Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
zum beginnenden Wochenende geben wir hier ein prima Urteil zur fiktiven Schadensabrechnung aus Worms gegen die HUK-Coburg bekannt. Im streitgegenständlichen Fall ging es um fiktive Verbringungskosten und Ersatzteilzuschläge sowie Stundenverrechnungssätze. Die beklagte HUK-Coburg meinte, wie üblich, den Geschädigten bei fiktiver Schadensabrechnung grundsätzlich auf günstigere Reparaturmöglichkeiten verweisen zu können, ohne die Voraussetzungen der Verweisung, nämlich die Zumutbarkeit für den Geschädigten, dargelegt zu haben. Folgerichtig hat das erkennende Gericht die Klage in vollem Umfang zugesprochen und die von der HUK-Coburg vorgenommenen Kürzungen als nicht rechtens festgestellt. Das Urteil war daher wieder ein Sieg auf der ganzen Linie gegen die eigenmächtig kürzenden Haftpflichtversicherer. Das Urteil wurde erstritten und eingereicht durch die Kanzlei Krantz & Krantz aus 47799 Krefeld. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker
Aktenzeichen:
17 C 125/13
Amtsgericht
Worms
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
…
– Beklagte –
wegen Reparaturkosten/Schadensersatz aus Verkehrsunfall
hat das Amtsgericht Worms durch den Richter am Amtsgericht … im vereinfachten Verfahren nach § 495a ZPO am 16.012014 für Recht erkannt:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 339,04 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Oktober 2013 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 83,54 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. Oktober 2013 zu zahlen.
3.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
Entbehrlich nach § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage hat bis auf einen geringen Teil der geltend gemachten Zinsen in vollem Umfang Erfolg.
Verbringungskosten sind wie die sogenannten UPE – Aufschläge im Rahmen einer fiktiven Schadensabrechnung dann nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zu ersetzen, wenn sie ein öffentlich anerkannter und vereidigter Sachverständiger in der Schadensregion für notwendig hält (so schon OLG Koblenz, Urteil vom 8. September 1997, Az.: 12 U 1355/96). Allein für die Mehrwertsteuer statuiert § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB das Verbot fiktiver Abrechnung.
Arbeitslohn und Lackierarbeiten sind ebenfalls im beantragten Umfang zu ersetzen wie sie sich nach den Angaben des vom Kläger beauftragten Sachverständigen im Rahmen der Reparatur bei einer markengebundenen Werkstatt ergeben würden.
Der Geschädigte, der fiktive Reparaturkosten abrechnet, darf der Schadensberechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt jedenfalls dann zugrunde legen. Erachtet man auch die Instandsetzung in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt als eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit, muss der Ersatzpflichtige dem Geschädigten konkrete, die Gleichwertigkeit betreffende Angaben zukommen lassen. Eine Aufzahlung von vier Firmenbezeichnungen reicht dabei nicht zwingend aus (OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. Juni 2008, Aktenzeichen: 1 U 246/07, zitiert nach Juris, dort Leitsatz 3 und OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. März 2012 Az: 1 U 139/11, Orientierungssatz zu § 254 Abs. 2 BGB und der Maßgabe, dass der Schädiger, anders als hier durch die bloße Angabe der Firma der angeblich preisgünstigeren Werkstatt, angeben muss, ob es sich um eine Meisterwerkstatt handelt, ob diese zertifiziert ist und ob dort Originalersatzteile Verwendung finden und über welche Erfahrung man bei der Reparatur von Unfallfahrzeugen verfügt).
Anders als in der von der Beklagten mitgeteilten Entscheidung des Amtsgerichts Wiesbaden ist es hier auch nicht so, dass die notwendigen Reparaturen sämtliche Lackschäden betroffen hätten, d.h. der Fall ist nicht mit dem vergleichbar, dass auch ein Markenbetrieb die im Raum stehenden Reparaturarbeiten ohnehin ausgelagert hätte.
Der Verweis der Beklagten auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes 14. Mai 2013, Az: VI ZR 320/12 verfängt nicht. Die Beklagte mag zwar durch Sachverständigengutachten oder die benannten sachverständigen Zeugen die Gleichwertigkeit der Reparaturbetriebe, die sie aufzeigte, nachweisen können, wobei der Vortrag zur Gleichwertigkeit unabhängig davon hätte substanzieller ausfallen müssen. Es kann aber selbst dann, wenn die Gleichwertigkeit der Reparaturarbeiten feststeht, für den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht unzumutbar sein, eine Reparaturmöglichkeit in der günstigeren Werkstatt in Anspruch zu nehmen.
Dies gilt – hier nicht zutreffend – zum einen bei Fahrzeugen im Alter von bis zu drei Jahren (BGH Urteil vom 20. Oktober 2009, Aktenzeichen: VI ZR 53/09, = ZfS 2010, 143) bei Fahrzeugen, die älter als drei Jahre sind, kann es aber ebenfalls unzumutbar sein, sich im Rahmen der Schadensberechnung auf eine alternative Reparaturmöglichkeit außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen.
Denn auch hier kann die Frage Bedeutung haben, wo das Fahrzeug regelmäßig gewartet, scheckheftgepflegt oder gegebenenfalls nach einem Unfall repariert worden ist. Dabei besteht bei einem großen Teil des Publikums, insbesondere wegen fehlender Überprüfungsmöglichkeiten die Einschätzung, dass bei einer regelmäßigen Wartung und Reparatur des Kfz in einer markengebundenen Fachwerkstatt eine höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese nicht ordnungsgemäß und fachgerecht erfolgt ist, was sich letztlich auch bei einem Wiederverkauf auswirken kann (BGH a.a.O.).
Zinsen schuldet die Beklagte (Antrag zu 1.) gem. § 187 Abs. 1 BGB erst ab dem auf den Verzugseintritt (3. Oktober 2013) folgenden Tag (4. Oktober), im Übrigen erst ab dem auf die Zustellung des Mahnbescheis folgenden Tag, § 291 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB analog (BGH, NJW-RR 1990, 519).
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung ist nicht zuzulassen, da die hierfür nach § 511 Abs. 4 ZPO erforderlichen Voraussetzungen im hierzu entscheidenden Einzelfall nicht vorliegen.
Schade, dass es sich beispielsweise noch nicht bis Hamburg herumgesprochen hat, dass bei der fiktiven Abrechnung nicht zwischen angefallenen und nicht angefallenen Kosten unterschieden werden kann. Dieser – richtigen – Auffassung ist beispielsweise auch der BGH in seiner Entscheidung zur Höhe der Stundenverrechnungssätze (der Versicherer hatte hier gemeint, diese auch noch um Steuern und Sozialabgaben „bereinigen“ zu müssen). Dies ist 1 : 1 übertragbar auf die Verbringungs- und UPE-Kosten. Den (gesetzlich verankerten) Abzug der Mehrwertsteuer bezeichnete der BGH konsequenterweise als „systemwidrig“.