Mit Urteil vom 11.08.2010 (2 C 137/10) hat das Amtsgericht Viersen die VHV Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 759,12 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht legt den Normaltarif der Schwacke-Liste zugrunde und erteilt der Fraunhofer Tabelle eine Absage.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Klage ist nur in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe begründet.
I.
Der Klägerin steht die gegen die Beklagte ein Zahlungsanspruch In Höhe von € 759,12 gemäß § 7 Abs. 1, 17 StVG, §§ 115 Abs. 1 Nummer 1 VVG, § 398 BGB zu.
1.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Der Geschädigte des Verkehrsunfalles vom xx.xx.2009 hat den ihm zustehenden Schadensersatzanspruch hinsichtlich der Mietwagenkosten wirksam gemäß § 398 BGB an die Klägerin abgetreten.
2.
Der Schadensersatzanspruch besteht auch in der geltend gemachten Höhe.
a) Der Geschädigte kann gemäß § 249 Abs. 2 BGB als Herstellungsaufwand grundsätzlich den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig erachten darf (BGH, Urteil vom 14.10.2008, SVR 2009, Seite 96; BGH, Urteil vom 13.01.2009, SVR 2009, Seite 184).
Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Für den Bereich der Mietwagenkosten bedeutet das, dass er von mehreren auf den örtlich relevant Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann (vergleiche BGH, Urteil vom 14.10.2008, a. a. 0.).
b) In jedem Fall erstattungsfähig ist der als Normaltarif bezeichnete Mietpreis.
Das Gericht schätzt den zu erstattenden Mietpreis gem. § 287 ZPO an dem „Schwacke-Automietpreis-Spiegel“ im Postleitzahlgebiet des Geschädigten.
Ein Rückgriff des Tatrichters auf diesen Mietpreisspiegel ist zulässig (vergleiche BGH NVZ 2006, Seite 36, BGH NJW 2008, Seite 1519, BGH, Urteil vom 13.01.2009, Aktenzeichen: VI ZR 134/08).
Das Gericht schließt sich nicht der von der Beklagten vertretenen Auffassung an, es sei beim Vergleich der Mietwagenkosten auf die vom Frauenhofer Institut im Jahre 2008 erstellten Studie „Mietpreisspiegel-Mietwagen-Deutschland 2008″ abzustellen. Die Schwacke-Liste verdient den Vorzug, weil für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Mietwagenkosten grundsätzlich das Preisniveau an dem Ort maßgebend ist, an dem das Fahrzeug angemietet und übernommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 11.03.2008, Az VI ZR 164/07).
Diesem Gebot trägt die Schwacke-Liste in deutlich höherem Maße Rechnung als der Mietpreisspiegel des Frauenhofer Instituts. Die Schwacke-Liste weist die Vergleichskosten bezogen auf ein dreistelliges Postleitzahlengebiet aus, während der Frauenhofer Mietpreisspiegel Vergleichsweise für ein lediglich zweistelliges Postleitzahlgebiet widergibt. Damit liegen dem Frauenhofer Marktpreisspiegel nicht mehr die örtlichen Verhältnisse zugrunde, sondern regionale und je nach Größe des Postleitzahlgebietes überregionale Verhältnisse. Vorliegend müsste sich der Kläger als Geschädigte demnach auf ein Preisniveau verweisen lassen, dass auf den Vergleichswerten aus den dem Tatort Viersen benachbarten Städten wie Düsseldorf, Krefeld und Mönchengladbach beruht. Es liegt auf der Hand, dass die Anmietung eines Wagens, insbesondere hinsichtlich der Vorhaltekosten, In vergleichbar großen Städten zu einem günstigeren Preis zu erhalten ist, als in ländlicheren Gebieten wie Viersen.
Nicht zuletzt wird die Frauenhofer-Liste insbesondere der Anmietsituation bei einem Unfall, bei dem ein Ersatzfahrzeug kurzfristig benötigt wird, nicht ausreichend gerecht. Vielmehr basiert die Frauenhofer-Liste auf einer Bestellung mit einer Vorlaufzeit von einer Woche.
Konkrete erhebliche Einwendungen gegen die Schwacke-Liste konnte die Beklagte nicht vortragen. Einwendungen gegen die Grundlagen der Schadensbemessung sind nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Die Eignung von Listen und Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können bedürfen nur dann der Klärung, wenn konkret aufgezeigt wird, dass sich die geltend gemachten Mängel der betreffenden Geschäftsgrundlage auf den zu entscheidenden Fall auswirken (vergleiche BGH NJW 2008, Seite 1519). Derartige Einwendungen wurden von der Beklagten nicht vorgetragen.
