkehrssicheren Zustand befindet. Der Beklagte zu 2 hat am 28.11.2014 ein Ersatzfahrzeug angeschafft.

Er verlangt mit vorliegender Klage Nutzungsausfall für die Zeit vom 4. November bis 28.11.2014 in Höhe von 750 €.

Der Kläger behauptet,

der Beklagte zu 2 sei mit völlig unangemessener Geschwindigkeit von ca. 25-35 km/h gefahren.

Er beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn einen Betrag von 515,98 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 3.12.2015 zu zahlen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 19.3.2015 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie behaupten,

der Beklagte zu 2 habe den Aldi Parkplatz mit angepasster Geschwindigkeit befahren. Erst als er auf Höhe des Pkws des Klägers gewesen sei, sei die Widerbeklagte zu 2 unvermittelt aus ihrer Parklücke rückwärts rausgefahren und mit dem Pkw des Beklagten zu 2 kollidiert.

Bereits am 4.11.2014 habe der Beklagte zu 2 sein verunfalltes Fahrzeug veräußert.
Widerklagend beantragt der Beklagte zu 2,

die Widerbeklagten zu verurteilen, an den Widerkläger 750 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.1.2015 zu zahlen.

Die Widerbeklagten beantragen,

die Widerklage abzuweisen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das verkehrstechnische Gutachten des Sachverständigen Diplom-Physiker Mücke vom 8.8.2015 (131-149 GA sowie dessen gutachterliche ergänzende Stellungnahme vom 28.10.2015 (173-174 GA) Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Klage und Widerklage sind teilweise begründet.

Zunächst haben sowohl Kläger als auch der Beklagte zu 2 grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gemäß § § 7, 18 StVG i.V.m.115 VVG einzustehen, da die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen und für keinen der beteiligten Fahrzeuge ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG darstellte.

Dies gilt auch für den Beklagten zu 2, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Idealfahrer an seiner Stelle den Pkw des Klägers hätte rechtzeitig erkennen und hierauf gefahrdrohend reagieren können.

Im Rahmen der nach § 17 Abs. 1, 2 StVG gebotenen Abwägung trifft den Kläger das überwiegende Verschulden am Unfallgeschehen.

Die Widerbeklagte zu 2 hat den Zusammenstoß verschuldet, weil sie gegen ihre Pflichten beim Rückwärtsfahren verstoßen hat.

Auf Parkplätzen ist hierbei das Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme zu beachten (§ 1 Abs. 2 StVO). Nach dieser Vorschrift muss sich ein Verkehrsteilnehmer so verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als unvermeidbar behindert oder belästigt wird. Dabei ist die besondere Gefährlichkeit des Rückwärtsfahrens, die allein durch das eingeschränkte Sichtfeld des Rückwärtsfahrenden für den rückwärtigen Verkehr besteht, mit einzubeziehen mit der Folge, dass die Wertung des § 9 Abs. 5 StVO sinngemäß Anwendung findet. Der Rückwärtsfahrende muss sich daher so verhalten, dass er bei Erkennbarkeit der Gefahr sein Fahrzeug notfalls sofort anhalten kann. Kollidiert er beim rückwärtigen Ausparken mit einem anderen Fahrzeug, spricht ein Anscheinsbeweis für sein Verschulden, wenn ihm nicht der Nachweis gelingt, dass er vorkollisionär angehalten hat. (Landgericht Saarbrücken in NJW-RR 2012 Seite 476,Saarländisches Oberlandesgericht. DAR 2014, 703).

Den Beklagten zu 2) trifft ein (Mit)Verschulden am Unfallereignis. Mit Rücksicht auf rangierende Fahrzeuge musst der die Fahrspur zwischen den Park-taschen Befahrende stets bremsbereit sein, was wiederum Auswirkungen auf die hiernach von ihm zu beachtende zulässige Höchstgeschwindigkeit hat. (Landgericht Saarbrücken a.a.O., Landgericht Saarbrücken in NJW-RR 2014, 572).

Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob stets eine bei Schrittgeschwindigkeit liegende Fahrweise (3-7 km/h) geboten ist. Der Beklagte zu 2 hat nach den Feststellungen des gerichtlich beauftragten Sachverständigen die Parkgasse mit einer Geschwindigkeit von mindestens 14 km/h befahren, was im allgemeinen nicht mehr als angemessen anzusehen ist (Henschel-König, Straßenverkehrsrecht 43. A.2015. § 8 Rn. 31 a., Vergleiche auch Saarländisches Oberlandesgericht aaO).

Nach Auffassung des Gerichts wiegt der den Kläger treffende Schuldvorwurf wesentlich schwerer als das den Beklagten zu 2 anzulastende Verschulden, da dessen allein nachgewiesene Geschwindigkeit nur wenig über der für noch zulässig erachteten liegt und weshalb zwar nicht ein Zurücktreten der Betriebsgefahr mehr in Betracht kommen kann, jedoch eine Haftungsverteilung von 1:3 gerechtfertigt erscheint.

Hiernach kann der Kläger 1/4 seines Schadens in unstreitiger Höhe von 1031,97 € = 257,99 € ersetzt verlangen.

Auch wenn das Fahrzeug des Beklagten zu 2 nach dem Unfall noch fahrfähig und verkehrstüchtig war, durfte dieser doch seinen Pkw nach wirtschaftlichen Totalschaden zu dem im Gutachten angegebenen Restwert am 4.11.2015 (199 GA) veräußern und ist ihm bis zur Ersatzbeschaffung am 28.11.2015 (49 GA) ein Nutzungsausfall zuzuerkennen. Unter Berücksichtigung seines Mithaftungsanteils kann der Beklagte zu 2 deshalb Zahlung von 562,50 € Nutzungsausfall verlangen.

Die Nebenforderungen finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 286,288 Abs. 1,291 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92,100 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre gesetzlichen Grundlagen in den §§ 708 Nummer 11, 711 ZPO.

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