Der Amtsrichter der 21. Zivilabteilung des Amtsgerichtes Hildesheim (Niedersachsen) hat mit Urteil vom 15.05.2009 (21 C 385/08) die beklagte Haftpflichtversicherung verurteilt, an die Klägerin 305,77 € zuzüglich Zinsen zu zahlen sowie außergerichtliche Anwaltskosten von 83,54 € nebst Zinsen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites. Die Berufung gegen das Urteil ist zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin des Pkw BMW Kombi 316i Touring. Die Beklagte ist die Haftpflichtversicherung des von dem Unfallverursacher im Unfallzeitpunkt geführten Pkw H-. Am 25. Juni 2008 kollidierten die Pkw auf dem in der Klageschrift näher bezeichneten Parkplatz in Hildesheim. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Halter des unfallverursachenden Pkw mit der Beklagten als Gesamtschuldnerin zur vollen Höhe des der Klägerin entstandenen Schadens haften. Vorgerichtlich hat die Klägerin bei der Abrechnung des Schadens die Reparaturkosten auf der Basis des Gutachtens des Kfz.-Sachverständigenbüros H. vom 1. August 2008 in Höhe von 853,10 Euro netto geltend gemacht. Wegen der Einzelheiten wird auf die mit der Klageschrift vorgelegte Ablichtung des Gutachtens (Bl. 5-8 d. A.) Bezug genommen, Die Beklagte hat den Schaden mit einem Abzug nach Prüfbericht abgerechnet {Ablichtung Bl. 9-11 d. A.). Den Differenzbetrag von 305,77 Euro (Betrag des Abzuges, vgl. Bl. 9 d A.) verlangt die Klägerin von der Beklagten mit der Klage.
Sie beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 305,77 € zzgl. 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 20.08 2008 zu zahlen.
2. Die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Kostender Rechtsverfolgung in Höhe von 83,54 € zzgl. 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Bei der fiktiven Abrechnung der Reparaturkosten müsse sjch die Klägerin auf eine naheliegende Reparaturwerkstatt verweisen lassen, die geringere Stundenverrechnungssätze anbiete, ansonsten aber gleichwertige Reparaturleistungen erbringe, Verbringungskosten für Lackierarbeiten könne die Klägerin in keinem Fall ersetzt verlangen, wenn sie fiktiv abrechne. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der dazugehörenden Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten Zahlung des obenausgeurteilten, über den schon außergerichtlich zugestandenen Teil der Fahrzeuginstandsetzungskosten hinausgehenden Betrages beanspruchen. Der Haftungsgrund ist unstreitig, Schaden der Klägerin ist der von ihr unter Bezugnahme auf das Gutachten dargelegte und von der Beklagten insoweit auch nicht angegriffene Kostenaufwand von netto 853,10 Euro. Obwohl die Klägerin den Unfallschaden nach ihrem Vorbringen jedenfalls nicht durch die im Rechtsstreit näher bezeichnete, in Peine ansässige Marken-Werkstatt hat beheben lassen, kann sie nach der Rechtsprechung vom Unfallverursacher Ersatz der objektiv erforderlichen Reparaturkosten unter Einschluss der dort zur Abrechnung kommenden Stundenverrechnungssätze beanspruchen (BGH NJW 03, 2086). Den Schaden darf der Geschädigte auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnen, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden (BGH a.a.O.). Das ist vorliegend der Fall. Die Beklagte bestreitet die Schadensberechnung des Sachverständigen selbst nicht. Es ist unstreitig, dass die vom Sachverständigen angesetzten Stundenverrechnungssätze bei einer Reparatur in einer BMW-Vertragswerkstatt tatsächlich anfielen. Auch sind Mängel des Sachverständigengutachtens nicht gerügt worden. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Klägerin im vorliegenden Fall nicht auf die kostengünstigere Durchführung einer Reparatur bei der angegebenen Referenzwerkstatt in Salzgitter zu verweisen, Zwar muss sich der Geschädigte, der mühelos eine
ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertigere Reparaturmöglichkeit hat, auf diese verweisen lassen (BGH a.a.O.). Der Schädiger aber hat die konkreten Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aus denen sich die Unwirtschaftlichkeit der Abrechnung und damit ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ergibt (BGH a.a.O.). Das Vorbringen der Beklagten trägt für einen solchen Verstoß nicht genügend Tatsachen vor.
