Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
wir haben bereits häufig auf die fehlerhafte Rechtsprechung der Berufungskammer 13 S des Landgerichts Saarbrücken bezüglich der Sachverständigennebenkosten hingewiesen. Nunmehr hat auch ein Amtsrichter eine nachgeordneten Amtsgerichts laut und deutlich in einem Urteil diese Kritik offenkundig gemacht. Wie so oft hatte die regulierungspflichtige HUK-COBURG als Kfz-Haftpflichtversicherung trotz 100-prozentiger Haftung nicht vollen Schadensersatz geleistet, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wäre. Damit war die Schaensersatzkürzung durch die HUK-COBURG rechtswidrig. Das Unfallopfer nahm daraufhin mit anwaltlicher Hilfe wegen des Restschadensersatzes nicht mehr die HUK-COBURG, sondern den Unfallverursacher persönlich in Anspruch. Dieser wurde nunmehr durch den erkennenden Amtsrichter des Amtsgerichts Saarlouis dazu verurteilt, was die HUK-COBURG als eintrittspflichtige Versicherung unterlassen hatte, nämlich kompletten Schadensersatz zu leisten. Der Versicherungsnehmer muss die Suppe auslöffeln, die ihm die HUK-COBURG eingebrockt hat. Bemerkenswert an dieser Entscheidung des Amtsrichters der 28. Zivilabteilung des AG Saarlouis ist, dass er selbst Kritik an seinem übergeordneten Landgericht Saarbrückeen übt und die Gefolgschaft verweigert. Bewußt richtet er sich nach der BGH-Rechtsprechung sowie der Rechtsprechung des OLG Saarbrücken und stellt die Entscheidungen der 13 S-Berufungskammer – wie auch in 28 C 1790/14 (70) vom 09.03.2015 bereits geschehen – in Frage. Recht hat der Amtsrichter S. aus Saarlouis. Lest selbst das hervorragende Urteil des AG Saarlouis und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und (für die Väter unter den Lesern) einen schönen morgigen Vatertag
Willi Wacker
28 C 1284/14 (70)
Amtsgericht Saarlouis
Urteil
I m N a m e n d e s V o l k e s
In dem Rechtsstreit
…
Kläger
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte D. I. & P. aus A.
gegen
…
Beklagter
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte B. M. aus K.
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Saarlouis
durch den Richter am Amtsgericht S.
im vereinfachtem Verfahren gemäß § 495a ZPO am 9. März 2015
für Recht erkannt:
1. Der Beklagte wird verurteilt an den Kläger 321,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.8.2013 zu zahlen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
(ohne Tatbestand gemäß § 313 a ZPO)
Die Klage ist begründet.
Der Kläger kann von der gemäß § 115 WG für die Unfallfolgen aus dem Unfallgeschehen vom 5.8.2013 in Saarlouis im vollem Umfang ausgleichspflichtigen Beklagten Erstattung restlicher Sachverständigenkosten in geltend gemachter Höhe von 321,28 € verlangen.
Die Kosten der Schadenfeststellung sind Teil des nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zu ersetzenden Schadens, mithin auch die Kosten von Sachverständigengutachten, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind (BGH NJW 2007, 1450).
Allerdings kann der Geschädigte nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Nur wenn die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegen, sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden (BGH, VersR 2014, 1141, Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 19.12.2014, 13 S 109/14).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes genügt der Geschädigte seiner Darlegungslast regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadenschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt (BGH in Versicherungsrecht 2014, 474). Deshalb obliegt es dem Schädiger, Umstände vorzutragen, aus welchen sich ergibt, dass der vom Geschädigten ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, welche die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen und dies dem Geschädigten auch erkennbar war.
Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige die branchenüblichen Preise deutlich übersteigende Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, gebietet es das schadenrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen. Allein der Umstand, dass die vom Schadengutachter abgerechneten Kosten die aus der BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen Höchstsätze überschreiten, führt aber weder dazu, dass die geltend gemachten Kosten von vornherein aus dem Rahmen des nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB für die Schadenbehebung erforderlichen Geldbetrages fallen, noch rechtfertigt sich daraus die Annahme eines Verstoßes des Geschädigten gegen seine Pflicht zur Schadenminderung nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Alt 2 BGB (BGH Versicherungsrecht 2014, 474).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist bereits seitens der Beklagten nicht ausreichend dargelegt, weshalb der Kläger als Geschädigter nach seinen subjektiven Erkenntnismöglichkeiten die Rechnung des Sachverständigen^mHvom 7.8.2013 als unbillig oder jedenfalls erkennbar wesentlich überhöht ansehen musste.
