AG Speyer verurteilt HUK24 AG zur Erstattung der durch die HUK gekürzten Mietwagenkosten sowie zur Zahlung der gekürzten Sachverständigenkosten (31 C 272/15 vom 02.10.2015)

Mit Entscheidung vom 02.10.2015 (31 C 272/15) wurde die HUK24 AG durch das Amtsgericht Speyer zur Erstattung außergerichtlich durch die HUK (willkürlich und rechtswidrig) gekürzter Mietwagenkosten sowie Sachverständigenkosten verurteilt. Zur SCHÄTZUNG DER ERFORDERLICHKEIT der Mietwagenkosten im Schadensersatzprozess verwendet das Gericht hier die Schwacke-Liste (Normaltarif). Und genau so ist die BGH-Rechtsprechung zu verstehen. Aus keinem der BGH-Urteile kann man nur ansatzweise entnehmen, dass das Instanzgericht im Rahmen des § 287 ZPO berechtigt sei, Mietwagenkosten auf Grundlage von irgendwelchen Listen freihändig nach Lust und Laune zu KÜRZEN. Schon gar nicht auf Grundlage einer Liste, die durch Prozessbeteiligte (=Versicherungswirtschaft) initiiert und bezahlt wurde (=Fraunhofer-Liste), nachdem der BGH die Schwacke-Liste ausdrücklich als Schätzungsgrundlage zugelassen hatte. Durch die explizite Benennung der Schwacke-Liste durch den BGH verbietet sich grundsätzlich eine Kürzung auf Fraunhofer bzw. auf einen Mittelwert von Schwacke/Fraunhofer. Mietwagenkosten, die im Rahmen von Schwacke liegen, sind (ohne Gegenbeweis durch den Schädiger) erforderlicher Schadensersatz – so zumindest die Aussage eines zuständigen BGH-Richters. Auch Mietwagenkosten oberhalb von Schwacke können erforderlich sein, sofern der Geschädigte den entsprechenden Beweis dafür liefert (z.B. sofortige Anmietung erforderlich – kein Fahrzeug zum Normaltarif verfügbar usw.).
Da sollten einige Gerichte (auch diverse OLGs) mal in sich gehen, was für ein Mist zum Thema Mietwagenkosten in den letzten Jahren verzapft wurde und Revue passieren lassen, wieviel berechtigter Schadensersatzanspruch von Geschädigten – durch aktive Beihilfe diverser Gerichte – in die Taschen der Versicherer gewandert ist.

Auch zu den Sachverständigenkosten hat die Richterin hier sehr souverän entschieden und die Sicht des Geschädigten deutlich in den Fokus gestellt. Alles in allem eine erfreuliche Entscheidung, für die sich die CH-Urteilslisten recht herzlich bedanken.

Aktenzeichen:
31 C 272/15

Amtsgericht
Speyer

IM NAMEN DES VOLKES
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

HUK24 AG, vertreten durch d. Vorstand, dieser vertreten d. d. Vorstandsvorsitzenden, Bahnhofsplatz 1, 96440 Coburg

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Speyer durch die Richterin am Amtsgericht L. am 02.10.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:

1.     Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 113,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.02.2015 zu zahlen.

2.     Die Beklagte wird verurteilt, an das Autohaus … 166,23 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.02.2015 zu zahlen.

3.     Die Beklagte wird verurteilt, an die Rechtsanwälte … weitere 85,44 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.07.2015 zu zahlen.

4.     Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5.     Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall vom 31.12.2014 in Schifferstadt. Die alleinige Haftung der Beklagten ist unstreitig, die Parteien streiten noch um Mietwagen- und Sachverständigenkosten. Auf eine Darstellung des Tatbestandes im Einzelnen wird gem. § 313 a ZPO verzichtet.

Die Klägerin hat gem. § 249 BGB Anspruch auf Ersatz der restlichen Mietwagenkosten in tenorierter Höhe. Die Klägerin hat ausweislich des vorgelegten Mietvertrages vom 02.01.2015 (Bl. 78 d. A.) und der vorgelegten Rechnung vom 20.01.2015 (Bl. 54 d. A.) für die Zeit vom 02.01.-17.01.2015 einen Fabia Cool Edition bei dem Autohaus … angemietet.