Ob die Referenzwerkstatt geringere Stundenverrechnungssätze berechnet, ob sie über besondere fachliche Qualitäten, Erfahrung und über eine bestimmte Zertifizierung verfügt und deswegen eine günstigere und gleichwertigere Reparaturmöglichkeit bietet, was die Klägerin bestreitet, kann dahinstehen. „Mühelos“ im Sinne der Rechtsprechung hat die Klägerin die vorgetragene anderweitige Reparaturmöglichkeit nicht. Dabei kann auch dahinstehen, ob sich der Geschädigte auf eine in einer anderen Stadt befindliche kostengünstigere Reparaturmöglichkeit verweisen lassen muss, wenn die konkreten Entfernungsverhältnisse wie im vorliegenden Fall (von Lengede nach Salzgitter angeblich ca. 12 km) großstädtische sind. Die Klägerin muss den in der anderen Stadt befindlichen, nicht markengebundenen Reparaturbetrieb nicht kennen, Sie muss die zum Referenzbetrieb und zu der Gleichwertigkeit gemachten, dem eigenen Kostensenkungsinteresse folgenden Angaben des Schädigers nicht ohne weiteres Glauben schenken und ist also auf Erkundigungen angewiesen. Besonders naheliegend wird sie den Sachverständigen dessen Schadensberechnung im übrigen nicht angegriffen wird, zu einer Überprüfung und einer ergänzenden kriterienbezogenen Aussage über die behauptete günstigere und gleichwertigere Reparaturmöglichkeit anhalten können. Wenn aber die dem Geschädigten vorgehaltene Kostenersparnis wie vorliegend die Größenordnung der bereits aufgewandten Kosten des Sachverständigengutachtens (305,77 bzw. 316,61 €) nicht überschreitet, liegt die Unwirtschaftlichkeit eines solchen Verfahrens auf der Hand. Der von der Beklagten ausgesprochene Verweis auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit fordert der Klägerin mithin eine anderweitige, nicht weiter umrissene Mühewaltung ab, die nicht vorgetragen ist. Nach der Rechtsprechung ist auch diese in die Abwägung einzubeziehen (BGH a.a.O.). Entgegen der Ansicht der Beklagten, die sich zur Begründung lediglich darauf beschränkt, eine Vielzahl von Entscheidungen zu zitieren, ist der Klägerin auch ein Anspruch auf Erstattung der Verbringungskosten bei der fiktiven Abrechnung zuzugestehen. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der freie Sachverständige die Verbringungskosten in Kenntnis der örtlichen Verhältnisse in Ansatz bringt, wenn diese üblicherweise erhoben werden (OLG Dresden, DAR 01, 455; OLG Düsseldorf, DAR 02, 68),.
Der Anspruch auf Verzugszinsen ab dem Tag nach Ablauf der mit der Zahlungsaufforderung vom 5. August 2008 gesetzten Frist folgt aus Verzug, §§ 286 Abs 1,288 Abs. 1BGB.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten auch Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlich entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung in der insoweit auch nicht bestrittenen Höhe, wie sie mit der nach § 10 RVG erforderlichen Berechnung vom 26. Januar 2009 (Bl. 80 d. A.) ausgewiesen sind. Auch diese Kosten zählen zum Schaden des Unfallgeschädigten, § 249 BGB; Dem Anspruch kann nicht entgegengehalten werden, dass die Rechnung noch nicht ausgeglichen sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Amtsgerichts zählt auch die Belastung mit einer einforderbaren Verbindlichkeit zu einem Schaden.. Soweit die Beklagte dem entgegenhält, dass eine Rechtsschützversicherung bereits für Ausgleich gesorgt haben dürfte, ist dieser Vortrag unsubstantiiert, so dass er auf die Frage einer Aktivlegitimation für die Forderung zur Zeit nicht ankommt.
Der Anspruch auf Zinsen zum gesetzlichen Zinssatz auf diese Rechtsverfolgungskosten ab Rechtshängigkeit folgt aus § 291 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.
Gemäß § 511 Abs,, 4 Ziffer 2 ZPO ist die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen worden, um die Überprüfung im Sinne einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.
So das Amtsgericht Hildesheim in seinem Urteil vom 15.05.2009.
Hallo Willi Wacker,
es freut mich, nach so langer Zeit auch von Ihnen wieder ein Urteil zu lesen. Das relativ frische Urteil des AG Hildesheim liegt voll auf der Linie der herrschenden Rechtsprechung.
Ihre Jurastudentin