Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
hier nun das weitere angekündigte Urteil als spannende Wochenendlektüre. Es handelt sich um ein Urteil des Amtsgerichts Starnberg vom 20.6.2013. Wieder einmal war es die HUK-Coburg Allgemeine Versicherungs AG Dortmund, die meinte den Schaden des Geschädigten nicht vollständig ausgleichen zu müssen. Ein Wermutstropfen ist, dass die Richterin das werkvertraglich zu betrachtende Honorar auf Angemessenheit und Üblichkeit geprüft hat und dabei die BVSK-Honorarbefragung zugrunde gelegt hat. Dabei kamen dann Kürzungen der Post/Telekom-Kosten vor. Bedauerlich, aber leider nicht mehr zu ändern. Dabei hat das Gericht völlig ignoriert, dass es sich um eine Schadensersatzforderung handelt und wie Schadensersatz zu leisten ist, sich aus § 249 BGB ergibt. Das Urteil wurde dem Autor zugesandt durch Herrn Rechtsanwalt Imhof, Aschaffenburg, der auch das Urteil erstritten hat. Der Feststellungsantrag wurde meines Erachtens auch zu Unrecht abgelehnt. Lest selbst und gebt auch im Hinblick auf das sonnige Wochenende Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker
Amtsgericht Starnberg
Az.: 7 C 692/13
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
des Herrn Dipl.-Ing. R. H. aus B.
– Kläger –
Rechtsanwälte D. I. & P. aus A.
gegen
HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand, Saarlandstraße 25, 44139 Dortmund
– Beklagte –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte V. G. & C. aus E.
wegen Forderung
eriässt das Amtsgericht Starnberg durch die Richterin … am 20.06.2013 auf Grund des Sachstands vom 20.06.2013 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 57,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.122012 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
I.
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt
II.
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Bezahlung von 57,54 € aus abgetretenem Recht gemäß §§ 7 I StVG, 823 I BGB i.V.m. § 115 11 Nr 1 VVG, § 1 PflVG, § 398 S. 2 BGB.
1. Der Unfallgeschädigte und Zedent Herr … ließ ein Kfz-Gutachten erstellen. Gemäß §§ 7 I StVG, 823 I BGB i.V.m. § 115 I 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG, § 249 BGB ist die Beklagte grundsätzlich verpflichtet, den aus einem Unfall resultierenden Schaden zu ersetzen, mithin auch die Kosten für ein Kfz-Sachverständigengutachten, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich und zweckmäßig sind (Palandt, BGB, § 249 Rn. 58). Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen. Zu erstatten sind lediglich die üblichen Sachverständigenkosten. Denn ohne Honorarvereinbarung richtet sich die Vergütung des Sachverständigen gemäß § 632 Abs. 2 BGB nach dem Üblichen. Ist dagegen eine Honorarvereinbarung zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen geschlossen, läge ein Verstoß gegen die Schadensminderungspfficht nach § 254 BGB vor, wenn sie über das Übliche im Sinne von § 632 Abs. 2 BGB hinaus geht.
Das Gericht schätzt die übliche Vergütung für den streitgegenständlichen Schadensfall gemäß § 287 ZPO in Anlehnung an die BVSK-Honorarbefragung 2011 auf 361,08 € netto bzw. 429,69 € brutto.
Die BVS-Honorarbefragung 2011 ist geeignete Schätzgrundlage. Es handelt sich um eine Honorarbefragung unter den Mitgliedern des BVSK. Eine besser geeignete Grundlage der Schätzung ist dem Gericht nicht bekannt. Auch im Rahmen der Erholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens müsste sich der Sachverständige zumindest mit dieser Honorarbefragung zur Bewertung der Üblichkeit auseinandersetzen.
Heranzuziehen ist der Wert unter HB IV, unterhalb dessen 90 % der Mitglieder des BVSK ihr Honorar berechnen. Maßgeblich ist nicht ein Mittelwert, sondern die Grenze der Üblichkeit. Selbige ist bei ungewöhnlichen Ausschlägen überschritten, weshalb die oberen 10 % der Erhebung zu streichen sind.
