Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
zum beginnenden Wochenende veröffentlichen wir hier ein umfangreiches Urteil aus Staubing zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen den VN der HUK-COBURG. Immer häufiger werden wegen des von der HUK-COBURG nicht regulierten Restschadensersatzes nicht mehr die beratungsresistente HUK-COBURG, sondern zu Recht deren Versicherungsnehmer gerichtlich in Anspruch genommen. Wir meinen, dass der erkennende Richter in Straubing eine hervorragende Entscheidung getroffen hat. Allerdings liegen die Wermutstropfen bei dem BVSK-Vergleich und wieder einmal bei den „Gebühren“. Es gibt keine Gbühren bei Kfz-Sachverständigen. Diese berechnen Sachverständigenkosten. Der Richter hat viele Argumente, die hier vorgetragen wurden, 1:1 in der Begründung übernommen. Das Urteilsergebnis ist natürlich auch ein klarer Vortrags-Erfolg für den Klägervertreter. So müsste es eigentlich immer laufen. Die richtigen rechtsdogmatischen Argumente sauber vortragen und dann den BVSK-Mist noch weglassen. Denn gemäß BVSK-Rundschreiben will der Geschäftsführer des BVSK in der BVSK-Honorarbefragung 2015 die Nebenkosten nach JVEG vorgeben. Dem Herrn Fuchs – als gelernten Juristen – müsste doch auffallen, dass er damit gegen die Rechtsprechung des BGH (BGH NJW 2007, 1450) verstößt? Damit nicht doch das JVEG durch die Hintertüre bei den freien Kfz-Sachverständigen eingeführt wird, sollte eigentlich immer der Bezug – auch hilfsweise – auf BVSK vermieden werden. Eine Angemessenheitsprüfung nach BVSK hat im Schadensersatzprozess nichts zu suchen. Lest selbst und gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende ohne Unwetter
Willi Wacker
Amtsgericht Straubing
Az.: 002 C 495/15
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte I & P. aus A.
gegen
… (VN der HUK-COBURG)
– Beklagter –
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt H. H.-G. aus N.
wegen Forderung
erlässt das Amtsgericht Straubing durch den Richter am Amtsgericht L. H. am 10.06.2015 aufgrund des Sachstands vom 10.06.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 147,76 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.04.2011 sowie weitere 70,20 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.12.2013 zu bezahlen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 147,76 € festgesetzt.
Tatbestand und Entscheidungsgründe
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
I.
Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz in Form von Gutachterkosten aus einem Verkehrsunfall im Amtsgerichtsbezirk Regensburg.
Die Geschädigte gab bei der Klagepartei ein Sachverständigengutachten zur Schadenshöhe am Kfz der Geschädigten in Auftrag. Die ihr insoweit in Rechnung gestellten Kosten verlangt der Kläger aus abgetretenem Recht von dem Beklagten ersetzt.
Auf den für die Erstellung des Gutachtens in Rechnung gestellten Betrag von 837,76 € regulierte der Beklagte bzw. sein Haftpflichtversicherer 690,00 €. Der Kläger verlangt nun die Differenz in Höhe von 147,76 €.
Der Kläger beantragt, wie folgt zu erkennen:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 147,76,27 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08.04.2011 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 70,20 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 24.12.2013 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt Klageabweisung.
Der Beklagte trägt vor, die Sachverständigenkosten seien überhöht.
Zur Ergänzung des Tatbestands im übrigen wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die übrigen Aktenbestandteile.
II.
Gem. §§ 7 I, 17 I StVG, §§ 249, 398 BGB besteht ein Anspruch des Klägers aus abgetretenem Recht auf Ersatz der noch nicht regulierten Gutachterkosten in der verlangten und zugesprochenen Höhe.
1. Der Kläger ist aufgrund der wirksamen Sicherungsabtretung aktivlegitimiert. Die Wirksamkeit der Abtretung ist beklagtenseits nicht in Abrede gestellt.
2. Die tatsächlichen Voraussetzungen der grundsätzlichen und vollen Einstandspflicht des Beklagten für die Schäden aus dem Verkehrsunfall hat die Klagepartei schlüssig vorgetragen. Dieser Vortrag blieb unwidersprochen und gilt damit gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.
