Hallo verehrte Captain-Huk-User,
hier und heute veröffentlichen wir für Euch noch ein Urteil aus Erding zu den Sachverständigenkosten gegen die Generali Versicherung. Da die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung die endgültige und vollständige Erstattung der berechneten Sachverständigenkosten ernsthaft und endgültig verweigert hat, hätte meines Erachtens besser auf Zahlung geklagt werden sollen. Die Klage auf Freistellung halte ich aufgrund der derzeitigen Rechtsprechung für problematisch. Besser und sicherer wäre es gewesen, die bezahlte Rechnung einzuklagen bzw. den Antrag auf Bezahlung der restlichen Sachverständigenkosten zu stellen. Völlig zu Recht hat das erkennende Gericht die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung zur Zahlung bzw. Freistellung verurteilt, auch wenn die berechneten Sachverständigenkosten überhöht gewesen sein sollten, denn die Beklagte ist nicht rechtlos, wenn sie die vollen Sachverständigenkosten erstatten muss. Sie hat die Möglichkeit des Vorteilsausgleichs (vgl. Imhof / Wortmann DS 2011, 149 ff.). Auf die damit verbundene Darlegungs- und Beweislastsituation hat das Gericht – zutreffenderweise – auch hingewiesen. Lest aber selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Erding
Az.: 4 C 2872/14
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
… ,
– Kläger –
gegen
Generali Versicherung AG,
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Erding durch den Richter am Amtsgericht … am 03.03.2015
auf Grund des Sachstands vom 27.02.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von einer Forderung des Sachverständigenbüros … gemäß Rechnung vom 17.07.2014, Rechnungsnummer … , in Höhe von 244,73 € freizustellen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 244,73 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
I. Der Kläger kann von der Beklagten Schadensersatz für Sachverständigenkosten in Höhe von weiteren 244,73 € aus §§ 7 Abs.1 StVG, 249 Abs. 2 S.1 BGB i.V.m. §§ 115 Abs. 1 VVG, 1, 3a PflVG verlangen. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach zu 100 % ist unstreitig. Die Erholung eines Sachverständigengutachtens stellte vorliegend eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung dar, weil kein Bagatellschaden im Raum stand. Die erheblichen Nettoreparaturkosten belaufen sich auf 7.168,03 €. Grundsätzlich hat der Schädiger daher auch die Kosten des Sachverständigengutachtens als Kosten zur Wiederherstellung zu ersetzen, die ohne das haftungsauslösende Unfallereignis nicht angefallen wären, § 249 Abs.1, Abs.2 S.1 BGB. Eine Ersatzpflicht besteht dabei grundsätzlich auch, wenn die Kosten des Sachverständigengutachtens übersetzt sind, vgl. Palandt-Grüneberg, 73. Auflage 2014, § 249 Rn. 58 unter Hinweis auf OLG Naumburg, Urteil vom 20.01.2006 – 4 U 49/05, NJW-RR 2006, 1029. Zwar können nach § 249 Abs.2 S.1 BGB Sachverständigenkosten als Herstellungsaufwand nur in dem Umfang als Schadensersatz beansprucht werden, in welchem diese objektiv erforderlich waren. Als erforderlich sind dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde, vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2014, VI ZR 225/13, NJW 2014, 1947 m.w.N. Dabei ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen und Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten zu nehmen, vgl. so bereits BGH, Urteil vom 23.01.2007, VI ZR 67/06, NJW 2007, 1450. Der Geschädigte ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht verpflichtet, Marktforschung zu betreiben, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe vor diesem Hintergrund regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen, BGH, Urteil vom 11.02.2014, VI ZR 225/13, NJW 2014, 1947. Etwas anderes gilt nur, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen oder wenn der Kläger von vorneherein hätte erkennen können, dass der Sachverständige überhöhte Kosten ansetzen würde. Solche Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich.
1. Das vom Sachverständigen veranschlagte Pauschalhonorar von 690,00 € bewegt sich noch im üblichen Rahmen. Dies ergibt sich aus der BVSK-Honorarbefragung 2013, wonach bei einer Schadenshöhe zwischen 7.000,00 und 7.500,00 € mehr als die Hälfte der befragten Sachverständigen (50 – 60 % = Korridor HB V) ein Honorar zwischen 659,00 und 714,00 € berechnet.
2. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass entsprechend dem Auftrag des Klägers 2 Lichtbildsätze gefertigt wurden. Für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung war vorliegend ein Satz für den Kläger und ein Satz für die Beklagte erforderlich und sachgerecht. Der abgerechnete Stückpreis betrifft ausschließlich die Material- und Fertigungskosten ohne Zeitaufwand und liegt ebenfalls im Rahmen des Honorarkorridors HB V der BVSK-Befragung 2013. Für den Kläger, der die aus der BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen Höchstsätze zudem weder kannte, noch kennen musste, vgl. BGH, Urteil vom 11.04.2014, VI ZR 225/13, war eine etwaige Überhöhung der abgerechneten Kosten für die Lichtbilder vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht erkennbar.
3. Die Abrechnung von Fahrtkosten für 44 km begegnet keinen Bedenken. Die Entfernung zwischen dem Büro des Sachverständigen in Ampfing und dem Standort des beschädigten Radladers am Sitz des Klägers beläuft sich auf ca. 22 km. Die Auswahl eines Sachverständigen in einer solchen Entfernung von weniger als 50 km verstößt nicht gegen die Schadensminderungsobliegenheit, zumal der Kläger den Sachverständigen aufgrund zweier vorangegangener Aufträge bereits kannte.
4. Schließlich liegen auch die abgerechneten Kosten für Fahrt, Schreibarbeiten, Ausdrucke, Kopien, Porto, Telefon und EDV allesamt noch innerhalb der in der BVSK-Befragung 2013 ermittelten Höchstsätze im Korridor HB V, sodass auch insoweit keine unangemessene Überhöhung festzustellen ist, die der Kläger nach Rechnungserhalt hätte erkennen können und monieren müssen.
5. Die Beklagte ist, soweit sie aufgrund ihrer Spezialkenntnisse unter Berufung auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. Auer im Gegensatz zum Kläger eine Überhöhung der Sachverständigenkosten zu erkennen glaubt, nicht rechtlos gestellt, da sie sich die Ansprüche des Klägers gegen den Sachverständigen auf Rückerstattung einer etwaigen Zuvielleistung abtreten lassen und gegen den Sachverständigen vorgehen könnte. Der Kläger ist zu einer Abtretung bereit. Dann wäre es natürlich die Verpflichtung der Beklagten, darzulegen und zu beweisen, dass und aus welchen Gründen das Honorar tatsächlich zu hoch bemessen sein soll.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.