Nach § 249 BGB kann der Geschädigte als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Mietwagenkosten verlangen. Als erforderlich sind diejenigen Mietwagenkosten anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei, ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot, gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren Möglichkeiten den wirtschaftlich sinnvolleren Weg zu wählen (BGH, Urt. v. 09.05.2006 – VR ZR 117/05). Die Frage, ob die geltend gemachten Mietwagenkosten als zur Herstellung erforderlich anzusehen sind, ist danach zu beurteilen, ob sie sich im Rahmen des üblichen Mietwagentarif (Normaltarif) bewegen (BGH, Urt. v. 19.01.2010 – VI ZR 112/09). Der Normaltarif ist grundsätzlich als erforderlich anzusehen, es sei denn der Geschädigte hätte Kenntnis von der Möglichkeit der Anmietung zu einem günstigeren Preis gehabt.

Dabei kommen sowohl die Schwacke-Mietpreisliste, als auch die Erhebung des Fraunhofer Instituts grundsätzlich als Schätzgrundlage des Normaltarifs infrage. Dies gilt nur ausnahmsweise dann nicht, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass sich eine methodische Schwäche im konkreten Fall ausgewirkt hat. Solche Fehler sind vorliegend von der Beklagten nicht vorgetragen worden.

Das von der Klägerin angemietete Fahrzeug ist in die Fahrzeugklasse 2 einzuordnen. Nach der maßgeblichen Schwacke Mietpreisliste 2014 ergibt sich im Normaltarif eine Wochenpauschale von 531,50 € und eine Tagespauschale von 95,– €. Nach der Nebenkostentabelle sind für Winterreifen 10,– € / tgl. anzusetzen. Daraus errechnet sich für 16 Tage eines Gesamtforderung von 1.413,– €.

Gesonderte Kosten für Winterreifen sind angesichts des Anmietzeitraums im Winter erstattungsfähig.

Von den errechneten Mietwagenkosten muss sich die Klägerin keinen Abzug nach den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs anrechnen lassen. Dieser Abzug findet seine Grundlage darin, dass durch den unfallbedingten Ausfall das klägerische Fahrzeug während der Anmietung des Fahrzeuges nicht genutzt wird. Die Geschädigte hat jedoch ein gruppentieferen Fahrzeugs angemietet. Ihr eigenes Fahrzeug ist, wie sich aus der Schwacke Mietwagenliste ergibt, in die Fahrzeugklasse 3 einzustufen, angemietet hat sie, wie bereits ausgeführt, ein Fahrzeug der Gruppe 2. Ein darüber hinausgehender Abschlag ist nicht geboten. Ohnehin wäre ein solcher lediglich in Höhe von 5 % der Kosten zu berücksichtigen.

Nach alledem errechnen sich ausgehend vom Schwacke Mietpreisspiegel Mietwagenkosten in Höhe von 1.413,– € Die Rechnung des Autohauses … (Bl. 29 d. A.) liegt mit 1.266,98 € unter diesen Kosten. Die Beklagte hat bereits 1.100,75 € auf die Mietwagenkosten gezahlt. Die darüber hinaus gehenden geltend gemachten Kosten in Höhe von 113,54 € sind ebenfalls erstattungsfähig.

Auf die Frage, ob die Klägerin auch über dem Normaltarif liegende unfallbedingte Mehrkosten oder Kosten für Zustellung und Abholung verlangen kann kommt es nach alledem gar nicht an.

Die Klägerin kann Zahlung an das Autohaus … verlangen, es handelt sich um einen Fall der zulässigen gewillkürten Prozessstandschaft.

Die Behauptung der Beklagten, eine Vereinbarung mit dem Autohaus … getroffen zu haben, war bestritten. Dazu erfolgten weder die Vorlage der behaupteten Vereinbarung nach weiterer substantiierter Vortrag.