3. In der Hand der Geschädigten bestünde gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1, 2 BGB, §§ 1, 3 Nr. 1 PflVG bzw. § 115 VVG ein Anspruch auf Ersatz der Gutachterkosten in zugesprochener Höhe.
a) Die Kosten des vom Geschädigten eingeholten Sachverständigengutachtens sind dem Grunde nach erstattungsfähig. Die Geschädigte hatte das Recht, ein Sachverständigengutachten zur Feststellung des Wiederbeschaffungswertes und des Restwertes zu erholen. Nach § 249 II 1 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen (BGH NJW 2007, 1450). Ein nach dem Verkehrsunfall in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar ist als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 II BGB anzusehen (BGH, a.a.O.). Der Geschädigte kann von dem Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand jedoch nur die Kosten erstattet verlangen, die von dem Standpunkt eines verständigen und wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (BGH, a.a.O.).
b) Bei dem abgerechneten Honorar für die Gutachtenserstellung handelt es sich nach durch Schätzung gem. § 287 ZPO gewonnener Überzeugung um den erforderlichen Geldbetrag i.S.d. § 249 II 1 BGB. Als Grundlage der Berechnung ist auf die BVSK-Honorarbefragung 2013 abzustellen. Diese Befragung stellt eine geeignete Schätzungsgrundlage dar. Das vorliegend angesetzte Grundhonorar hält sich entsprechend der zugrundezulegenden Schadenshöhe im Rahmen dieser Schätzungsgrundlage. Eine Sittenwidrigkeit ist nicht ersichtlich.
Es kommt auch nicht darauf an, ob die vom Kläger erstellte Honorartabelle vertraglich vereinbart wurde oder ob es sich um eine Bestimmung nach billigem Ermessen im Rahmen des § 315 BGB handelt. Jedenfalls liegen keine Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden des Geschädigten bei der Beauftragung des Klägers vor. Konkrete Zweifel an der Seriosität der Preisgestaltung des Klägers mussten beim Geschädigten nicht aufkommen. Auch steht die Höhe des geltend gemachten Honorars nicht derart in einem Missverhältnis zur Schadenshöhe oder zur Höhe der späteren Reparaturkosten, dass dem Geschädigten ein offenkundiges Missverhältnis hätte auffallen müssen. Aus einer Relation zwischen der Sachverständigenrechnung und dem Schaden kann sich bereits denklogisch kein Anhaltspunkt für eine Überhöhung der geltend gemachten Kosten ergeben. Gerade bei geringen Schäden kann es nach der Lebenserfahrung aus technischer Sicht besonders schwierig sein, die Erforderlichkeit einer Reparatur zu begründen.
Die Vereinbarung und Anwendung einer Mischkalkulation verstößt auch nicht gegen § 315 BGB oder eine andere Obliegenheit des Geschädigten zur Schadensgeringhaltung. Denn in der BVSK-Honorarbefragung 2013 wird ebenfalls von einer Mischkalkulation ausgegangen, wenn dort Grundhonorar und Nebenkosten getrennt ausgewertet werden. Ein Vertragsschluß zu Abrechnungsmodalitäten, wie sie der BVSK seiner Marktuntersuchung zu Grunde liegt, kann weder gegen die Anforderungen der Billigkeit noch gegen eine Schadensgeringhaltungspflicht verstoßen.
Vorliegend wurde ein Schaden in Höhe von EUR 5.871,15 im Gutachten ermittelt. Unter diesen Umständen erscheint auch die Beauftragung eines Sachverständigen aus Sicht der Geschädigten nachvollziehbar. Weiter ist auch hinsichtlich der Höhe von Unangemessenheit nicht auszugehen. Die entsprechenden Werte des Grundhonorars und der Nebenkosten liegen – wenn auch knapp – noch in dem Bereich, in welchen nach der gerichtsbekannten BVSK-Honorarbefragung 2013 40 % bis 50 % der BVSK-Mitglieder ihr Honorar berechnen.
Hinsichtlich der Nebenkosten konnte die Geschädigte die entsprechende Rechnungstellung der Höhe nach nicht beeinflussen. Es liegt insoweit ein Fall des sog. Werkstattrisikos vor. Etwaige Verletzungen vertraglicher Nebenpflichten durch zu lange Anfahrtswege lösten allenfalls einen Schadensersatzanspruch aus, welchen schadensmindemd geltend zu machen der Geschädigten selbst nicht zumutbar ist. In der Hand der Geschädigten bestehen daher die Gutachterkosten auch in der abgerechneten Art und Weise. Dies gilt aus den oben angeführten Gründen für Zeitaufwand ebenso wie für Foto-, Schreib- und Fahrtkosten sowie Kosten für Anfragen bei Datenbanken und Dritten, da auch hierauf die Geschädigte keinen Einfluß hat.
