Mit Urteil vom 09.06.2010 (5 C 15/10) hat das AG Weimar die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1.229,55 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht erachtet die Schwacke-Liste als geeignete Schätzungsgrundlage gem. § 287 ZPO.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig und zum überwiegenden Teil begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung von weiteren Mietwagenkosten in Höhe von 1.229,55 € über dem bereits bezahlten Betrag von 1.323,00 € zu (§§ 823 I, 249 BGB, § 115 VVG).
Bei den von der Nebenintervenientin unter dem 17.09.2009 in Rechnung gestellten Mietwagenkosten handelt es sich um zur Schadens-beseitigung erforderliche Kosten in Sinn des § 249 I 1 BGB,
Die für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges während der Ausfallzeit des unfallgeschädigten Fahrzeugs aufgewandten Kosten sind grundsätz-lich als Herstellungsaufwand gemäß § 249 I 1 BGB vom Schädiger zu ersetzen.
In diesem Rahmen ist immer zunächst zu prüfen, ob überhaupt eine Anmietung für das unfallgeschädigte Fahrzeug vertretbar war.
Die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes eines Mietfahrzeuges ist vorliegend zu bejahen. Hierbei kommt es zunächst allein darauf an, ob der Geschädigte im Zeitpunkt der Anmietung des Ersatzfahrzeuges mit einem Fahrbedarf rechnen konnte, der die ständige Gebrauchsbereitschaft des Pkw erfordert. Dieses Erfordernis wird ohne weiteren Nachweis immer dann gegeben sein, wenn die tatsächliche Fahrstrecke mt dem angebotenen Ersatzfahrzeug im täglichen Durchschnitt über 30 Km liegt. Vorliegend hat der Kläger an insgesamt 24 Tagen insgesamt 2.856 km zurückgelegt.
Damit steht fest, dass der Kläger den Betrag ersetzt verlangen kann, der zur Herstellung im Sinn des § 249 BGB an Mietwagenkosten erforderlich war.
Dies führt allerdings nicht dazu, die sich aus einer Mietwagenrechnung ergabenden Kosten dem nach § 249 BGB geschuldeten Betrag ungeprüft gleichzusetzen. Vielmehr ist bei der Prüfung der Erforderlichkeit auch der letztlich auf § 242 BGB zurückgehende Rechtsgedanke das § 254 II BGB anzuwenden.
Kann der Geschädigte danach die Kosten für die Schadensbeseitigung beeinflussen, so ist er unter dem Gesichtspunkt der Schadensmin-derungspflicht gehalten, im Rahmen des Zumutbaren den wirtschaftlichen Weg der Schadansbeseitigung zu wählen. Als erforderlichen Herstellungsaufwand kann nur der Ersatz der Mietwagenkosten verlangt werden, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei ebenso wie in anderen Fallen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen. Er verstößt aber noch nicht allein deshalb gegen das Wirtachaftlichkeitsgebott weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem Normaltarif teurer ist soweit die Besonderheiten dieses Tarifes mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u. a.) aus betriebswirtschaftlicher Sicht einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind. Inwieweit dies der Fall ist, hat der bei der Schadensabrechnung nach § 287 ZPO besonders freigestellte Tatrichter – gegebenenfalls nach Beratung durch einen Sachverständigen – zu schätzen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif in Betracht kommt. In Ausübung seines Ermessens nach § 287 ZPO kann der Normaltarif auf der Grundlage des gewichtigen Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ im Postleitzahlgebiet dos Geschädigten – gegebenenfalls rnit sachverständiger Beratung – ermittelt werden (vgl, BGH Urteil vom 02.02.2010. AZ: VI ZR 7/09 m. w. N.).
