Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
nachfolgend geben wir Euch hier ein Urteil aus Saarlouis zur Schadenregulierung bzw. zur Schadensverursachung und Haftungsquotierung bekannt. Es klagt der Geschädigte gegen den Fahrer und Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs des Unfallgegners. Die Haftpflichtversicherung ist leider unbekannt. Auffallend ist allerdings wieder der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Versicherung, der schlicht ins Blaue hinein behauptet, der beklagte Fahrer hätte gestanden, als es zur Kollision mit dem Fahrzeug des Klägers gekommen sei. Auch Anwälte unterliegen der Wahrheitspflicht. Der vom Gericht bestellte Gutachter hat jedoch das Gegenteil dessen bewiesen, was der Anwalt vorgetragen hat. Die Anwälte der Versicherungen müssen sich daher allen Ernstes fragen lassen, ob sie ihren Job noch entsprechend der standesrechtlichen Richtlinien ausüben. Auf jeden Fall konnte der Beklagtenseite nachgewiesen werden, dass diese schuldhaft den Unfall verursacht hat. Inwieweit der Verdacht der bewußten Täuschung des Gerichts zwecks günstiger Entscheidung gegeben ist, mögen Strafrechtler überprüfen. Für mich hat der Fall den Geschmack des versuchten Betruges gegenüber dem Gericht. Was denkt Ihr? Gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab. Vielleicht können aber auch strafrechtlich versierte Kollegen dazu Stellung nehmen. Nicht nur Versicherungen werden getäuscht, sondern auch Versicherer machen dasselbe mit ihren Versicherten und den Gegnern, wie dieser Fall eindrucksvoll zeigt.
Viele Grüße
Willi Wacker
28 C 1276/14 (70) Verkündet am 28.05.2015
Amtsgericht Saarlouis
U r t e i l
I m N a m e n des V o l k e s
In dem Rechtsstreit
…
Klägerin
gegen
…
Beklagte
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Saarlouis
durch den Richter am Amtsgericht S.
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.04.2015
für Recht erkannt:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den die Klägerin einen Betrag von 826 € nebst Zinsen m Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 6.6.2014 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 22.9.20.14 zu zahlen.
3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtstreits.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung von 115 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger verfolgt gegen die Beklagte zu 1 als Haftpflichtversicherer und den Beklagten zu 2 als Fahrer Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfallereignis vom 2.5.2014 In Saarlouis.
An diesem Tag kollidierten die von der Klägerin und dem Beklagten zu 2 geführten Fahrzeuge auf dem Parkplatz der Firma Deichmann in Saarlouis-Röderberg.
Am Pkw der Klägerin entstand ein Gesamtschaden in nunmehr unstreitiger Höhe von 826 €.
Die Klägerin behauptet,
um rückwärts In eine Parklücke einparken zu können, habe sie etwas schräg in der Fahrspur hinter dem Pkw des Beklagten zu 2 angehalten und sich nach hinten orientiert. Als sie in dieser Fahrposition gestanden habe, sei es zum Zusammenstoß mit dem rückwärts ausparkenden Pkw des Beklagten zu 2 gekommen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 826 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 6.6.2014 zu zahlen;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 22.9.2014 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie behaupten,
der Beklagte zu 1 habe sich beim Ausparken aus einer Parkbucht nach hinten orientiert und hierbei den Pkw der Klägerin ankommen sehen. Als er bereits gänzlich aus der Parklücke herausgefahren gewesen sei, habe er wegen eines Baustellenschildes anhalten müssen. Er habe bereits den ersten Gang eingelegt, als es zum Zusammenstoß mit dem von ihm geführten noch im Stillstand befindlichem Fahrzeug gekommen sei.
Die Parteien haben sich mit einer urkundlichen Verwertung der Beweisaufnahme im Verfahren … Amtsgericht Saarlouis und dem dort eingeholten Gutachten des Sachverständigen H. vom 9.3.2015 einverstanden erklärt.