Auch die Nebenkosten sind Teil der als üblich zu schätzenden Vergütung und nach der BVSK-Honorarbefragung nicht im Grundhonorar enthalten, damit hinzuzurechnen.
In Anbetracht des streitgegenständlichen Schadens von 1.078,93 € mit Mehrwertsteuer ist eine Grundvergütung von 244,00 € üblich.
Für Bilder kann die Klägerin 41,90 € ersetzt verlangen. Die Kosten der 2 x 10 Digitalfotos sind als zweckentsprechende Rechtsverfolgung zu ersetzen. Es können nach der BVSK-Honorarbefragung jedoch lediglich 2,48 € je Foto für den 1. Fotosatz und 1,71 € für den 2. Fotosatz ersetzt verlangt werden.
An Schreibkosten kann die Klägerin 56,90 € ersetzt verlangen, nämlich für 5 Seiten zu 3,64 € und für 15 Seiten 2,58 €.
An Fremdkosten Post/Telekom können insgesamt nur 18,28 € ersetzt verlangt werden. Dies ergibt sich aus der Obergrenze der pauschalen Vergütung für Porto/Telefon nach HB IV der BVSK-Honorarbefragung 2011.
Es ergibt sich somit ein Gesamtbetrag der Vergütung von 361,08 € netto bzw. 429,69 € brutto – 321,00 € wurden hierauf bereits bezahlt. Es ergibt sich ein Restbetrag von 108,69 €. Die geltend gemachten 57,54 € waren daher zuzusprechen.
2. Dem steht auch nicht entgegen, dass es sich lediglich um einen Schaden in Höhe von 1.078,93 € gehandelt hat Auch in diesem Fall ist der Geschädigt berechtigt, ein Gutachten einzuholen. Es handelt sich auch insoweit um erforderliche Kosten. Der Geschädigte kann nicht auf die Einholung eines Kostenvoranschlags verwiesen werden (Palandt, BGBS § 249 Rn. 58).
3. Soweit die Beklagte die Eigentümerstellung des Geschädigten … bestritten hat, ist folgendes auszuführen:
Wer eine Forderung bestätigt hat, muss den Gegenbeweis zu führen, dass dem Gläubiger keine oder nur geringere Ansprüche zustehen.
Richtig mag zwar sein, dass die Zahlung einer Schuld nicht genügt, um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis annehmen zu können (Palandt BGB, § 781 Rn. 3).
Dennoch steht dem nicht entgegen, dass es sich um ein Zeugnis der Anerkennenden gegen sich selbst handelt, das zu einer Umkehr der Beweislast führt (Palandt BGB, § 781 Rn. 6).
4. Auch ist die Abtretungserklärung nicht mangels Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit unwirksam. Richtig ist zwar, dass es erforderlich ist, in der Abtretungserklärung den Umfang der von der Abtretung erfassten Forderungen und der Reihenfolge nach aufzuschlüsseln.
Vorliegend hat der Geschädigte … ausweislich der vorgelegten Abtretungserklärung „seine Forderung auf Ersatz dieser Sachverständigenkosten, die ich gegen den Fahrer und Fahrzeughalter als Schädiger bzw. gegen den Kostenträger aus dem Schaden habe, […]“ abgetreten. Der Umfang der abgetretenen Forderung ist daher eindeutig.
5. Auch ist Abtretung nicht wegen Verstoßes gegen das RDG unwirksam gemäß § 134 BGB.
Es kann offenbleiben, ob es sich bei der Einziehung der an die Kl. abgetretenen Schadensersatzforderung des Geschädigten um eine Rechtsdienstleistung i.S. des § 2 RDG handelt oder eine eigene Rechtsangelegenheit der Kl. vorliegt Auch wenn man vom Vorliegen einer Rechtsdienstleistung ausgeht, ist diese jedenfalls nach den Grundsätzen des nach der Entscheidung des Ber-Ger. ergangenen Senatsurteifs vom 311 2012 (NJW 2012, 1005) nach § 5 RDG erlaubt. Nach dieser Vorschrift sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Handelnden gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit und der Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Danach sind im Streitfall die Voraussetzungen des § 5 I 1 RDG erfüllt
6. Zinsen können erst seit Rechtshängigkeit zugesprochen werden (§ 291 BGB). Es fehlt jeder Vortrag, inwiefern bereits vor Rechtshängigkeit die Beklagte zur Zahlung unter Fristsetzung aufgefordert worden ist.