Die Klägerin hat auch Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten restlichen Sachverständigenkosten.

Gem. § 249 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Dazu gehören auch die Kosten für ein Sachverständigengutachten, wenn die Einholung eines solchen zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (BGH VersR 2005, 380).

Auch insoweit ist der Geschädigte nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicherem Weg der Schadensbehebung zu wählen. Der Geschädigte ist aber grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst günstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (BGHZ 163, 362 (367 f.), BGH VersR 2007, 560). Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen. Dies gilt auch für die Höhe des Sachverständigenhonorars (BGH VersR 2007, 560).

Was im Rahmen des Erforderlichen liegt, kann das Gericht gem. § 287 ZPO schätzen. Dabei kann der tatsächliche Autwand bei der Schadensschätzung einen Anhalt geben. Eine pauschale an der Schadenshöhe orientierte Rechnungslegung ist dabei möglich (BGH NJW 2007, 1450). Es ist auch durchaus angemessen und üblich, die Nebenkosten neben dem Grundhonorar gesondert festzusetzen.

Letztlich kann dies aber dahinstehen, da jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass es der Geschädigten als Laie erkennbar gewesen wäre, dass die Kosten für das beim Sachverständigenbüro … beauftragte Gutachten teurer als üblich werden.

Wie bereits ausgeführt, ist der Geschädigte nicht verpflichtet, Marktforschung zu betreiben. Es ist ihm nicht zuzumuten, mehrere Kostenvoranschläge von Sachverständigen einzuholen. Ein Preisvergleich dürfte auch ohne vorherige Begutachtung durch mehrere Sachverständige nur schwer möglich sein. Es fehlen auch Tarifübersichten, anhand derer der Kunde sich informieren könnte. Der Streit über die Höhe der Sachverständigenkosten kann daher nicht auf dem Rücken der Geschädigten ausgetragen werden. Zwar darf ein Geschädigter nicht jeden beliebigen Preis vereinbaren. Solange es für ihn als Laien jedoch nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt, kann der Geschädigte vom Schädiger den Ausgleich gezahlter Aufwendungen verlangen.

Ein Auswahlverschulden der Geschädigten ist weder vorgetragen, noch ersichtlich. Die Klägerin hat das Sachverständigenbüro auf Empfehlung ihrer Reparaturwerkstatt beauftragt. Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, welche Sachverständige im Einzugsbereich der Geschädigten tatsächlich günstiger gewesen wären. Die Höhe des Sachverständigenhonorars, netto 761,80 €, brutto 906,54 € (Bl. 28 d. A.), steht nicht im auffälligen Missverhältnis zu den im Gutachten vom 13.01.2015 errechneten Reparaturkosten in Höhe von netto 5.481,34 €, ebensowenig die Grundgebühr i. H. v. 678,70 € netto zu den Nebenkosten in Höhe von 83,10 € netto.

Auf die Sachverständigenkosten hat die Beklagte bereits 793,– € bezahlt, der Restbetrag (906,54 € – 793,– € =) 113,54 € sind nach alledem ebenfalls zu erstatten.

Die Zinsen sind gem. §§ 286, 288 BGB geschuldet. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 11.02.2015 (Bl. 32 d. A.) eine weitere Zahlung ernsthaft und endgültig verweigert.

Die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung errechnen sich aus einem Gegenstandswert in Höhe von 10.035,90 €, der sich aus dem vorgerichtlich bereits gezahlten Betrag und den hier streitigen Restansprüchen errechnet. Auf die Gesamtforderung in Höhe von 972,47 € hat die Beklagte bereits 887,03 € gezahlt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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Eine Antwort zu AG Speyer verurteilt HUK24 AG zur Erstattung der durch die HUK gekürzten Mietwagenkosten sowie zur Zahlung der gekürzten Sachverständigenkosten (31 C 272/15 vom 02.10.2015)

  1. Iven Hanske sagt:

    Ohne BVSK und Fraunhofer (beides ist Versicherungsgesteuert), die Begründung ist sehr gut, nein ausgezeichnet.

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