Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
bevor ich zu der nächsten – umfangreicheren – BGH-Entscheidung komme, die ich bereits angekündigt hatte, hier noch ein etwas kürzeres Urteil aus dem Saarland. War für mich heute insofern leichter, das kürzere Urteil zu veröffentlichen. Es handelt sich um ein Mietwagenurteil aus Saarlouis. Das Gericht kam ohne Fraunhofer oder Schwacke aus. Zur Höhe der Mietwagenkosten war aber auch nichts vorgetragen worden seitens der Beklagten. Es war ja auch schon dreist, auf Mietwagenkosten von fast 1.200 € nur 171 € außergerichtlich zu zahlen. Lest aber selbst und gebt Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Euer Willi Wacker
Amtsgericht Saarlouis Verkündet am: 20.01.2012
Aktenzeichen: 29 C 1608/11 (16)
URTEIL
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
des Herrn …
Kläger
gegen
Beklagte
hat das Amtsgericht Saarlouis
durch den Richter am Amtsgericht …
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.12.2011
für Recht erkannt:
I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1027,03 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 17.8.2011 und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 146 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 3.12.2011 zu zahlen.
II. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe eines Betrages von 10 % über dem jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten über restliche Schadensersatzansprüche in Form von Mietwagenkosten aus einem Verkehrsunfall, welcher sich am … in Saarlouis ereignete. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagten dem Kläger für die schadensrechtlichen Folgen des Ereignisses dem Grunde nach in vollem Umfang haften.
Der Kläger brachte den verunfallten Pkw am … in die Reparaturwerkstatt, welche er letztendlich mit der Reparatur beauftragte, und mietete an diesem Tag ein Ersatzfahrzeug an, das er nach Beendigung der Reparatur am … zurückgab. Das von dem Kläger in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten zur Feststellung des Reparaturschadens ging ihm am … zu. Die Reparaturkosten, welche die Beklagte zu 2) vorgerichtlich in vollem Umfang bezahlt hat, beliefen sich auf … €. Die vom Sachverständigen ermittelte reine Reparaturzeit betrug vier Tage. Die Reparaturwerkstatt hatte die Aufnahme der Reparaturarbeiten von der Vorlage einer Kostenübernahmebestätigung der Beklagten zu 2) abhängig gemacht. Unmittelbar nach deren Vorlage am … begann sie mit der Reparatur, welche sie binnen der kalkulierten viertägigen Reparaturzeit beendete. Dem Kläger wurden für die Anmietung eines Fahrzeuges für die Zeit vom … bis zum … insgesamt 1198,19 € in Rechnung gestellt. Hierauf hat die Beklagte zu 2) vorgerichtlich einen Betrag von 171,16 € gezahlt. Dies entspricht dem Mietpreis für vier Tage.
Der Kläger hat die Beklagte zu 2) telefonisch mehrfach darauf hingewiesen, dass mit der Reparatur erst nach Eingang der Reparaturübernahmebestätigung begonnen werden könne, weil ihm eine Vorfinanzierung nicht möglich sei.
Der Kläger macht geltend, die Vorfinanzierung sei im auch nicht zumutbar gewesen, da ihm seitens der Beklagten zu 2) mitgeteilt worden sei, dass die Schadenanzeige des Beklagten zu 1) fehle bzw. dass es aufgrund fehlerhafter Angaben des Beklagten zu 1) weiterer Ermittlungen bedürfe, da eine Haftungsteilung nicht ausgeschlossen werden könne.