Verzug durch unvollständige Regulierung kann nicht angenommen werden, da der Kläger deren Zeitpunkt nicht vorträgt.
III.
Der Feststellungsklage ist unbegründet.
Zwar ist ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch neben einem prozessualen nicht von vorneherein ausgeschlossen, doch erfordert ein Antrag auf dieser Grundlage, dass die Voraussetzungen einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage für Kostenerstattung (z. B. aus Vertrag, Verzug, § 311 BGB, Geschäftsführung ohne Auftrag oder Delikt) erfüllt sind. Hinsichtlich des Feststellungsantrags der Klägerin bedarf mithin neben dem Nachweis einer Verzugslage auch der eingetretene Schaden besonderer Darlegung.
Schadensbegründend ist vorliegend nicht die Unterlassung der rechtzeitigen Zahlung einer Geldforderung durch den Schuldner, deren Geldwert damit dem Gläubiger nicht zur Verfügung steht und Verzugszinsfolgen auslöst. Für diese „Geldschuld“ bildet § 288 BGB die Rechtsgrundlage für einen gesetzlich pauschalierten Schadensersatz in Höhe eines bestimmten Zinssatzes. Die Klägerin begehrt hier Verzugszinsen nicht auf die verzugsauslösende Geldschuld, sondern für ihre Geldaufwendungen als Gläubigerin, die sie getätigt hat, um mit gerichtlicher Hilfe eine nach ihrer Ansicht berechtigte Geldforderung durchzusetzen. In Fällen dieser Art kann zur Schadensbemessung nicht auf die abstrakten Regelungen des § 288 BGB zurückgegriffen werden. Der Schaden kann allenfalls in einer konkreten Aufwendung von Zinsen (z. B. durch Kreditaufnahme oder Kontoüberziehung) oder in dem Verlust einer Zinsanlagemöglichkeit für den als Gerichtskosten eingezahlten Geldbetrag liegen. Hierzu fehlt substantiierter Sachvortrag. Die Feststellungsklage ist daher unbegründet.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 II Nr. 1 ZPO.
Da die Zuvielforderung lediglich geringfügig ist bzw. nicht streitwerterhöhende Nebenforderungen betrifft, macht das Gericht von § 92 II Nr. 1 ZPO Gebrauch und legt der Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits auf.
V.
Die Entscheidung zur vorläufigen Voilstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713ZPO.
VI.
Die Voraussetzungen einer Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtsache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Insbesondere ist im hiesigen Bereich die BVSK-Honorarbefragung eine seit Jahren übliche Schätzgrundlage.
Hallo, W.W.,
das ist ja wieder ein besonders interessantes Urteil. § 249 BGB wird nur in dem „passenden“ Zusammenhang angemerkt und von der verpflichtenden Herstellung des Zustandes, wie vor dem Unfall, ist noch nicht einmal ansatzweise die Rede.
