Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
vom Saarland geht es weiter in den Rheingau. Nachstehend veröffentlichen wir für Euch hier ein Urteil aus Wiesbaden zu den Sachverständigenkosten gegen den Versicherungswnehmer der VHV Versicherung. Wieder einmal ging es um rechtswidrig gekürzte Sachverständigenkosten nach einem Unfall, den der Versicherte der VHV alleine verschuldet hat. Die VHV wollte so schlau sein und – trotz einhundertprozentiger Haftung – dem Geschädigten nur einen Teil des ihm zustehenden Schadensersatzes zubilligen. Zu Recht hat der Geschädigte dann wegen des Restschadensersatzes nicht mehr die ohnehin erstattungsunwillige VHV Versicherung, sondern den Unfallverursacher persönlich in Anspruch genommen. Das erkennende Gericht hat dem VHV-Versicherten ins Urteil geschrieben, dass der Geschädigte, also sein Unfallgegener, seiner Darlegungspflicht nachgekommen ist im Gegensatz zu seiner Versicherung, die der Erstattungspflicht zu einhundert Prozent nicht nachgekommen ist. Lest selbst das Wiesbadener Urteil vom 23.3. 2016 und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Wiesbaden
Aktenzeichen: 93 C 4567/15 (32)
Urteil
I m N a m e n d e s V o l k e s
In dem Rechtsstreit
…
Kläger
gegen
Beklagte
hat das Amtsgericht Wiesbaden durch den Richter B. im vereinfachten Verfahren nach § 495 a ZPO ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 73,75 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.10.2015 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Das Gericht sieht von der -nach § 313 a I ZPO entbehrlichen- Darstellung des Tatbestandes ab.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin hat in der Sache einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von EUR 73,75 nebst Zinsen hieraus aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 249 BGB.
Die alleinige Haftung der Beklagten dem Grunde nach aufgrund des Verkehrsunfalls vom 23.6.2015 ist zwischen den Parteien unstreitig.
Der Höhe nach hat die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von weiteren EUR 73,75 für den Ersatz der restlichen Sachverständigen-Nebenkosten. Die Kosten waren zur Schadensbeseitigung in dieser Höhe erforderlich und sind daher ersatzfähig. Der Kläger ist auch als Besitzer und Leasingnehmer des verunfallten Fahrzeugs anspruchsberechtigt, da er hier die Schadensermittlungskosten geltend macht, die er im Verhältnis zu der Leasinggeberin zu tragen hätte, wäre die Beklagte nicht eintrittspflichtig.
Grundsätzlich sind die Kosten, die der geschädigten Partei durch die Hinzuziehung eines Sachverständigen entstanden sind, gemäß § 249 Abs. 2 S.1 BGB vom Schädiger zu ersetzen, soweit diese zur Rechtsverfolgung notwendig sind (Palandt-Grüneberg, § 249 Rn 59). Sinn und Zweck der Vorschrift des § 249 BGB ist es, dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers einen möglichst vollständigen Schadensausgleich zu gewähren (vgl. Steffen, NJW 1995, 2057, 2062). Der Unfallgeschädigte darf sich bei der Beauftragung eines Kraftfahrzeugsachverständigen daher damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13). Vielmehr ist anhand der individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten und der speziellen Situation des Geschädigten eine subjektive Schadensbetrachtung vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13, Urteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 471/12).
Der Geschädigte genügt dabei seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig bereits durch Vorlage einer Rechnung des von ihm in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung des Gerichts nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrags (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13; Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; Urteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 471/12). Die in Anspruch genommene Versicherung bzw. der Schädiger muss demnach Umstände vortragen, aus denen hervorgeht, dass für den Geschädigten von vorneherein erkennbar war, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Grundhonorars wie auch der Nebenkosten.
Sofern die Beklagte einzelne Posten der Nebenkostenrechnung als überhöht ansieht, kann dahinstehen, ob tatsächlich eine erhebliche Überhöhung gegeben ist. Die Beklagte trägt nämlich jedenfalls nicht vor, dass die Klägerin dies von vornherein hätte erkennen können. Es werden auch keine Anhaltspunkte dargelegt, die auf eine subjektive Kenntnis der Klägerin schließen lassen. Zu einer Recherche nach einem Sachverständigen mit einem günstigeren Honorarangebot war die Klägerin darüber hinaus gegenüber der Beklagten nicht verpflichtet.
Die Klageforderung ist in voller Höhe begründet und ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Rechnungsbetrag des Sachverständigen und der durch die Versicherung der Beklagten geleisteten Zahlung. Aufgrund der Zahlungsverweigerung der Beklagten kommt es gemäß § 251 BGB nicht darauf an, ob der Kläger den begehrten Betrag bereits an den Sachverständigen verauslagt hat.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 286 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit erging gemäß §§ 708 Nr.11, 713 ZPO.