Insbesondere sind die Angebote, die die Beklagte vorlegt um nachzuweisen, dass eine Anmietung zu einem günstigeren Tarif hätte erfolgen können, nicht geeignet, konkret aufzuzeigen, dass sich die von der Beklagten gegenüber der Schwacke-Liste geltend gemachten Mängel auf den vorliegenden Fall in erheblichem Umfang auswirken könnten (vgl. BGH, Urteil vom 18.05.2010, VI ZR 293/08). Die Angebote, die die Beklagte vorlegt, stammen alle aus einem dem Unfallzeitpunkt nachgelagerten Zeitraum, nämlich aus Juni 2010. Eine Anmietung ist bei diesen Fahrzeugen nur gegen Vorlage einer Barkaution oder Kreditkarte möglich. Sonderausstattungen wurden nicht berücksichtigt.
Schließlich gingen sämtliche Angebote von einer Anmietung über das Internet in Mönchengladbach und nicht in Viersen aus.
Die Beklagte kann durch die Vorlage dieser Angebote lediglich darlegen, dass es im Juni 2010 in Mönchengladbach grundsätzlich auch günstigere Mietwagenangebote gab als die von dem Geschädigten ein Jahr zuvor in Anspruch genommenen. Die Umstände der Anmietung bleiben hierbei jedoch unberücksichtigt. Genau diese müsste die Beklagte jedoch in ihre Berechnung einbeziehen, um den Anforderungen an die oben zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerecht zu werden.
c) Die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist trotz der Mängel beider Listen nicht geboten, da im Ergebnis eine geeignete Grundlage der Schadenseinschätzung erreicht wird. Insbesondere stünden auch einem Sachverständigen keine Erkenntnismöglichkeiten offen, die eine bessere oder realistischere Ermittlung der Mietpreise zum Unfallzeitpunkt ermöglichen würden. Der Sachverständige könnte ebenfalls lediglich die im einschlägigen Postleitzahlenbereich befindlichen Autovermieter befragen. Dann bestünden jedoch dieselben Fehlerquellen und die Schwächen der sich gegenüberstehenden Listen.
d) Unstreitig ist zwischen den Beteiligten die Reparaturdauer von acht Tagen.
e) Der Geschädigte muss sich auf den Ersatztarif die Ersparnis eigener Aufwendungen in Höhe von 10 % und nicht wie vorgenommen lediglich 5 % anrechnen lassen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.03.1996, BeckRS 2009, 18217). Der Abzug soll den Vorteil ausgleichen, der dem Geschädigten daraus erwächst, dass er während der Benutzung des Mietfahrzeugs sein eigenes Auto „schont“ (sog. Vorteilsausgleich). Der anzurechnende Vorteil entspricht der Summe der Kosten, die nutzungsabhängig sind. Diese bestehen im Wesentlichen aus: fahrleistungsabhängigem Wertverlust, Reparatur/Wartung/Reifen, Reinigung/Pflege und Ölverbrauch. Sie sind gem. § 287 ZPO auf 10 % der Mietwagenkosten zu schätzen.
f) Schließlich ist ein pauschaler Aufschlag auf den so ermittelten Normaltarif in Höhe von 20 % angemessen, um Besonderheiten der Kostenrisiken des Unfallersatzfahr-zeuggeschäfts im Vergleich zur „normalen Autovermietung“ angemessen begegnen zu können.
Der besondere Unfallersatztarif ist im konkreten Fall objektiv und subjektiv erforderlich gewesen.
Die objektive Erforderlichkeit ist gegeben, wenn die Zusatzkosten des Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen, insbesondere wenn sie auf Leistung des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und daher zur Schadensbehebung erforderlich sind. Hierzu gehören zum Beispiel die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen und ähnliches (vergleiche hierzu BGH, Urteil vom 13.06.2006, Az VI ZR 161/05, zitiert nach Juris Rdnr.8).
Die Darlegungs- und Beweislast für die Frage, ob der Aufschlag auf einen günstigeren „Normaltarif“ wegen konkreter unfallbedingter Mehrleisten des Vermieters objektiv zur Wiederherstellung erforderlich war iSv § 249 BGB trägt nach den allgemeinen Grundsätzen der Geschädigte, da es sich um Voraussetzungen für die Höhe seines Schadensersatzanspruches handelt.
