Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
heute stelle ich Euch ein Urteil aus dem Saarland vor. In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit ging es darum, dass der Rechtsanwalt des Klägers gegenüber der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung vorgerichtlich eine 1.5-Gebühr nach Ziffer 2300 VV RVG berechnet hatte. Die Versicherung hatte nur eine 1.3-Gebühr erstattet. Der Differenzbetrag wurde klageweise geltend gemacht. Kläger ist der Eigentümer des verunfallten Pkw. Beklagter ist der Schädiger direkt. Mit der Klage hat der Kläger dann auch noch beantragt, die von ihm vorgeschossenen Gerichtskosten ab Eingang bei der Gerichtkasse bis zum Antrag dauf Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses zu verzinsen. Die Klage ging mit beiden Anträgen durch. Das Urteil wurde erwirkt und dem Autor zugesandt durch die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Dr. Imhof und Partner aus Aschaffenburg. Nachstehend gebe ich Euch das Urteil zu den Rechtsanwaltskosten und den Gerichtskostenzinsen bekannt. Lest selbst und gebt Eure Kommmentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Euer Willi Wacker
Amtsgericht Saarlouis
Aktenzeichen: 28 C 423/12 (70)
Urteil
(ohne Tatbestand gem. § 313a ZPO)
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
des Herrn P. K. aus Ü.
Kläger
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte D. I.& P. aus A.
gegen
Herrn M. S. aus S.
Beklagter
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Saarlouis
durch den Richter am Amtsgericht …
im vereinfachten Verfahren gem. § 495a ZPO
nach rechtlichem Gehör für die Parteien
am 12. Juni 2012
für Recht erkannt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 44,99 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.1.2012 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus verauslagten Gerichtskosten in Höhe von 23,-€ seit dem 18.1.2012 und aus weiteren 52,- € seit dem 30.3,2012 bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrages nach Maßgabe der Kostenentscheidung zu Ziffer 4. zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die Klage ist zum überwiegenden Teil begründet.
Dem Kläger steht gegen den Beklagten als Halter gem. § 17 STVG aus dem Verkehrsunfallereignis vom 17.7.2011 in Saarlouis ein (Rest)Schadenersatzanspruch, gerichtet auf Ersatz restlicher vorgerichtlicher Anwaltskosten, in Höhe von 44,99 € zu.
Der Beklagte, der als Halter das Unfallgeschehen schuldhaft verursacht hat und damit eintrittspflichtig ist, hat als unfallbedingte Schadenposition die außergerichtlichen Anwaltskosten des Klägers unter dem Gesichtspunkt notwendiger, nicht auf die Verfahrenskosten anrechenbaren Rechtsverfolgungsaufwands zu tragen.
Zwar hat der Kläger aussergerichtlich offensichtlich allein mit der hinter dem Beklagten stehenden Haftpflichtversicherung korrespondiert und diese vergeblich zur Zahlung restlicher Anwaltskosten aufgefordert; die Erstattungspflicht des Beklagten ergibt sich jedoch unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung (§§ 7 STVG, 823 Abs. I BGB).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 13.1.2011, AZ: IX ZR 110/10, klägerseits zitiert, ist der Ansatz einer Gebühr von 1,5 gerechtfertigt, da dem Rechtsanwalt bei der Festsetzung der konkreten Gebühr ein Ermessensspielraum von 20% zusteht, den der ersatzpflichtige Dritte nicht als unwillig i.S.d. § 14 Abs. I Satz 4 RVG hinnehmen muss. Hinzukommt, dass der Beklagte der Begründung des Klägers zur Rechtfertigung einer 1,5 Geschäftsgebühr nicht entgegengetreten ist.
Zinsen sind erst ab Rechtshängigkeit, mithin ab Zustellung des Mahnbescheides an den Beklagten erstattungsfähig, da dieser aussergerichtlich nicht in Verzug gesetzt wurde.
Der geltend gemachte Feststellungsanspruch ist ebenfalls nur im zugesprochenen Umfang gem. § 258 ZPO zulässig und gemäß §§ 286, 288 begründet, da zum Zeitpunkt des Eingangs der verauslagten Gerichtskosfen von 23,- € für das Mahnverfahren noch kein Verzug vorlag, dieser erst zum Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheides eintrat (§ 286 Abs. I Satz 2 BGB), mithin für die Kosten für das streitige Verfahren in Höhe von 52,- € mit Zustellung der Klagebegründung am 30.3.2012 (vgl. AG Saarlouis, 29 C 472/12).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. II ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre gesetzlichen Grundlagen in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Und jetzt bitte Eure Kommentare.
