Und weil es so schön war, nun noch ein Endurteil des Amtsrichters des Amtsgerichtes Straubing. Mit Urteil vom 29.5.2009 (2 C 383/09) wurde schon wieder die Coburger Versicherung zur Zahlung restlichen Schadensersatzes verurteilt. Kläger ist dieses Mal der das Schadensgutachten fertigende Sachverständige. Er klagte aus abgetretenem Recht das restliche Sachverständigenhonorar als Restschadensersatz ein. Hier das Endurteil:
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
– Klägerin
Prozessbevollmächtigte:
gegen
HUK-Coburg Versicherung, Martin-Greif-Str. 1, 80336 München,
– Beklagte –
wegen Schadenersatz erlässt das Amtsgericht Straubing durch Richter am Amtsgericht …. im schriftlichen Verfahren gemäß § 495 a ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Geldbetrag in Höhe von EUR 276,81 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.04.2009 zu bezahlen.
2: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 39 EUR zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand und Entscheidungsgründe
(abgekürzt gem. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)
I.
Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall im Amtsgerichtsbezirk Straubing. Der Kläger hat im Rahmen des Unfallgeschehens ein Sachverständigengutachten zur Schadenshöhe am Kfz des Geschädigten erstattet und sich im Wege der Sicherungsabtretung vom Geschädigten den Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte abtreten lassen.
Der Kläger begehrt in der Hauptsache EUR 276,81. restliche Sachverständigenkosten.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Die Sachverständigenkosten seien i.S.v. §315 BGB überhöht.
Ergänzend wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus §§ 7, 18 StVG, 823 Abs. 1, 249 Abs. 2 BGB, 3 Nr. 1 PflVG bzw. § 115 VVG, 387 BGB.
1.
Die grundsätzliche Einstandspflicht der Beklagten für die Schäden aus dem Verkehrsunfall steht dabei außer Streit.
2.
In der Hand des Geschädigten würde gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, 823 Abs. 1, 249 Abs. 1, 2 BGB, 1, 3 Nr. 1 PflVG bzw. § 115 VVG ein Anspruch auf Ersatz der Gutachterkosten in zugesprochener Höhe bestehen.
Denn es ist der Beklagten im Verhältnis zum Geschädigten verwehrt, sich auf die vermeintliche Überhöhung der Sachverständigengebühren zu berufen (Palandt-Heinrichs, § 249 Rn. 40). Es ist nämlich einem Geschädigten vor Erteilung des Gutachtenauftrags nicht zuzumuten, „Marktforschung“ zu betreiben und in jedem Fall mehrere Kostenvoranschläge von Sachverständigen einzuholen, § 254 BGB analog (vgl. zur gleichgelagerten Problematik des Ersatzes von Mietwagenkosten BGH, Urteil vom 07.05.1996, Az.: VI ZR 138/95). Ein Preisvergleich dürfte ohne vorherige Begutachtung des Fahrzeugs durch mehrere Sachverständige auch nur schwer möglich sein. Zudem fehlen Tarifübersichten, anhand derer der Kunde sich informieren könnte. Der Streit über die Höhe der geltend gemachten Sachverständigenkosten kann daher nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen werden. Der Sachverständige ist, ebenso wie der Mietwagenunternehmer, auch kein Erfüllungsgehilfe des Geschädigten, dessen etwaiges Verschulden ihm nach §§ 254 Abs. 2 Satz 2, 278 BGB zugerechnet würde. Zwar darf ein Geschädigter auf Kosten des Schädigers nicht jeden beliebigen Preis vereinbaren. So lange für ihn allein als Laien jedoch nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffalligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt, kann der Geschädigte vom Schädiger den Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung hiervon verlangen (Grunsky, NZV 2000, 4, 5; OLG Nürnberg, OLG-R 2002, 471). Die Gegenmeinung (vgl. AG Hagen, NZV 2003, 144, 145 f.) berücksichtigt insoweit nicht, dass es dem Geschädigten bei Sachverständigengutachten mangels Vergleichsmöglichkeiten – wie oben ausgeführt – noch weniger als bei Mietwagenkosten überhaupt möglich sein dürfte, vor der Auftragserteilung die Angemessenheit einer Vergütung zu beurteilen. Es ist dem Geschädigten auch nicht zuzumuten, die Schadensabwicklung stets in die Hände des Schädigers bzw. dessen Versicherung zu legen.
Vorliegend kommt es auch nicht darauf an, ob die vom Kläger erstellte Honorartabelle vertraglich vereinbart wurde, oder ob es sich um eine Bestimmung nach billigem Ermessen im Rahmen des § 315 BGB handelt. In jedem Fall liegen keine Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden des Geschädigten bei der Beauftragung des Klägers vor. Bei dem eingesetzten Sachverständigen handelt es sich ausweislich seines Briefkopfes um ein „Kfz-Sachverständigenbüro und KÜS-Kfz-Prüfstelle“. Konkrete Zweifel an der Seriosität der Preisgestaltung des Klägers mussten daher beim Geschädigten nicht aufkommen. Auch steht die Höhe des geltend gemachten Honorars nicht derart in einem Missverhältnis zur Schadenshöhe oder zur Höhe der späteren Reparaturkosten, dass dem Geschädigten ein offenkundiges Missverhältnis hätte auffallen müssen. Aus einer Relation zwischen der Sachverständigenrechnung und dem Schaden kann sich bereits denklogisch kein Anhaltspunkt für eine Überhöhung der geltend gemachten Kosten ergeben. Gerade bei geringen Schäden kann es nach der Lebenserfahrung aus technischer Sicht besonders schwierig sein, die Erforderlichkeit einer Reparatur zu begründen.