Zwar legt der Sachverständige, soweit dem Gericht bislang bekannt, im Vergleich zu sonstigen Gutachtern in der Region sowohl der Grundgebühr als auch einzelnen von ihm berechneten Nebenkosten die gemeinhin höchsten Sätze zu Grunde. Allerdings folgt hieraus angesichts der notwendigen schadenrechtlichen subjektbezogenen Betrachtungsweise noch nicht, dass dies dem Kläger als Laien zwingend hätte auffallen müssen. Ohnehin wäre die Grenze der Angemessenheit erst dann überschritten, wenn der Sachverständige im Vergleich zu einem repräsentativen Durchschnitt der Kfz-Gutachter nicht nur wesentlich, sondern deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen abrechnet. (BGH VI ZR 225/13 Rn 8).
Unter Anwendung der Rechtsgrundsätze des Bundesgerichtshofes genügt auch nach der Rechtsprechung des Saarländischen Oberlandesgerichtes ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadenbehebung grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenhöhe infrage zu stellen. Anderes gilt nur, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen (Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 27.11.2014, 4 U 21/14 unter Hinweis auf BGH aaO, vergleiche auch Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 8.5.2014, 4 U 61/13).). Das Saarländische Oberlandesgericht hat in einer der zitierten Entscheidung Nebenkosten in Höhe von insgesamt 198,50 € für ersatzfähig angesehen.
Zwar hält das Landgericht Saarbrücken in seiner Entscheidung vom 19.12.2014 weiterhin an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, wonach der Geschädigte regelmäßig – nur – von der Erforderlichkeit des angefallenen Grundhonorars ausgehen kann, wenn es sich innerhalb des Honorarkorridors bewegt, in welchem nach der BVSK-Honorarbefragung je nach Schadenhöhe zwischen 50 und 60 % der befragten BVSK-Mitglieder ihr Honorar berechnen und liegt das Grundhonorar des Sachverständigen … vorliegend um 67 € über diesem Höchstsatz. Ebenso hat das Landgericht in dieser Entscheidung bezüglich der konkret abgerechneten Nebenkostenpositionen eine Prüfung der Angemessenheit maßgeblich im Vergleich zum Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) vorgenommen und ist hiernach im zu entscheidenden Fall zu einer erkennbaren Überhöhung und einer Kürzung einzelner Kostenpositionen gekommen.
Diese Entscheidung ist nach Kenntnis des erkennenden Gerichtes noch nicht rechtskräftig geworden. Gegen diese Entscheidung sind auch gewichtige Bedenken ausgeführt worden (vergleiche hierzu Amtsgerichts Saarlouis, Urteil vom 30. 01. 2015, 26 C 1583/14). Gerade auch im Hinblick auf unterschiedliche Entscheidungen unterinstanzlicher Saarländischer Gerichte ( Amtsgericht Saarlouis a.a.O., Amtsgericht Saarlouis, Urteil vom 13.10.2013, 29 C 995/14, Amtsgericht Völklingen, Urteil vom 3. 12.2014, 5 C 206/14), insbesondere auch des Landgerichts Saarbrücken einerseits und des Saarländischen Oberlandesgerichtes andererseits (a.a.O. ) vermag das erkennende Gericht jedenfalls zur Zeit nicht festzustellen, dass mit der Berechnung vorliegender Kostenpositionen für den Geschädigten eine erkennbare Überhöhung von Kosten einhergeht. Hier kann dem Kläger kein besserer Wissensstand und bessere Erkenntnismöglichkeiten unterstellt werden als den mit der Materie rechtlich befassten vorgenannten Entscheidungsträgern. An Entscheidungen der zuständigen Berufungskammer des Landgerichts Saarbrücken konnte sich der Geschädigte zur Zeit der Auftragserteilung im August 2014 ohnehin nicht orientieren, da die Rechtsprechung dieser Kammer im Juli 2014 durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs revidiert wurde, neue Entscheidungen zur Höhe des Sachverständigenhonorars aber erst am 19.12.2014 verkündet wurden. (Amtsgericht Saarlouis, a.a.O).
Die Berufung war nicht zuzulassen, da einerseits nicht dargelegt wird, zu welcher konkreten Rechtsfrage dies erfolgen soll und andererseits die hinter dem Beklagten stehende Haftpflichtversicherung sich bei der (Teil)- Regulierung auch offensichtlich nicht an der Rechtsprechung der zuständigen Berufungskammer orientierte.
Die zuerkannte Zinsforderung beruht auf § § 288 Abs. 1, 286 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre gesetzlichen Grundlagen in den § § 708 Nummer 11, 713 ZPO.
„Nebenkosten“
Wann wird endlich der Begriff „Nebenkosten“ auf die Müllhalde verbannt? Positionen in den Honorarrechnungen wie EDV-Kosten, Lichtbilder, Seitenanzahl und gefahrene Kilometer spezifizieren lediglich den konkreten notwendigen Aufwand bzw. das konkrete – vom Sachverständigen zu bestimmende – Erfordernis (Anzahl der Lichtbilder) für den ganz speziellen Schadenfall = Einzelpositionen.