Der Kläger beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
Sie macht geltend, ausweislich der Reparaturrechnung habe die Reparatur vier Tage gedauert. Sie bestreitet, dass eine Finanzierung der Reparatur für den Kläger nicht möglich gewesen sei. Dieser habe substantiierte Aussagen hierzu nicht getroffen. Die pauschale Behauptung, dass keine Finanzierungsmöglichkeiten bestünden, sei nicht ausreichend, um eine Übernahme der Mietwagenkosten für einen Zeitraum von 28 Tagen zu rechtfertigen, wenn die Reparatur lediglich vier Tage in Anspruch nehme. Zudem stehe einem Versicherer ein Überprüfungszeitraum zu. Er sei gehalten, die Haftung genau zu prüfen, so dass angesichts der Rahmendaten nicht von einer verzögerten Prüfung der Beklagten zu 2) auszugehen sei. Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, mit der Reparatur so lange zu warten, bis eine Übernahmebestätigung vorliege. Er habe vielmehr alles zu tun, um den Schaden so gering wie möglich zu halten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere des Inhaltes des nachgelassenen Schriftsatzes des Klägers wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Schriftsatz des Klägers vom 11.1. 2012 verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die geltend gemachten restlichen Mietwagenkosten als Schadenersatz gemäß §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 249 BGB. Wenn der Geschädigte aufgrund des Schadenereignisses den verunfallten PKW nicht nutzen kann, hat ihm der Schädiger die Kosten für die Anmietung einer gleichwertigen Ersatzsache zu ersetzen (vgl. nur BGH NJW 87, 50). Der Anspruch beschränkt sich im Falle der Reparatur grundsätzlich auf die für die Reparatur erforderliche Zeit. Dabei darf der Geschädigte die Erteilung des Reparaturauftrages allerdings zurückstellen bis das erforderliche Gutachten vorliegt (vgl. OLG Düsseldorf DAR 2006, 269). Bereits daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass der Kläger ohne weiteres Anspruch auf die Mietwagenkosten für weitere sechs Tage hat, was, nachdem die entstandenen Mietwagenkosten in Bezug auf die Höhe des Tagessatzes unstreitig sind, einem weiteren Betrag von 256,75 € entspricht.
Der Kläger hat indessen auch Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten für die danach verbleibenden weiteren 18 Tage. Unstreitig ist, dass der Kläger seinen verunfallten PKW aufgrund der erlittenen Unfallschäden vom Tag des Unfalles an insgesamt 28 Tage nicht nutzen konnte und innerhalb dieser Zeit einen Mietwagen gegen Entgelt in Anspruch genommen hat. Der Geschädigte ist zwar wegen der Schadensminderungspflicht des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB gehalten, die Behebung in angemessener Frist durchzuführen und muss sich eine Kürzung seines Schadensersatzanspruches gefallen lassen, wenn er dem in zurechenbarer Weise nicht nachkommt. Die Beweislast für einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht trägt indessen nach allgemeinen Grundsätzen der Schädiger (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Auflagen, § 254 Rn. 72 mwN.). Dem genügt das Sachvorbringen der Beklagten nicht. Es ist unstreitig, dass die vom Kläger letztendlich mit der Reparatur beauftragte Werkstatt die Reparatur von einer Kostenübernahmebestätigung der Beklagten zu 2) abhängig gemacht hat, der Kläger die Beklagte zu 2) mehrfach telefonisch daraufhingewiesen hat, dass mit der Reparatur erst nach Eingang der Reparaturübernahmebestätigung begonnen werde, weil ihm eine Vorfinanzierung nicht möglich sei. Aus dem Sachvortrag der Beklagten ergibt sich nicht, dass der/die angesprochene Mitarbeiter/in der Beklagten zu 2) dies dem Kläger gegenüber bezweifelt bzw. substantiierte Angaben hierzu verlangt habe. Auf die Zahlungsaufforderung des Reparatur-und Mietwagenunternehmens hat die Beklagte zu 2) mit Schreiben vom 15.7.2011 erklärt, dass die verspätete Reparaturfreigabe durch den Kläger nicht auf ein Verschulden der Beklagten zu 2) zurückzuführen sei. Im Schadensfall sei der Geschädigte zur Schadensminderung verpflichtet. Durch die verspätete Freigabe seinerseits habe er gegen die Schadensminderung verstoßen. Eine Reparaturfreigabe habe seinerseits direkt erfolgen können gegebenenfalls unter Zuhilfenahme einer Finanzierung. Den Hinweis der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 2.8.2011, dass dieser mehrfach erklärt habe, dass ihm eine Vorfinanzierung nicht möglich sei, hat sie ohne Erläuterung damit beantwortet, dass sie hinsichtlich der Mietwagenkosten an ihrer bisherigen Auffassung festhalte. Damit hat sie gerade nicht verlangt, dass der Kläger substantiiert dargelegt, weswegen ihm die Vorfinanzierung nicht möglich sei. Es mag zwar sein, dass den Geschädigten insoweit die sekundäre Darlegungslast trifft(vgl. OLG Naumburg, DAR 2005, 158). Allerdings ist deren Entstehung davon abhängig, dass der Schädiger weitergehende Aufklärung beansprucht. Dies war indessen nicht der Fall. Vielmehr hat die Beklagte zu 2) dem Kläger gegenüber innerhalb der geführten Telefonate nur erklärt, dass es wegen fehlerhafter Angaben des Beklagten zu 1) weiterer Ermittlungen bedürfe, da eine Haftungsteilung nicht ausgeschlossen werden könne.