Im vorliegenden Fall hat die Klägerseite dargelegt, dass der durchschnittlich von dem Nebenintervenienten in Rechnung gestellte Tagesmietpreis für die 24 Tage Anmietzeit der sich auf durchschnittlich 90,69 € netto beläuft, sogar unter dem Modus und arithmetischen Mittel des Normaltarifs des Schwacke-Mietpreisspiegels liegt. Zudem hat die Klägerseite allgemeine unfallspezifische Kostenfaktoren vorgetragen, die sogar noch einen höheren Mietpreis als den Normeltarif rechtfertigen könnten, nämlich dass bei der Nebenintervenientin keine Vorreservierungszeit erforderlich gewesen sei, keine Vorauszahlung und keine Kaution für Fahrzeugschäden vereinbart worden und die Mietwagenrechnung vorfinanziert worden sei. Demgegenüber hat die insoweit beweisbelastete Beklagte weder substantiiert dargetan noch Beweis dafür angeboten, dass die unfallspezifischen Kostenfaktoren als ein Verstoß des Geschädigten gegen die Schadensminderungspflicht zu werten sind und dem Geschädigten in der konkreten Situation ein günstiger Normaltarif ohne weiteres zugänglich war. Die von der der Beklagten angeführten Angebote der Firmen Hertz, Sixt, Avis und Europcar sind allesamt zu einem erheblich späteren nach dem Unfall- und Anmietzeitpunkt liegenden Datum, nämlich am xx.xx.2010, eingeholt worden. Zudem handelt es sich um Angebote, die auf einer Recherche im Internetportal beruhen.
Bei Internet-Angeboten handelt es sich aber um einen Sondermarkt, der gerade nicht ohne weiteres mit dem allgemeinen regionalen Mietwagenmarkt vergleichbar ist (vgl. BGH a. a. O).
Den Kläger traf hier auch keine weitere eigene Erkundigungspflicht nach einem günstigeren Tarif, da sich ihm aufgrund der Höhe des von der Nebenintervenientin angebotenen Tarifs, der sich – wie oben ausgeführt – innerhalb der Spanne des Schwacke-Mietpreisspiegels bewegte, keine Bedenken gegen dessen Angemessenheit aufdrängen mussten. Nach den von dem BGH entwickelten Grundsätzen kommt es insbesondere für die Frage der Erkennbarkeit der Tarifunterschiede für den Geschädigten nämlich darauf an, ob ein vernünftiger oder wirtschaftlich denkender Geschädigter unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebotes zu einer Nachfrage nach einem günstigeren Tarif gehalten gewesen wäre. Zu einer solchen Nachfrage ist der Geschädigte allerdings nur dann gehalten, wenn er Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Unfallersatztarifs haben muss. Dies ist nur dann der Fall, wenn der angebotene Tarif „erheblich“ bzw. „auffällig hoch“ über den in der Schwacke-Mietpreisliste aufgezeigten Tarifen liegt (vgl. BGH Urteil vom 04.07.2006, AZ: VI ZR 237/05).
In der Rechtsprechung hat sich hinsichtlich der Frage der Erkennbarkeit die Überzeugung gebildet, dass ein Geschädigter Zweifel an der Angemessenheit des Tarifs dann haben muss, wenn dieser zwischen 50 % bzw. 100 % höher liegt als der örtlich übliche Normaltarif (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 29.08.2009, A2: 7 U 0499/09).
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte insbesondere auch nicht mit konkreten Tatsachen Mängel der als Schätzungsgrundlage (§ 287 ZPO) herangezogenen Schwackeliste aufzuzeigen vermochte, die sich konkret auf den zu entscheidenden Fall ausgewirkt haben, mit der Folge, dass der Schwacke-Mietpreisspiegel im konkreten Fall nicht als Schätzungsgrundlage hätte dienen können.
Denn wie bereits oben ausgeführt, waren die von Beklagtenseite zu Vergleichszwecken herangezogenen Angebote zum einen nicht in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Anmietung eingeholt worden, zum anderen betrafen sie auch einen nicht ohne weiteres zugänglichen Sondermarkt.
Daneben sind auch die Zustell- und Abholkosten in Höhe von 60.00 € netto sowie die Haftungsbefreiungskosten für 24 Tage á 25,00 €, somit insgesamt weitere 600,00 € netto, erstattungsfähig.
Von der Erforderlichkeit von Zustell- bzw. Abholkosten für ein Ersatzfahrzeug ist grundsätzlich auszugehen, wenn das Fahrzeug des Geschädigten infolge eines Unfalls – wie hier – nicht mehr fahrbereit ist.
Haftungabefreiungskosten sind ebenfalls grundsätzlich erstattungsfähig, da der Mieter während der Mietzeit in der Regel einem höheren wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt ist (vgl. BGH NJW 2005, 1041; BGH NJW 2006, 360).
Anhaltspunkte dafür, dass im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt eines Vorteilsausgleichs nach § 237 ZPO hiervon Abzüge vorzunehmen wären, sind nicht ersichtlich,
Der Zinsan&pruch folgt aus §§ 286 I2, 288 I BGB.
Soweit das AG Weimar.