c) Darüber hinaus ist es der Beklagten im Verhältnis zur Geschädigten auch verwehrt, sich auf eine vermeintliche Überhöhung der Sachverständigengebühren zu berufen (Palandt-Heinrichs, § 249 BGB Rn. 58; LG Bochum NJW 2013, 3666). Es ist nämlich einem Geschädigten vor Erteilung des Gutachtensauftrages nicht zuzumuten, „Marktforschung“ zu betreiben und in jedem Fall mehrere Kostenvoranschläge von Sachverständigen einzuholen, § 254 BGB analog. Ein Preisvergleich dürfte ohne vorherige Begutachtung des Fahrzeugs durch mehrere Sachverständige auch nur schwer möglich sein. Zudem fehlen Tarifübersichten, anhand derer der Kunde sich informieren könnte. Der Streit über die Höhe der geltend gemachten Sachverständigenkosten kann daher nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen werden. Der Sachverständige ist ebenso wie der Mietwagenunternehmer auch kein Erfüllungsgehilfe des Geschädigten, dessen etwaiges Verschulden ihm nach §§ 254 II 2, 278 BGB zugerechnet würde. Zwar darf ein Geschädigter auf Kosten des Schädigers nicht jeden beliebigen Preis vereinbaren. So lange für ihn allein als Laien jedoch nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder den Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt, kann der Geschädigte vom Schädiger den Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung hiervon verlangen (Grunsky NZV 2000, 4; OLG Nürnberg OLG-R 2002, 471).
Nach der oben dargelegten Schätzung im Sinne von § 287 ZPO halten sich die hier abgerechneten Kosten jedenfalls im Bereich des Üblichen und Regelmäßigen, sodass jedenfalls keine Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden des Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen vorliegen.
4. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn – wie hier – nicht der Geschädigte selbst, sondern der Sachverständige aus abgetretenem Recht vorgeht. Denn geltend gemacht werden die Ersatzansprüche des Geschädigten, die sich durch die Abtretung weder verändern noch umwandeln. Der hierzu von Hörl (NZV 2003, 305 [307]), dem wohl auch das AG Regensbung folgt, vertretenen Ansicht, dass der Sachverständige, wenn er auf Grund einer Sicherungsabtretung seinen Vergütungsanspruch gegen den Geschädigten beim Schädiger/Versicherer selbst geltend macht, die volle Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit seiner Vergütungsbemessung i.S.d. § 315 BGB trägt, kann nicht beigetreten werden. So hat auch das OLG Sachsen-Anhalt (NZV 2006, 546) gegen eine Anwendung des § 315 BGB bei Sicherungsabtretung entschieden (so auch die klägerseits zitierten Urteile des AG Straubing). Bei der Abtretung wie auch der Sicherungsabtretung handelt es sich nämlich um ein Verfügungsgeschäft. Der Gläubiger eines Anspruchs wird ausgewechselt. Hierdurch wird kein Einfluß auf den Rechtsbestand des Anspruchs selbst genommen. Es ist der Rechtsordnung schlicht fremd und mit der Normentheorie zur Beweislast nicht vereinbar, dass – wie Folge der von Hörl vertretenen Ansicht wäre – die Darlegungs- und Beweislast allein von der Frage abhängt, wer hinsichtlich eines bestimmten Anspruchs aktivlegitimiert ist. Die Beklagte ist insoweit auch nicht rechtlos gestellt, da sie sich gegebenenfalls die Rechte des Geschädigten gemäß §§ 315 Abs. 3 bzw. 280, 631 Abs. 1, 812 BGB analog § 255 BGB hätte abtreten lassen und z. B. im Wege der Aufrechnung hätte geltend machen können (OLG Nürnberg, OLG-R 2002, 471). In diesem Fall wäre es dann Sache der Beklagten gewesen, darzulegen und zu beweisen, dass und aus welchen Gründen das Honorar tatsächlich zu hoch bemessen ist. Den entsprechenden Anspruch kann die Beklagte hier auch nicht mit dem dolo-agit-Einwand dem Kläger entgegenhalten. Er besteht in der Hand des Geschädigten, nicht in der Hand der Beklagten. Eine Zession solcher Ansprüche ist mit dem Versicherungsvertrag nicht verbunden.
5. Soweit in Teilen der Instanzrechtsprechung hinsichtlich der Nebenkosten eine entsprechende Anwendung des JVEG vertreten wird (so etwa AG Eggenfelden, Urteil vom 28.4.2010, Az.: 3 C 167/10), steht dies im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2007, 1450). Danach steht einer Übertragung der Grundsätze des JVEG schon entgegen, dass dessen Anwendungsbereich auf die in § 1 JVEG genannten Verfahren beschränkt ist und dass der Privatgutachter im Unterschied zum gerichtlich bestellten Sachverständigen, der zu den Parteien in keinem Vertragsverhältnis steht, dem Auftraggeber nach allgemeinen deliktsrechtlichen und vertragsrechtlichen Grundsätzen haftet. Dagegen unterliegt die Haftung gerichtlicher Sachverständiger der Sonderregelung des § 839 a BGB, die die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt.