Ich bin mir deshalb sicher, dass die mit dieser Sache befaßte Richterin innerhalb dieses Entscheidungsrahmens „grundsätzlich“ nicht den gesamten Akteninhalt berücksichtigt hat, so beispielsweise gerade nicht, dass für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen ist. Und die dann angeschlossenen Auffassung, dass „lediglich“ die „üblichen“
Sachverständigenkosten zu erstatten seien, zeigt, dass diese Richterin mit der Aufgabenstellung schlichweg überfordert war. Die Frage der sog. „Üblichkeit“ ist der werkvertaglichen Betrachtungsweise entlehnt, spielt bekanntlich aber schadenersatzrechtlich keine entscheidungserhebliche Rolle. Es gibt schadenersatzrechtlich nicht das ÜBLICHE Honorar, da ein verkehrsfähiges Beweissicherungs-Gutachten sich inhaltlich nicht nur auf die Darbietung von Prognosen beschränkt und hier liegt immer wieder der große Denkfehler im Zusammenhang mit der Tasache, dass Gutachtennebenkosten von der Schadenhöhe unabhängig sind, nicht jedoch bei dem HUK-Honorartableau 2012! Dass dies bisher noch nie angesprochen wurde, ist erstaunlich. Ebenso erstaunlich ist, dass die BVSK-Honorarbefragung mehr oder weniger unkritisch auch hier mal wieder als „geeignete Schätzgrundlage“ angesehen wird. Wieso ist eine Honorarbefragung mit Vergangenheitsdaten geeignete Schätzgrundlage, wenn es nichts zu Schätzen gibt, weil eine Rechnung vorliegt und der BGH selbst die Regulierungsverpflichtung für überhöhte Honorare zugestanden hat und Erfordernisse für eine Überprüfung durch die Gerichte verworfen hat. War der Richterin überhaupt der Erfassungsbogen bekannt, welcher der angesprochenen Honorarbefragung zu Grunde liegt? Wohl kaum, denn ansonsten wären ihr sicherlich Zweifel an einer geeigneten Schätzgrundlage gekommen. Bevor man sich mit der Bewertung der Üblichkeit befaßt, sollte man die Definition der Üblichkeit lt. BGH kennen und verstehen sowie zunächst die Frage klären, ob diese schadenersatzrechtlich von Bedeutung ist oder überhaupt einer Verifizierung nicht zugänglich ist. Und dann kommen folgende Ausführungen, die eigentlich einer Erklärung bedürften:
“ Maßgeblich ist nicht ein Mittelwert, sondern die „Grenze der Üblichkeit“. Selbige ist bei „ungewöhnlichen Ausschlägen“ überschritten, weshalb die oberen 10 % der Erhebung zu streichen sind.“ ????
Ist bei einem streitgegenständlichen Schadens von 1.078,93 € mit Mehrwertsteuer eine Grundvergütung von 244,00 € üblich? Das läßt sich ganz gewiß nicht feststellen, sondern allenfalls eine beträchtliche Bandbreite des Grundhonorars, denn das Merkmal der Üblichkeit ist im konkreten Fall nicht an einen festgeschriebenen Betrag gebunden. Eine Fehleinschätzung im Quadrat würde vielleicht ein Mathematiker konstatieren.
Mit allem Folgenden wurde hier wieder einmal ein Urteil präsentiert, für das sich das Gericht hat mißbrauchen lassen, als eine Art Preisfestsetzungsbehörde zu fungieren, was bekanntlich als ein Verstoß gegen das Grundgesetz zu bewerten ist. Hier fehlt es ersichtlich an einer klaren Strukturierung der Aufgabenstellung, wie auch an der nowendigen Beschränkung auf das schadenersatzrechtlich Relevante.
Die Klärung eines Auswahlverschuldens, die Position ex ante des Unfallopfers und die richtige Einbindung des § 249 BGB hätten genügt, um hier einer rechtswidrige Schadenersatzverkürzung deutlich entgegenzutreten, während ich eine Abhandlung über eine Schadenminderungspflicht schon wieder für sehr fragwürdig halten würde und dafür gibt es gleich mehrere Gründe.
Euer Knurrhahn
@ Knurrhahn
Alles richtig. Leider werden diese von Dir hier vorgetragenen Gesichtspunkte nicht von allen Anwälten vorgebracht oder wenn sie vorgetragen werden, dann werden sie von den entscheidenden Richterinnen und Richtern nicht ausreichend berücksichtigt.
Trotzdem ein schönes Wochenende
Mit freundlichen Grüßen
F-W Wortmann
Mit diesem Urteil ist hoffentlich jetzt bei dem AG Starnberg, zumindest in der 7. Zivilabteilung, die Messe gelesen in Punkto Gutachterhonorar nach Verkehrsunfall. Die HUK-Coburg sollte in Zukunft um Starnberg einen weiten Bogen machen.