Mit Urteil vom 28.10.2008 (12 C 1206/08) hat das AG Ulm die HDI Direct Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 337,08 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht wendet die Schwacke-Liste an.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch aus abgetretenem Recht nach §§ 7, 17, 18 StVG, 115 Abs. 1 Ziff. 1 VVG, 398 BGB auf Erstattung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von noch 377,08 €. Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten in voller Höhe, da der zunächst in Rechnung gestellte Unfallersatztarif überhöht war.
Ein Verstoß gegen Artikel 1 § 1 Rechtsberatungsgesetz liegt nicht vor. Zwar bedarf ein Mietwagenunternehmen, das es geschäftsmäßig übernimmt, für unfallgeschädigte Kunden die Schadensregulierung durchzuführen, der Erlaubnis nach Artikel 1 § 1 Abs. 1 RBerG auch dann, wenn es sich die Schadensersatzforderung nur erfüllungshalber abtreten lässt. Entscheidend ist hierbei aber, ob es mit der Abtretung eigene oder fremde Rechtsangelegenheiten besorgt. Vorliegend ergibt sich aus der vorgelegten Abtretungserklärung vom 28.06.2008 (Bl. 16 d. A.), dass die Abtretung zur Sicherung der Zahlungsansprüche der Klägerin gegen die Geschädigte erfolgt, während die Geschädigte ihre sonstigen Schadensersatzansprüche selbst geltend zu machen hat.
Ausdrücklich erfolgte die Abtretung „nur in Höhe der angefallenen Ersatzwagenkosten, inklusive Verzugszinsen“ zur Sicherung der Zahlungsansprüche der Klägerin. Ausweislich der Akten wurde die Geschädigte zudem von der Klägerin mit Schreiben vom 14.04.2008 (Bl. 70 d. A.) zur Zahlung aufgefordert. Die Entscheidung der Klägerin, von der Inanspruchnahme der Geschädigten als ihres Vertragspartners abzusehen und stattdessen von der ihr eingeräumten Sicherheit Gebrauch zu machen, in dem sie die Beklagte als Haftpflichtversicherer in Anspruch nimmt, ist nicht als Besorgung einer Rechtsangelegenheit der Geschädigten zu sehen; vielmehr liegt hierin eine eigene Angelegenheit der Klägerin (s. ebenso BGH, NJW 2006, 1726 ff.; Landgericht Ulm, Urteil vom 02.04.2008, Az. 1 S 29/08).
Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH kann der Geschädigte, der ein Ersatzfahrzeug anmietet, Erstattung dieser Kosten vom Schädiger nur insoweit verlangen, als sie gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlich waren. Erforderlich sind nur die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf; dabei hat der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Geringhaltung des Schadens im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg zur Schadensbeseitigung zu wählen. Ein gegenüber dem Normaltarif erhöhter „Unfallersatztarif“ kann nur insoweit als erforderlicher Aufwand zur Schadensbereinigung angesehen werden, als die Besonderheit dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigt, weil dieser auf Leistungen des Vermieters beruht, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolge dessen zur Schadensbehebung erforderlich sind. Inwieweit dies der Fall ist, hat der Tatrichter aufgrund des Vortrags des Geschädigten gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzen. Die Beweislast für die Berechtigung eines gegenüber den Normaltarif erhöhten Mietzinses obliegt dabei dem Geschädigten (s. BGH, NJW 2005,1041).
Vorliegend hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen, aus welchem Grund der Geschädigten ein günstigerer Mietwagentarif nicht zugänglich gewesen wäre. Insbesondere rechtfertigt die Tatsache, dass der Geschädigten nur ein Tarif angeboten wurde, nicht ohne weiteres die Annahme, dass ein günstigerer Tarif nicht zugänglich war (s. BGH, NJW 2006, 2621). Darüber hinaus wäre die Klägerin verpflichtet gewesen, die Geschädigte deutlich und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung den angebotenen Tarif möglicherweise nicht in vollem Umfang erstattet. Die Geschädigte hätte dann die Möglichkeit gehabt, Kontakt mit der Beklagten aufzunehmen und weitere Angebote einzuholen. Die Unsicherheit darüber, zu welchem Preis die Geschädigte bei ordnungsgemäßer Aufklärung einen Wagen gemietet hätte, geht zu Lasten des Autovermieters, hier also der Klägerin (s. BGH, Versicherungsrecht 2006, 1274).
Zur Schätzung des Normaltarif kann die „Schwacke-Liste“ herangezogen werden, wobei ein pauschaler Aufschlag erfolgen kann, sofern spezifische Leistungen bei der Vermietung an den Unfallgeschädigten bei Unternehmen dieser Art den Mehrpreis rechtfertigen; ob und wieweit dies der Fall ist, hat der Tatrichter nach § 287 ZPO zu schätzen (s. BGH, Versicherungsrecht 2006, 133). Entgegen der Ansicht der Beklagten bestehen gegen die Zugrundelegung der Schwacke-Liste 2007 keine durchgreifenden Bedenken. Denn der BGH hat mit Urteil vom 11.03.2008 (NJW 2008, 1519 f.) entschieden, dass auch die Schwacke-Liste 2006 als Schätzgrundlage herangezogen werden kann, selbst wenn allgemein gehaltene Angriffe vorgebracht werden.