Vorliegend wurde ein Reparaturschaden in Höhe von EUR 2.495,18 im Gutachten ermittelt. Es handelt sich um einen Schaden nach Streifkollision. Das beschädigte Kfz ist vom Typ Mercedes und wurde erstzugelassen 1996. Es ist allgemein bekannt, daß gerade bei geringen Schäden an älteren Kraftfahrzeugen höherer Klasse besondere Schwierigkeiten bei der Abschätzung des Schadens bestehen. Insbesondere kann auch nicht generell davon ausgegangen werden, daß kein Interesse mehr an der Ermittlung eines eventuellen merkantilen Minderwerts besteht, weshalb entsprechende Feststellungen bereits aus objektiver Sicht erforderlich erschienen. Der nach dem Umfang der tatsächlich angefallenen Arbeiten bemessene in Rechnung gestellte Betrag erscheint jedenfalls aus Sicht des Geschädigten nicht objektiv unbillig. Unter diesen Umständen können die konkret von der Beklagtenpartei vorgetragenen Positionen – anders als im Rahmen der Ortsüblichkeitsprüfung im Rahmen des § 632 BGB – vorliegend nicht entgegengehalten werden.
In der Hand des Geschädigten bestünden daher die Gutachterkosten auch in der vom Kläger abgerechneten Art und Weise. Dies gilt aus den oben angeführten Gründen für Zeitaufwand ebenso wie für Foto-, Schreib- und Fahrtkosten sowie Kosten für Anfragen bei Datenbanken und Dritten, da auch hierauf der Geschädigte keinen Einfluß hat.
3.
Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn – wie hier – nicht der Geschädigte selbst, sondern der Sachverständige aus abgetretenem Recht vorgeht. Denn geltend gemacht werden die Ersatzansprüche des Geschädigten, die sich durch die Abtretung weder verändern noch umwandeln.
Der hierzu von Hörl (NZV 2003, 305, 307), dem wohl auch das AG Regensbung in dem rechtlichen Hinweis im Verfahren 4 C 3033/08 folgen möchte, ohne Angabe von Gründen vertretenen Ansicht, daß der Sachverständige, wenn er auf Grund einer Sicherungsabtretung seinen Vergütungsanspruch gegen den Geschädigten beim Schädiger/KH-Versicherer selbst geltend macht, er die volle Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit seiner Vergütungsbemessung i.S.d. § 315 BGB, trägt, kann nicht beigetreten werden. Soweit ersichtlich ist dem die veröffentlichte Rechtsprechung auch bislang nicht gefolgt.
Dagegen hat das OLG Sachsen-Anhalt, NZV 2006, 546, in einem vergleichbaren Fall gegen eine Anwendung des § 315 BGB bei Sicherungsabtretung entschieden (so auch-die klägerseits zitierten Urteile des AG Straubing in den Verfahren 2C 1440/99 und 2 C 692/00). Bei der Abtretung, wie auch der Sicherungsabtretung handelt es sich um ein Verfügungsgeschäft. Es wird der Gläubiger eines Anspruchs ausgewechselt. Hierdurch wird kein Einfluß auf den Rechtsbestand des Anspruchs selbst genommen. Es ist der Rechtsordnung schlicht fremd und mit der Normentheorie zur Beweislast nicht vereinbar, daß – wie Folge der von Hörl vertretenen Ansicht wäre – die Darlegungs- und Beweislast allein von der Frage abhängt, wer hinsichtlich eines bestimmten Anspruchs aktivlegitimiert ist. Die Beklagte ist insoweit auch nicht rechtlos gestellt, da sie sich gegebenenfalls die Rechte des Geschädigten gemäß §§ 315 Abs. 3 bzw. 280, 631 Abs. 1, 812 BGB analog § 255 BGB hätte abtreten lassen und z. B. im Wege der Aufrechnung geltend machen können (OLG Nürnberg, OLG-R 2002, 471). In diesem Fall wäre es dann – wie richtig – Sache der Beklagten gewesen, darzulegen und zu beweisen, dass und aus welchen Gründen das Honorar tatsächlich zu hoch bemessen ist. Den entsprechenden Anspruch kann die Beklagte hier auch nicht mit dem dolo-agit-Einwand dem Kläger entgegenhalten. Er besteht in der Hand des Geschädigten, nicht in der Hand der Beklagten. Eine Zession solcher Ansprüche ist mit dem Versicherungsvertrag nicht verbunden.
Der Kläger hat somit nach Teilerfüllung gem. § 362 BGB gegen die Beklagte in der Hauptsache einen Anspruch in tenorierter Hohe.
III.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 2801, II, 2861, II, 2881 BGB. Ein Zinssatz gem. § 288II BGB kann entgegen der Ansicht der Klägerpartei nicht angenommen werden, denn der geltend gemachte Anspruch folgt nicht aus einem Rechtsgeschäft. Es ist ein deliktischer Anspruch aus §§7, 18, 823 I BGB. Femer war an dem Delikt mit der Geschädigten auch eine Verbraucherin beteiligt.
In der Hand des Klägers folgt ein Anspruch auf Ersatz von in der Höhe unbestrittenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus § 288 IV BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§91, 92 II ZPO – das Teilunterliegen hinsichtlich einer Nebenforderung ist kostenrechtlich jedenfalls geringfügig – jene über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Beschluß:
Der Streitwert wird auf EUR 276,81 festgesetzt.
So die Entscheidung des Amtsrichters der 2. Zivilabteilung. Der Richter lässt sich nichts vormachen.