Im Regelfall genügt der Geschädigte seiner Schadensminderungspflicht, wenn er die gegnerische Kfz- Haftpflichtversicherung rechtzeitig daraufhinweist, dass ohne Vorfinanzierung ein Reparaturauftrag nicht erteilt werden kann (vgl. OLG Düsseldorf DAR 2011, 580 ff.). Dass der Kläger die Beklagte zu 2) hierauf in mehreren Telefonaten hingewiesen hat, ist unstreitig, ebenso dass ihm seitens der Beklagten zu 2) nicht abverlangt wurde, die von ihm dargelegte Unfähigkeit zur Vorfinanzierung der Reparaturkosten durch Angaben zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen zu untermauern. Damit hat er der Beklagten zu 2) hinreichend Gelegenheit gegeben, die absehbar höher werdenden Mietwagenkosten durch entsprechende Maßnahmen zu verringern. Dass die Beklagte zu 2) sich wegen der verzögerten Schadenanzeige des Beklagten zu 1) bzw. dessen fehlerhaften Angaben genötigt gesehen hat, weitere Ermittlungen durchzuführen, geht zu Lasten der Beklagten, was keiner ins Einzelne gehenden Begründung bedarf. Es ist zwar sicherlich so, dass dem Haftpflichtversicherer des Geschädigten eine gewisse Überlegungszeit zusteht, binnen derer er prüfen darf, ob die Haftung gegeben ist oder nicht. Wird hierdurch allerdings im Einzelfall der Schaden vergrößert, haftet der Haftpflichtversicherer für den sich durch die verlängerte Bearbeitungszeit vergrößert habenden Schaden.
Nachdem sonstige Einwendungen gegen die Höhe der Mietwagenkosten nicht erhoben wurden, war zu entscheiden wie geschehen.
II.
Die Nebenentscheidungen folgen aus der Anwendung der §§ 280, 281, 286, 288 BGB, 2, 13 RVG, Nr. 2300, 7002, 7008 VV RVG, 91, 708 Nr. 11 ZPO.
Grüß Gott allerseits,
werdens denn immer dreister? Auf Mietwagenkosten von 1027,03 Euro vorgerichtlich nur (!) 171,16 Euro zu zahlen, ist eine reine Unverschämtheit. Die Versicherung wollte unbedingt ein Urteil haben. So dumm und so frech kann doch eigentlich keiner sein. Immerhin hat die Versicherung jetzt richtig was auf die Nase gekriegt.
Servus
Euer Aigner Alois
Die immer wieder zu lesende und zu höhrende Argumentation von Versicherungen
stimmt nicht. Der Geschädigte hat nicht A L L E S zu tun.
Vielmehr hat die Versicherung alles zu tun, um den Schaden möglichst schnell und umfassend zu regulieren. Die in meinen Augen wichtigsten Sätze dieses Urteils lauten:
Das ist eigentlich eine Selbtsverständlichkeit (denn der Schadensersatzanspruch ist SOFORT fällig), kann aber nicht oft genug betont werden. Nur zu gerne stellen die Versicherungen auf Schadenminderungspflicht/Schadengeringhaltungspflicht, Nachbesichtigungsrecht, Anspruch auf Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht etc. ab. Deshalb ist es dringend erforderlich, die Grundsätze des Schadenserersatzrechts und die Hauptpflicht des Versicherers immer wieder hervorzuheben.