Vorliegend hat die Beklagtenseite keine konkreten Tatsachen aufgezeigt, aus denen sich Mängel ergeben würden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken. Denn die von der Beklagtenseite erhobenen Einwendungen, wonach die Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 und 2007 sich zur Schätzung des Normaltarifs nicht eignen würden, weil gravierende Erhebungsmängel vorliegen – zu hohe Angaben der Autovermieter, denen der Hintergrund der Erhebung bekannt war – sowie die von der Beklagtenseite vorgelegten Online-Angebote sind Einwendungen, die sich nicht auf den hier vorliegenden konkreten Einzelfall beziehen, sondern in einer Vielzahl von Verfahren von Seiten der Versicherer vorgetragen wurden (s. LG Dortmund, Urteil vom 03.07.2008, Az. 4 S 29/08). Die Schätzung des „Normaltarifs“ auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegel“ hält sich daher im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO (s. BGH, Versicherungsrecht 2007, 1286 m.w.N.).
Die von der Beklagten vorgelegten Online-Angebote für eine „ad-hoc-Anmietung“ verschiedender Autovermieter im Ulmer Raum sind im Übrigen schon deshalb nicht vergleichbar, da jeweils ein Vorlauf von 2 Tagen erforderlich ist und nur bestimmte Fahrzeugtypen, je nach Verfügbarkeit, angeboten werden. Desweiteren müssen die Fahrzeuge in der Regel bei einer bestimmten Station abgeholt und abgeliefert werden, die Mietdauer muss im Voraus festgelegt werden und der Mietpreis muss, wie sich z.B. aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Firma Sixt ergibt, durch Stellung einer Kaution, die in der Regel der Kreditkarte des Mieters belastet wird, im Voraus gesichert werden (s. Allgemeine Geschäftsbedingungen der Firma Sixt GmbH & Co. Autovermietung KG, Absatz E). Entsprechend sehen auch die „Allgemeinen Hertz-Mietbedingungen für Pkw in Deutschland“ vor, dass entweder mindestens eine Kreditkarte oder, bei Kleinwagen, eine EC-Karte erforderlich ist, wobei im letzten Fall das Girokonto sofort mit einer Kaution in Höhe der voraussichtlichen Mietkosten belastet wird. Die von der Beklagten vorgelegten Angebote sind daher nicht mit dem hier zu entscheidenden Fall vergleichbar.
Nach der Rechtsprechung des Landgericht Ulm ist, im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH, ein höherer Betrag als der Normaltarif nur ersatzfähig, wenn dieser erhöhte Tarif mit Rücksicht auf die Besonderheiten der Unfallsituation gerechtfertigt ist. Ob und in welcher Höhe unfallbedingte Zusatzleistungen des Vermieters die Erstattung höherer Mietwagenkosten als nach dem Normaltarif rechtfertigen, ist ebenfalls gemäß § 287 ZPO vom Tatrichter zu schätzen. Hierbei ist jedoch nicht erforderlich, die Kalkulation des konkreten Unternehmens nachzuvollziehen. Allerdings müssen die Mehrleistungen und besonderen Risiken generell einen erhöhten Tarif rechtfertigen, wobei ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif vorgenommen werden kann (vgl. BGH, NJW 2006, 1726 ff.). Das Landgericht U’m hält grundsätzlich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH gemäß § 287 ZPO einen pauschalen Aufschlag auf den Normaltarif in Höhe von 10 % für gerechtfertigt, (s. LG Ulm, Urteil vom 02.04.2008, Az. 1 S 29/08).
Ersatzfähig sind darüber hinaus als adäquate Schadensfolge auch die Kosten für die Vollkaskoversicherung (s. BGH, NJW 2005, 1041 ff.), sowie die der Geschädigten gesondert in Rechnung gestellte Ausrüstung des Fahrzeugs mit Winterreifen. Die insoweit von der Klägerin angegebenen Tagessätze von 15,00 € netto pro Tag für den Vollkaskoversicherungsschutz und von 8,62 € netto pro Tag für die Winterreifenausstattung hat die Klägerin ebenfalls mit dem entsprechenden Schwacke-Mietpreisspiegel belegt, § 287 ZPO.
Von den zuzusprechenden Mietwagenkosten sind 5 % ersparte Eigenaufwendungen abzuziehen. Der Ersparnisabzug entfällt nur dann, wenn der Geschädigte ein einfacheres Fahrzeug, dessen Miete niedriger ist als die Miete für ein gleichwertiges Fahrzeug anmietet, was vorliegend nicht der Fall war (s. ebenso: LG Ulm, a.a.O.).
Nach alledem hat die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 377,08 €, der sich wie folgt berechnet:
Mietwagenkosten gemäß Schwacke-Liste 2007 für 11 Tage 581,46 €
(Wochenpreis 370,00 €, entspricht 52,86 € pro Tag)
zuzügl. 10 % Aufschlag + 58,15 €
abzügl. 5 % ersparte Eigenaufwendungen – 29,07 €
610,53 €
zuzügl. Vollkaskoversicherung 11 Tage á 15,00 € 165,00 €
zuzügl. Winterreifen 11 Tage á 8,62 € 95,82 €
zuzügl. 19 % MWSt 49,32 €
309,19 €
abzügl. Zahlung der Beklagten 542,64 €
Restbetrag 377,08 €.
Soweit das AG Ulm.