Vorstehende Akten wurden beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 1 als zuständige Haftpflichtversicherung und den Beklagten zu 2 als Fahrer gemäß §§ 18 StVG, 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit 1 Abs. 2 StVO, 115 VVG ein Anspruch auf Ersatz ihres Gesamtschadens in nunmehr unstreitiger Höhe von 826 € zu.
Nach den Feststellungen des gerichtlich beauftragten Sachverständigen H. in seinem Gutachten vom 9.3.2015 vom Verfahren … Amtsgericht Saarlouis, mit dessen urkundlicher Verwertung sich die Parteien einverstanden erklärten, war der Beklagte zu 2 zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes in Rückwärtsfahrt.
Somit ist ein Verstoß des Beklagten zu 1 gegen das Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme gemäß § lAbs. 2 StVO nachgewiesen. Nach dieser Vorschrift muss sich ein Verkehrsteilnehmer so verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als unvermeidbar behindert oder belästigt wird. Dabei ist die besondere Gefährlichkeit des Rückwärtsfahrens, die allein durch das eingeschränkte Sichtfeld des Rückwärtsfahrenden für den rückwärtigen Verkehr besteht, mit einzubeziehen mit der Folge, dass die Wertung des § 9 Abs. 5 StVO sinngemäß Anwendung findet. Der Rückwärtsfahrende muss sich daher so verhalten, dass er bei Erkennbarkeit der Gefahr sein Fahrzeug notfalls sofort anhalten kann. Kollidiert er beim rückwärtigen Ausparken mit einem anderen Fahrzeug spricht ein Anscheinsbeweis für sein Verschulden, wenn ihm, wie vorliegend, nicht der Nachweis gelingt, dass er vorkollisiönär angehalten hat. (Landgericht Saarbrücken, Urteile vom 9.7.2010 und 10.2.2012, 13 S 61/10 und 13 S 181/11, Landgericht Saarbrücken, in NJW-RR 2014, 572).
Demgegenüber ist ein Verschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfallereignisses nicht nachgewiesen. Es lässt sich nicht mehr beweissicher feststellen, ob die Klägerin bei rechtzeitiger Reaktion einen Zusammenstoß hätte vermeiden können. Hierzu fehlen geeignete tatsächliche Anknüpfungspunkte.
Im Rahmen der gebotenen Haftungsabwägung gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG trifft den Rückwärtsfahren eine vergleichsweise höhere Sorgfaltspflicht als denjenigen, der lediglich aufgrund einfacher Betriebsgefahr haftet. Eine Haftung aus einfacher Betriebsgefahr kommt vorliegend für die Klägerin in Betracht, da durch das vorgenannte Gutachten nicht nachgewiesen werden konnte, dass diese zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes gestanden hat oder noch in Vorwärtsfahrt war.
Grundsätzlich kommt ein Zurücktreten der Betriebsgefahr bei Parkplatzunfällen auch nach der Rechtsprechung der zuständigen Berufungskammer nur ausnahmsweise in Betracht, wenn das Verschulden des Rückwärtsfahrenden durch besondere Umstände erschwert ist. (Landgericht Saarbrücken NJW RR 2014, DAR 2013, 520, NJW-RR 2013, 1249, Schaden-Praxis, 2012, 66, Urteil vom 15. Mai 2009, 13 S10/09).
Allerdings hat sich durch das vorerwähnte Gutachten auch ergeben, dass der Beklagte zu 2 im vorliegenden Verfahren bei seiner informatorischen Anhörung als auch bei seiner Vernehmung im Parallelverfahren die Unwahrheit gesagt hat, indem er angab, zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes gestanden zu haben. Insofern sieht das Gericht keinerlei Veranlassung, weshalb der entgegenstehenden, in sich glaubwürdigen, nachvollziehbaren und schlüssigen Unfallschilderung der Klägerin, was ihr Fahrverhalten anbelangt, keinen Glauben geschenkt werden sollte, womit von einem Stillstand des Pkw’s der Klägerin ausgegangen wird.