6. Soweit der Beklagte die sog. Nebenkosten als überhöht ansieht, greift dies nicht durch. Es fehlt insoweit konkreter Vortrag. Unerheblich ist insoweit, ob einzelne Positionen, die der Kläger als Nebenforderungen abrechnet, aus Sicht der Beklagten überhöht sind oder nicht. Hätte der Geschädigte ausschließlich die Anfertigung von Fotos oder einer Reparaturkostenkalkulation oder die Durchführung von Fahrten in Auftrag gegeben, wäre zu prüfen, ob diejenigen Kosten, die insoweit in Rechnung gestellt werden, erforderlich gewesen sind oder nicht. Dem Geschädigten steht jedoch gegen die Beklagte kein Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Kosten für die einzelnen beanstandeten Positionen zu, sondern ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Anfertigung eines Sachverständigengutachtens. Daher sind als Vergleichsmaßstab ausschließlich die Kosten solcher Gutachten heranzuziehen. Diese setzen aber aus verschiedenen Positionen zusammen, aus denen sich der Gesamtaufwand zusammensetzt (AG Hamburg-Altona, NZV 2014, 133).
7. Der Kläger hat somit nach Teilerfüllung gem. § 362 BGB gegen den Beklagte in der Hauptsache einen Anspruch in tenorierter Höhe.
8. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 I, II 286 BGB, § 187 I BGB analog.
9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Hei Willi,
selbst wenn der besonders freigestellte Richter im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO die BVSK-Honorarbefragung als Schätzgrundlage anwendet, so kann er i m m e r nur die Schadens h ö h e schätzen, nie einzelne Positionen der Rechnung. Bei § 287 ZPO handelt es sich wie hier mehrfach erklärt wurde um eine Schätzung der Schadenshöhe. Insoweit kommt es auf einzelne Positionen, die nach – umstrittener – Rechtsprechung des LG Saarbrücken (Freymann-Kammer) nach JVEG gemessen werden können, ohnehin nicht an.
Aber bemerkenwert ist es doch, wie sich Herr Fuchs, immerhin Rechtsanwalt, sich unter Verstoß gegen die BGH-Rechtsprechung (VI ZR 67/06) der Versicherungswirtschaft anbiedert. Ein Fall für die Anwaltskammer?
Handverlesene Entscheidungsgründe:
(X) Ein nach dem Verkehrsunfall in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar ist als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 II BGB anzusehen (BGH, a.a.O.).
(X) Nach § 249 II 1 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen (BGH NJW 2007, 1450). Ein nach dem Verkehrsunfall in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar ist als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 II BGB anzusehen (BGH, a.a.O.).
(X) Eine Sittenwidrigkeit ist nicht ersichtlich.
(X) Jedenfalls liegen keine Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden des Geschädigten bei der Beauftragung des Klägers vor.
(X) Konkrete Zweifel an der Seriosität der Preisgestaltung des Klägers mussten beim Geschädigten nicht aufkommen. Auch steht die Höhe des geltend gemachten Honorars nicht derart in einem Missverhältnis zur Schadenshöhe oder zur Höhe der späteren Reparaturkosten, dass dem Geschädigten ein offenkundiges Missverhältnis hätte auffallen müssen.
(X) Aus einer Relation zwischen der Sachverständigenrechnung und dem Schaden kann sich bereits denklogisch kein Anhaltspunkt für eine Überhöhung der geltend gemachten Kosten ergeben. Gerade bei geringen Schäden kann es nach der Lebenserfahrung aus technischer Sicht besonders schwierig sein, die Erforderlichkeit einer Reparatur zu begründen.
(X) Die Vereinbarung und Anwendung einer Mischkalkulation verstößt auch nicht gegen § 315 BGB oder eine andere Obliegenheit des Geschädigten zur Schadensgeringhaltung.
(X) Hinsichtlich der Nebenkosten konnte die Geschädigte die entsprechende Rechnungstellung der Höhe nach nicht beeinflussen. Es liegt insoweit ein Fall des sog. Werkstattrisikos vor. Etwaige Verletzungen vertraglicher Nebenpflichten durch zu lange Anfahrtswege lösten allenfalls einen Schadensersatzanspruch aus, welchen schadensmindemd geltend zu machen der Geschädigten selbst nicht zumutbar ist. In der Hand der Geschädigten bestehen daher die Gutachterkosten auch in der abgerechneten Art und Weise. Dies gilt aus den oben angeführten Gründen für Zeitaufwand ebenso wie für Foto-, Schreib- und Fahrtkosten sowie Kosten für Anfragen bei Datenbanken und Dritten, da auch hierauf die Geschädigte keinen Einfluß hat.