In Punkto Verzug besteht beim AG St. Louis eventuell noch Schulungsbedarf??
Hallo Babelfisch,
korrekt. Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten ist sofort fällig. Das hat der BGH in dem 6-Monats-Urteil schon höchstrichterlich festgestellt.
mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker
Bitte nicht Fälligkeit mit Verzug gleich stellen…
Hallo Herr RA Schepers,
was fällig ist, ist sofort zu erfüllen. Was sofort erfüllt werden muss, muss auch ohne Aufforderung geleistet werden. Deshalb ist der Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall auch sofort fällig.
Der Verzinsungsanspruch des Geschädigten folgt aus dem unverschuldeten Verkehrsunfall. Hätte der Schädiger den Schadensersatzanspruch sofort vollständig erfüllt, wäre die Erhebung der Klage bzw. des gerichtlichen Mahnverfahrens nicht erforderklich gewesen. Aus diesem Grunde sind auch die Gerichtskosten entsprechend der wohl überwiegenden Meinung in der Rspr. auch mit Eingang bei der Gerichtszahlstelle bis zum Eingang des KFB-Antrages zu verzinsen. Es handelt sich um einen Unfallfolgeschaden.
Mit freundl. Grüßen
Willi Wacker
@ Willi Wacker
Das OLG Frankfurt, Urteil vom 1.3.12 (26 U 11/11), stellt (in einer Bausache) auf Verzug ab (Rn. 139 – 141).
Das LG Hamburg, Urteil vom 16.5.01 (406 O 16/01), ebenfalls.
Habe ich hier bei CH ein Urteil übersehen, das ausdrücklich nicht auf Verzug, sondern (lediglich) auf den Unfallfolgeschaden abstellt?
@WW: sofortige Fälligkeit ist korrekt.
@ra schepers: Wenn eine Leistung fällig ist, die noch in der Höhe zu beziffern ist, dann tritt Verzug ein nach Bezifferung des Anspruchs zzgl. einer angemessenen Bearbeitungszeit durch den Schädiger/Versicherer. Das eine Gericht bestimmt die angemessene Bearbeitungszeit auf zwei, das nächste auf drei, ein anderes vielleicht auf vier Wochen. Deshalb fahre ich eigentlich immer ganz gut, wenn ich Verzugszinsen spätestens einen Monat nach Bezifferung des Anspruchs beantrage.
Nach Fälligkeit erfolgt unbedingte Zahlungsaufforderung evtl. mit Fristsetzung: dann setzt nach Ablauf der Frist Verzug ein.
Hallo Herr Kollege Schepers,
ich wehre mich hinsichtlich des Urteilsausspruchs bei dem Feststellungsantrag dahingehend, dass das Gericht nicht wie das LG Hamburg z.B. Zinsen ab Eingang bei der Gerichtszahlstelle, sondern erst mit Zustellung des MB zugesprochen hat. Das ist m.E. falsch, denn bereits im Zeitpunkt der Einzahlung lag Verzug vor, weil eben die Schadensersatzforderung zu diesem Zeitpunkt bereits fällig war.
Mit freundl. koll. Grüßen
Willi Wacker
@ Willi Wacker:
Verzug
=
schuldhafte
Nichtleistung
trotz Fälligkeit
und Mahnung.
Jedenfalls an der letzten Voraussetzung dürfte es fehlen, denn der Anspruch auf Rückerstattung des Gerichtskostenvorschusses wurde sicherlich nicht mit seiner Einzahlung angemahnt. Da für die Zeit der Leistung auch keine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, ist die Mahnung zwingend erforderlich, um Verzug herbeizuführen.
Und für eine Forderung, die man noch nicht einmal geltend gemacht hat, kann man sicher auch keine Verzugszinsen verlangen. Demnach hat das Gericht (m.E. korrekt) lediglich Prozesszinsen zugesprochen.
Hallo Herr Kollege Uterwedde,
brauchen wir hier in diesem Fall eine Mahnung? Wer soll gemahnt werden? Die Gerichtszahlstelle oder der Beklagte? Das Geld hat die Gerichtskasse, die zurückzuerstatten hat aufgrund der Kostenregelung im Urteil. Die Schadensersatzforderung des Klägers war sofort fällig. War damit auch der Rückforderungsanspruch sofort fällig? Ich meine ja, so dass es keiner Mahnung bedarf, zumal die Mahnung gegenüber dem Beklagten nicht bewirkt, dass der Gerichtskostenbetrag zurückgezahlt wird, sondern erst durch den Kostenausspruch im Titel.
Mit freundl. koll. Grüßen
Willi Wacker