Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
hier und heute veröffentlichen wir für Euch noch ein Urteil aus Schwerin zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die bei der HUK Coburg Versicherte. Im Ergebnis ist das Urteil zwar positiv, aber in der Begründung jedoch teilweise fehlerhaft. So wird die Indizwirkung der bezahlten Rechnung falsch interpretiert bei einer Abtretung an Erfüllungs statt und anschließend dann auch wieder die „Erforderlichkeit“ nach BVSK geprüft und die Einzelposten der Sachverständigenkostenrechnung einer Überprüfung unterworfen, obwohl es bei der Schätzung nur auf den Gesamtbetrag ankommen kann. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Aktenzeichen:
16 C 73/16
Amtsgericht Schwerin
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
… (Versicherte der HUK-COBURG)
– Beklagte –
hat das Amtsgericht Schwerin durch die Richterin am Amtsgericht P. am 01.08.2016 auf Grund des Sachstands vom 29.07.2016 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 61,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.11.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 61,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Von der Abfassung eines Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die Klage ist begründet.
Der Kläger ist aktivlegitimiert, denn die Abtretung des Schadensersatzanspruches des Geschädigten auf Erstattung der Kosten des Sachverständigengutachtens ist wirksam. Eine unangemessene Benachteiligung des Geschädigten gemäß § 307 Abs. 1 BGB liegt darin nicht, denn die Abtretung ist an Erfüllungs statt und nicht Erfüllungs halber erfolgt, worauf sich die von der Beklagten vorgebrachten Ausführungen beziehen. Gemäß § 364 Abs. 1 BGB erlischt die Forderung, wenn der Gläubiger eine andere Leistung an Erfüllungs statt annimmt. Mit der Abtreteung ist daher der Vergütungsanspruch des Klägers an den Geschädigten erloschen, so dass dieser durch die Abtretung in keiner Weise benachteiligt ist. Werden vom Schädiger Sachverständigenkosten nicht erstattet, kann der Kläger die Differenz vom Geschädigten nicht mehr verlangen.
Dem Kläger steht der abgetretene restliche Vergütungsanspruch in Höhe von 61,00 € zu. Es kann gemäß § 287 BGB geschätzt werden, dass das Gesamthonorar von 688,15 € die übliche Vergütung für das vom Kläger erstattete Schadensgutachten darstellt, weshalb auch der noch offene Restbetrag von der unbestritten zu 100 % haftenden Beklagten als Schädigerin zu begleichen ist.
Der Geschädigte kann vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Im vorliegenden Fall ist mit dem Geschädigten keine bestimmte Honorarvereinbarung getroffen worden und der Kläger kann den Geschädigten auch nicht auf Honorarzahlung in Anspruch nehmen.
Hinsichtlich der Erforderlichkeit der streitgegenständlichen Sachverständigenkosten ist der Kläger grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtig. Dabei sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, die der Bundesgerichtshof für die Indizwirkung einer Rechnung aufgestellt hat, nämlich die tatsächliche Begleichung der Rechnung durch den Geschädigten in Übereinstimmung mit der Preisvereinbarung, im vorliegenden Fall jedoch bereits deshalb nicht erfüllt, weil der Geschädigte die Rechnung nicht selbst beglichen, mithin keinen eigenen Aufwand gehabt hat. Die Indizwirkung hinsichtlich der Erforderlichkeit der geltend gemachten Kosten greift vorliegend infolgedessen nicht ein.
Kann man – wie vorliegend – nicht auf die Indizwirkung abstellen, besteht der Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Beauftragung des Sachverständigen bestehend aus Grundhonorar und Nebenkosten dann, wenn diese nicht deutlich überhöht sind.
Für die Beurteilung der Erforderlichkeit der streitgegenständlichen Sachverständigenkosten bildet das Umfrageergebnis des Bundesverbands der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. – BVSK – grundsätzlich eine geeignete Grundlage. Die Einzelergebnisse, also Grundhonorar und Nebenkosten, dürfen dabei nicht losgelöst voneinander in Ansatz gebracht werden, wenn wie hier die streitgegenständliche Rechnung Grundhonorar und Nebenkostenpositionen enthält. Würden hinsichtlich sämtlicher Einzelpositionen, also hinsichtlich des Grundhonorars wie auch hinsichtlich der einzelnen Nebenkosten jeweils Werte an der oberen Grenze des Tabellenwerks abgerechnet, entspräche die Rechnung nicht mehr dem üblichen sondern wäre überhöht (LG Stuttgart vom 14.07.2016, 5 S 164/15, zitiert nach Juris).
Das vom Kläger berechnete Grundhonorar liegt unterhalb des Rahmens im Korridor HB V der für 2015 ermittelten BSVK- Tabelle bei einem Schaden von bis zu 3.750,00 €. Es liegt auch unterhalb des Mittelwertes der Werte der Tabelle zu HB I und III, der sich auf 496,50 € beläuft. Hinsichtlich der Nebenkosten sind die der BVSK-Umfrage 2015 zugrunde gelegten Werte geeignete Vergleichswerte (a.a.O.). Diese hat der Kläger im Wesentlichen eingehalten. Lediglich die Kosten für Porto und Telefon liegen 3,00 € über der dortigen Pauschale. Die Kosten für gefahrene Kilometer entsprechen den ermittelten 0,70 € pro Kilometer. Die Kosten für Fotos sind die gleichen. Die Schreibkosten hat die Beklagte nicht in Frage gestellt. Insgesamt sind Nebenkosten jedoch neben einem Grundhonorar von einem Sachverständigen abrechenbar. Auch dies entspricht der Üblichkeit. Zusammengenommen liegen Grundhonorar und Nebenkosten nur im
mittleren Bereich und stellen damit eine übliche Vergütung dar.
Der Kläger kann Prozesszinsen im zugesprochenen Umfang gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB ab Zustellung des Mahnbescheides beanspruchen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO liegen nicht vor. Weder ist die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, noch erfordern die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.
Es ist doch interessant, wie man unter Berücksichtigung der im Urteilskommentar angesprochenen Kriterien doch zum richtigen Ergebnis findet bzw. die Schadenersatzverpflichtung bestätigt sieht.
Knurrhahn
Aus obiger Urteilsbegründung:
„Der Geschädigte kann vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen.“
Das Gericht verkennt wieder einmal, dass – nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB – nicht auf die Kosten der Leistung „Auftrag zur Erstattung des Kfz-Schadengutachten“ abzustellen ist, sondern auf die Erforderlichkeit der in Anspruch genommenen Leistung. Der Preis der – erforderlich/berechtigt – in Anspruch genommenen Leistung ist nach § 249 Abs. 1 BGB zu erstatten.
Siehe dazu: OLG Koblenz 14. Zivilsenat – AZ: 14 W 64/17 vom 15.02.2017 – Kosten für Privatgutachten während eines laufenden Rechtsstreites sind erstattungsfähig
Aus der Urteilsbegründung:
Der Auftrag an den Privatsachverständigen muss dann im konkreten Fall auch notwendig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung sein. Die Beurteilung dieser Frage hat sich daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei diese die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen, wobei eine Erstattung der Kosten eines Privatgutachtens dann in Betracht kommt, wenn die Partei infolge fehlender Sachkenntnisse nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage ist.