(X) Darüber hinaus ist es der Beklagten im Verhältnis zur Geschädigten auch verwehrt, sich auf eine vermeintliche Überhöhung der Sachverständigengebühren zu berufen (Palandt-Heinrichs, § 249 BGB Rn. 58; LG Bochum NJW 2013, 3666). Es ist nämlich einem Geschädigten vor Erteilung des Gutachtensauftrages nicht zuzumuten, „Marktforschung“ zu betreiben und in jedem Fall mehrere Kostenvoranschläge von Sachverständigen einzuholen, § 254 BGB analog. Ein Preisvergleich dürfte ohne vorherige Begutachtung des Fahrzeugs durch mehrere Sachverständige auch nur schwer möglich sein. Zudem fehlen Tarifübersichten, anhand derer der Kunde sich informieren könnte. Der Streit über die Höhe der geltend gemachten Sachverständigenkosten kann daher nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen werden. Der Sachverständige ist ebenso wie der Mietwagenunternehmer auch kein Erfüllungsgehilfe des Geschädigten, dessen etwaiges Verschulden ihm nach §§ 254 II 2, 278 BGB zugerechnet würde.
(X) Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn – wie hier – nicht der Geschädigte selbst, sondern der Sachverständige aus abgetretenem Recht vorgeht. Denn geltend gemacht werden die Ersatzansprüche des Geschädigten, die sich durch die Abtretung weder verändern noch umwandeln. Der hierzu von Hörl (NZV 2003, 305 [307]), dem wohl auch das AG Regensbung folgt, vertretenen Ansicht, dass der Sachverständige, wenn er auf Grund einer Sicherungsabtretung seinen Vergütungsanspruch gegen den Geschädigten beim Schädiger/Versicherer selbst geltend macht, die volle Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit seiner Vergütungsbemessung i.S.d. § 315 BGB trägt, kann nicht beigetreten werden.
(X) Bei der Abtretung wie auch der Sicherungsabtretung handelt es sich nämlich um ein Verfügungsgeschäft. Der Gläubiger eines Anspruchs wird ausgewechselt. Hierdurch wird kein Einfluß auf den Rechtsbestand des Anspruchs selbst genommen. Es ist der Rechtsordnung schlicht fremd und mit der Normentheorie zur Beweislast nicht vereinbar, dass – wie Folge der von Hörl vertretenen Ansicht wäre – die Darlegungs- und Beweislast allein von der Frage abhängt, wer hinsichtlich eines bestimmten Anspruchs aktivlegitimiert ist.
(X) Den entsprechenden Anspruch kann die Beklagte hier auch nicht mit dem dolo-agit-Einwand dem Kläger entgegenhalten. Er besteht in der Hand des Geschädigten, nicht in der Hand der Beklagten. Eine Zession solcher Ansprüche ist mit dem Versicherungsvertrag nicht verbunden.
Wer der Deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, wird diese Überlegungen eines berufserfahrenenen Amtsrichters sicher nicht missverstehen und den eigenen davon abweichenden Standpunkt kritisch überprüfen, sofern dazu qualifiziert. Was bleibt von dieser Kürzungsmasche ? Ein Rest an grauer Asche.-
Der Winzer
Hallo Winzer,
Dein Kommentar besagt eigentlich alles. Hervorragend Dein Kommentar. Du hast es auf den Punkt gebracht.
Würden sich doch nur die Versicherungsanwälte das hinter die Ohren schreiben.
Noch eine Bitte an die Redaktion: dieses hervorragende Urteil an die Redaktion der Versicherungsrecht in Karlsruhe senden. Wetten, dass … die das Urteil nicht abdrucken?
Vieleicht aber die ZfS oder NZV?
Lesenswert ist es allemal.
Grüße
Werner K.
W.W.:
„Die richtigen rechtsdogmatischen Argumente sauber vortragen und dann den BVSK-Mist noch weglassen.“
„Eine Angemessenheitsprüfung nach BVSK hat im Schadensersatzprozess nichts zu suchen.“
Es sollte doch möglich sein, dass in einer Klage dem Gericht zu verdeutlichen, wie die Erläuterung dieser Befragung es doch auch schon selbst zeigt.
Egbert S.