Insofern bleibt es bei der Alleinhaftung der Beklagten für die Unfallfolgen.
Die zuerkannten Nebenforderungen finden ihre gesetzlichen Grundlagen in dem §§ 288 Abs. I, 286 BGB. Eine 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Streitwert unter 1.000 € beträgt lediglich 147,56 €, weshalb der darüber hinausgehende Antrag abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre gesetzlichen Grundlagen in dem §§ 708 Nummer 11, 711 ZPO.
Nicht das erste Mal, dass Beklagtenanwälte im (Zahlungsvermeidungs-)Interesse ihrer auftraggebenden Versicherung was anderes erzählen als der Schädiger selbst. Im Termin darauf angesprochen, kommt dann nur ein Achselzucken …
Hallo Zweite Chefin,
und was ist mit der Wahrheitspflicht der Versicherungsanwälte vor Gericht?
Dürfen die lügen, dass sich die Balken im Gericht biegen?
Ein Achselzucken als Entschuldigung rechtfertigt keinen Prozessbetrugsversuch.
Ich werde in unserem aktuellen Fall mal in die Richtung marschieren, glaub aber nicht, dass das viel bringt.
Wenn hier der Richter nicht an die Staatsanwaltschaft abgegeben hat, entspricht das der allgemeinen Haltung der Richterschaft, wonach gerade Unfallbeklagte alles und jeden Mist behaupten und bestreiten dürfen und dies bis zum Beweis des Gegenteils als zugestanden gilt. Klar ist der Kläger grundsätzlich beweispflichtig, nur die Beweispflicht der Beklagten für ihre teils hirnrissigen Behauptungen wird nicht so ernst genommen.
Problematisch wird das doch erst, wenn der Anwalt entgegen den Angaben seines Mandanten bei Gericht vorträgt. Ansonsten nicht. Wie denn auch? Der Anwalt war bei dem Unfall nicht dabei und kann sich grundsätzlich auf die Angaben seines Mandanten verlassen…
Tut er aber nicht.
Der Anwalt wird beauftragt von der Versicherung und trägt nach deren Weisung vor. Dass der – zwangsweise – von ihm mitvertretene VN und ggf. zusätzlich der Fahrer das Ganze vielleicht anders sieht, interessiert weder die Versicherung noch den Anwalt. Peinlich wird’s dann, wenn der Anwalt immer wieder und mit Nachdruck darauf besteht, der Schädiger habe sich z.B. durch Schulterblick vergewissert und der Schädiger frank und frei einräumt, er hätte den Schulterblick unterlassen, er hätte auch nie etwas anderes behauptet.
Offensichtlich kommunizieren die Anwälte mit den Schädigern überhaupt nicht.
Lösen lässt sich das nur, indem der VN nicht mehr verpflichtet wird, sich dem Anwaltsdiktat seiner Versicherung unterzuordnen.
Wir haben auf Beklagtenseite schon einige Mandanten separat neben dem Versicherungsanwalt erfolgreich in der Sache und erfolgreich auf der Kostenseite vertreten.
@ Zweite Chefin
Davon gehe ich auch aus. Soweit ich weiß, haben zumindest einige Versicherungsanwälte online Zugriff auf die Versicherungsakte. Da wird nach Aktenlage entschieden bzw. gearbeitet. Aber das macht es noch nicht zum Betrug…
Wenn man den Halter bzw. Fahrer verklagt, und das Gericht das persönliche Erscheinen der Parteien anordnet, kann man dem Fahrer das ja mal vorhalten 😉 [Sie behaupten hier also allen Ernstes, sie hätten das und das gemacht? – Das habe ich nie behauptet! Wie kommen sie denn darauf?!? – Das hat ihr Anwalt genau so geschrieben! Meinen sie, der hat sich das ausgedacht?!? …]