Die Beklagte ist den unfallbedingten Mehrleistungen nicht substantiiert entgegen getreten.
Die Erhöhung kann in Form eines pauschalen Aufschlags auf den Normaltarif erfolgen. Eine Schätzung ist dem Tatrichter nach § 287 ZPO möglich. Der von der Klägerin vorgenommene Aufschlag in Höhe von 20 % ist nicht zu beanstanden und folgt der obergerichtlichen Rechtsprechung (vergleiche hierzu OLG Köln NVWZ 2007, Seite 199 ff.).
g) Nach Auffassung der Abteilungsrichterin erstattungsfähig sind auch die Kosten für die Haftungsbefreiung sowie die Kosten der Abholung, des Navigationsgeräts, des Automatikgetriebes und der Telefonvorrüstung. Nicht erstattungsfähig ist demgegenüber der Aufpreis für die Anhängerkupplung.
Die Vereinbarung von Vollkaskoschutz ist als adäquate Schadensfolge anzusehen und demnach erstattungsfähig, und zwar unabhängig davon, ob der Unfallwagen vollkaskoversichert ist (vgl. BGH, NJW 2006, 360). Der durch einen fremden Unfall Geschädigte kann bei Inanspruchnahme eines Mietwagens die Aufwendungen für eine der Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung entsprechende Haftungsfreistellung grundsätzlich insoweit ersetzt verlangen, als er während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt war.
Die Kosten der Abholung und der Zustellung des Fahrzeugs waren erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 BGB. Der Unfallwagen befand sich in der Reparaturwerkstatt. Der Geschädigte kann nicht darauf verwiesen werden, den Mietwagen von der Klägerin auf eigene Kosten anzuholen und ihn auch wieder dorthin zu verbringen.
Der Geschädigte kann ferner verlangen, dass ihm die Mehraufwendungen erstattet werden, die nötig sind, um eine dem Unfallfahrzeug vergleichbare Ausstattung des Mietwagens zu erreichen. Dies gilt für das Navigationsgerät, das Automatikgetriebe und die Telefonvorrüstung. Einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht kann das Gericht bei den vorgenannten Ausstattungen nicht erkennen. Der Geschädigte kann nicht darauf verwiesen werden, mit Schaltgetriebe zu fahren, wenn er für gewöhnlich Automatikgetriebe fährt. Gleiches gilt für das Fahren ohne Navigationsgerät und Fernsprecheinrichtung.
Dies gilt jedoch nicht für die Anhängerkupplung. Hier hätte die Klägerin – nachdem die Beklagte der Erstattungsfähigkeit widersprochen hat – konkret darlegen müssen, warum der Geschädigte für den hier streitgegenständlichen Zeitraum auf die Nutzung der Anhängerkupplung angewiesen war, da diese erfahrungsgemäß nur selten tatsächlich zum Einsatz kommt.
Unter Berücksichtigung des Vorstehenden schätzt das Gericht die erstattungsfähigen Kosten gem. § 287 ZPO wie folgt:
Grundmietpreis:
Grundmietpreis:
1×1 Woche: € 595,-
1×1 Tag: € 119,-
Zwischensumme: € 714,-
abzüglich 10 % ersparter Eigenkosten: € 71,40
Zwischensumme: € 642,60
Zuzüglich
20 % Aufschlag
für unfallbedingten Mehraufwand: € 128,52
Haftungsbefreiung:
1×1 Woche € 147,00
1×1 Tag: € 24,00
Zustellung/Abholung € 50,00
Navigationssystem € 80,00
Automatikgetriebe € 80,00
Telefonvorrüstung__________________ € 80,00
Gesamtsumme: € 1.232,12
abzüglich gezahlter________________ € 473,00
erstattungsfähiger Betrag: € 759,12
II.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB. Die Klägerin hat den geltend gemachten Zinsbeginn nicht schlüssig dargelegt. Dieser ist wegen § 286 Abs, 3 2. Hs BGB nicht 30 Tage nach Rechnungsstellung eingetreten, sondern von dem Zeitpunkt der endgültigen Erfüllungsverweigerung der Beklagten an zu berechnen. Wann die beklagte die Zahlung verweigert hat, wurde jedoch nicht vorgetragen. Demnach waren Zinsen ab Rechtshängigkeit zuzusprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§708 Nummer 11, 711, ZPO.
Soweit das AG Viersen.