Das AG Augsburg (13. Zivilabteilung) hat mit Urteil vom 21.05.2008 (13 C 1145/08) die beklagte Haftpflichtversicherung verurteilt, an die Klägerin 393,76 € nebst Zinsen zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage hat Erfolg. Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß § 249 II BGB, § 7 I StVG Ausgleich eines weiteren bisher von der Beklagten nicht regulierten Betrages in Höhe von 393,76 € auf der Grundlage der Stundensätze, die in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallen, verlangen. Die grundsätzlich voll umfängliche Haftung der Beklagten für den streitgegenständlichen Schaden und die Tatsache, dass bei Abrechnung nach den Stundenlöhnen einer markengebundenen Fachwerkstatt um 393,76 € höhere Kosten anfallen als bei Abrechnung nach den Stundenverrechnungssätzen einer freien Werkstatt, steht zwischen den Parteien außer Streit.
Streitig ist lediglich, ob die Klägerin bei der hier vorgenommenen fiktiven Schadensabrechnung auf Gutachtensbasis gemäß § 249 Abs. II Satz 1 BGB berechtigt ist, die Stundenlöhne einer markengebundenen Fachwerkstatt in Rechnung zu stellen. Die Entscheidung dieser Frage hat in dem Spannungsfeld zwischen Integritätsinteresse und Dispositionsfreiheit der Geschädigten einerseits und dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot andererseits zu erfolgen. Grundsätzlich besteht das Ziel des Schadensersatzanspruches gem. § 249 BGB in der Totalreparation d. h. der Geschädigte ist wirtschaftlich so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis bestanden hätte. Da der Geschädigte sowohl in der Wahl der Mittel als auch in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei ist, gelten diese Grundsätze auch bei der Abrechnung fiktiver Reparaturkosten. Andererseits hat der Geschädigte aus Gründen der Schadensminderungspflicht gem. § 254 BGB im Rahmen des Zumutbaren unter Berücksichtigung individueller Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten bzw. konkreter Schwierigkeiten von mehreren möglichen Lösungen des wirtschaftlicheren Weg zu wählen. Diesem Gebot der Wirtschaftlichkeit ist die Klägerin vorliegend grundsätzlich nachgekommen, in dem sie auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens abrechnet, welches hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen läßt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden.
Die Beklagte, die sich dennoch weiter auf Unwirtschaftlichkeit der gewählten Abrechnungsmethoden beruft, ist dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass die Klägerin mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit in Anspruch nehmen kann. Dabei sind von den von der Beklagten genannten und behauptetermaßen günstigeren Reparaturbetrieben von vornherein nur die ersten 3 in derartige Überlegungen einzubeziehen, da die übrigen Unternehmen aufgrund ihrer Entfernung von mehr als 30 km nicht mühelos erreichbar und so nicht zumutbar sind. Allerdings stellt nach Auffassung des Gerichtes auch die von der Beklagten vorgelegte Auflistung der verbliebenen drei Werkstattunternehmen unter Nennung von Einzelpreisen für Stundenlohn und Lack keine glechwertige konkrete Alternativlösung dar, auf das sich die Klägerin verweisen lassen müßte, ohne dass es insoweit auf die Einholung des angebotenen Sachverständigengutachtens zur Überprüfung der genannten Stundensätze und der Qualität der dort geleisteten Arbeit ankäme. Die Frage der Gleichwertigkeit kann nicht isoliert und nur bezogen auf die Beurteilungskriterien Stundensatz und qualitativer Arbeitsanforderungen bezüglich der Reparaturarbeiten betrachtet werden. Die Höhe der anzusetzenden Reparaturkosten bemisst sich nicht allein nach den Einheitspreisen, sondern beispielsweise auch nach dem benötigten Zeitaufwand und den Preisen für die einzubauenden Esatzteile. Zu derartigen Komponenten fehlt jedoch entsprechender Sachvortrag der Beklagten. Desweiteren hat die Klägerin vorliegend dargelegt, dass die Bemessung der Wertminderung im Gutachten mit nur 300,00 € in Abhängigkeit zu dem Umstand zu sehen ist, dass die Reparatur, wie im Gutachten angegeben, in einer Niederlassung der Firma des beschädigten Fahrzeuges erfolgt. Dem tritt das Gericht bei. Die Tatsache, dass das betreffende Fahrzeug nicht nur in einer markengebundenen Werkstatt sondern sogar in der örtlichen Niederlassung des Herstellers repariert wurde, hat in Abgrenzung zu einer Reparatur in einer No-Name Werkstatt für einen potenziellen Käufer durchaus vertrauensbildenden und damit wertbildenden Charakter. Dieser Einlassung der Klägerin ist die Beklagte nicht durch substantiierten Tatsachenvortrag entgegengetreten. Im Übrigen erscheint die Argumentation der Beklagten auch inkonsequent, indem sie einerseits der Klägerin bei tatsächlicher Durchführung der Reparatur in einer Werkstatt ihres Vertrauens die erhöhten Stundensätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zubilligen, bei lediglich fiktiver Abrechnung jedoch versagen will. In beiden Fällen handelt es sich um eine Schadenabrechnung gem. § 249 Abs. II Satz 1 BGB, da die Beklagte der Klägerin die Ausführung der Reparatur und die Auswahl der Werkstatt überlässt und so die Abrechnung in beiden Fällen dem Grundsätz der Erforderlichkeit und dem Gebot der Wirtschaftlichkeit unterliegt.
Die Beklagte war daher auch bei fiktiver Schadensabrechnung zur Zahlung der im Gutachten aufgeführten Fachwerkstattlöhne zu verurteilen.