Im konkreten Fall kann ich nur sagen: gerade noch mal gut gegangen mit den Mietwagenkosten. Offensichtlich hat der Geschädigte noch nicht einmal im Prozeß substantiiert dargelegt, wieso er zu einer Vorfinanzierung nicht in der Lage war. Das hätte auch anders enden können …
Bei den Sachverständigenkosten kann es gar keine Schadensgeringhaltungspflichtverletzung durch das Unfallopfer geben. Denn nur da, wo der Geschädigte die Höhe des Schadens beeinflussen kann, kann er die Schadensgeringhaltungspflicht verletzen. Die Kosten des Sachverständigen werden üblicherweise – und das hat die Rspr. des BGH gebilligt – nach Schadenshöhe abgerechnet (BGH X ZR 122/o5 ; BGH VI ZR 67/06 u.a.). Die Schadenshöhe kann der Sachverständige aber erst feststellen, wenn er das Gutachten versandfertig gestellt hat. Deshalb macht es auch wenig Sinn, Kostenvoranschläge von Sachverständigen bzgl. ihrer Honorare einzuholen. Also ist festzuhalten, dass der Geschädigte die Höhe der Sachverständigenkosten gar nicht beeinflussen kann, mithin kann er die Kosten auch nicht mindern. Was nicht beeinflusst werden kann, kann auch nicht gemindert oder gering gehalten werden. Deshalb ist das Argument der Versicherer, der Geschädigte sei bei den Sachverständigenkosten zur Schadensgeringhaltung verpflichtet, schlichtweg falsch. Vielmehr gilt, dass der Geschädigte bei den Sachverständigenkosten eine Schadensposition beanspruchen kann, deren Höhe er nicht beeinflussen kann. Deshalb sind die Gutachterkosten grundsätzlich eine Schadensposition, die der Geschädigte, sofern kein Auswahlverschulden vorliegt, immer beanspruchen kann. Dies gilt insbesondere, wenn er nicht allein in der Lage ist, seinen Schaden zu beziffern (OLG Jena MDR 2008, 211; BGH IV ZR 251/10 Rdnr. 15). Das mit der Schadensgeringhaltungspflicht bei den Sachverständigenkosten ist bewußte Täuschung des Geschädigten.
Noch einen schönen Feiertag.
F-W Wortmann
Freitag, 06.04.2012 um 13:10
„Bei den Sachverständigenkosten kann es gar keine Schadensgeringhaltungspflichtverletzung durch das Unfallopfer geben.“
Guten Tag, Herr Wortmann,
danke für diese sehr verständliche Zusammenfassung.
Das ist dann wohl auch der Grund dafür,dass die HUK-Coburg dem Unfallopfer einen solche Verstoß überhaupt nicht vorwirft.
Damit wird aber auch ersichtlich, wie unsinnig und haltlos die „Argumente“ in den bekannten Kürzungsschreiben der HUK-Coburg sind. Umweltverschmutzende Luftblasen, die wegen ihrer Löchrigkeit sich letztlich in ein Nichts auflösen, was den „Staranwälten“ der HUK-Coburg auch zunehmend bewußter wird. Aber da Geld nicht stinkt, versucht man die zahlungskräftigen Auftraggeber bei Laune zu halten und ihnen vorzugaukeln, dass es keine Grenzen für den angestrebten Erfolg geben würde. Diese vermeintliche Erfolgsspur zieht offenbar immer wieder. Trotzdem war KARL MAY weitaus faszinierender in seinen Erzählungen.
In Bezug auf Ihre Ausführungen frage ich mich dann aber, was denn dem Unfallopfer eigentlich zum Vorwurf gemacht werden könnte, wenn er in einem Prozeß mit einer Art Selbstbeteiligung bestraft wird und damit nicht klar obsiegt ?
Wird er damit zum nicht vernünftigen und nicht wirtschaftlich denkenden Menschen abgestempelt oder wie erklären sich solche Phänomene ansonsten ? Für eine Antwort bedanke ich mich schon jetzt bei Ihnen ganz herzlich.
Gruß von Bornholm
G.v.H.