Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
jetzt beginnt offensichtlich auch die in Wiesbaden ansässige R+V-Versicherung mit der flächendeckenden Kürzung der Sachverständigenkosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall. Obwohl die Schuldfrage nach dem durch den Fahrer des bei der R+V-Versicherung haftpflichtversicherten Fahrzeugs eindeutig war, will die hinter dem Fahrer und dem Halter stehende R+V-Versicherung nicht einhundertprozentigen Schadensersatz leisten. In diesem Fall war auch sie der irrigen Ansicht, nur das als Schadensersatz leisten zu müssen, was ihrer Meinung nach gerechtfertigt wäre. Wo bestimmt der Schuldner, wie hoch der Schadensersatz zu leisten ist? Im deutschen Recht nicht! Also nahm das Unfallopfer Fahrer und Halter des den Unfall verursachenden Fahrzeugs persönlich – ohne ihre Kfz-Haftpflichtversicherung – in Anspruch. Das angerufene Amtsgericht Aschaffenburg gab der Klägerin Recht. Lest selbst das Urteil aus Aschaffenburg und gebt bitte Eure Kommentare bekannt.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker
Amtsgericht Aschaffenburg
Az: 112 C 919/14
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
der Frau L. M. aus A.
– Klägerin –
Prozessbevollmächtigte: RAe. D. I. & P. aus A.
g e g e n
1. Herrn K.-H. J. aus K.
2. Frau U. J. aus K.
– Beklagte –
Prozessbevollmächtigte: RAe. S & P aus F.
wegen Forderung
erlässt das Amtsgericht Aschaffenburg durch die Richterin am Amtsgericht B. am 29.9.2014 aufgrund des Sachstands vom 23.9.2014 ohne mündliche Verhandlung gem. § 495 a ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Bekagte werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 85,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.6.2013 zu bezahlen.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufigvollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 85,80 € festgesetzt.
(abgekürzt nach § 313 a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Ermessungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner Anspruch auf Zahlung in Höhe von 85,80 €.
Die Kosten der Schadensfeststellung sind regelmäßig Teil des zu ersetzenden Schadens. Der Schädiger hat daher die Kosten von Sachverständigengutachten zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind. Eine Ersatzpflicht besteht in der Regel auch dann, wenn das Gutachten objektiv ungeeignet ist oder seine Kosten übersetzt sind (siehe hierzu Palandt, BGB-Kommentar, § 249 Rn. 58).
Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Geschädigte die Unbrauchbarkeit des Sachvertändgengutachtens zu vertreten hat oder wenn ihn ein Auswahlverschulden trifft. Derartige Umstände, die es rechtfertigen würden, dem Kläger einen Anspruch auf Erstattung der hier streitigen zusätzlichen Gutachterkosten zu versagen, sind nicht ersichtlich.
Nachdem hier die Erforderlichkeit der Kosten für eine Hebebühne im Streit stand, hat sich die Klägerin nochmals an den Sachverständigen gewandt, der sich zu den Kosten geäußert hat.
Soweit die Bekagten daher die Angemessenheit der hierfür angefallenen Kosten bestreiten, konnten sie damit im Verhältnis zu der hier Geschädigten nicht durchdingen.
Zwar darf ein Geschädigter auf Kosten des Schädigers bei der Beauftragung eines Sachverständigen nicht jeden beliebigen Preis vereinbaren. So lange für ihn allein als Laien jedoch nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auwahlverschulden zur Last fällt, kann der Geschädigte vom Schädiger den Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung hiervon verlangen. Der Streit zwischen Sachverständigem und Schädiger bzw. dessen Pflichtversicherer darf nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen werden (siehe hierzu OLG Naumburg Urt. v. 20.1.2006 – 4 U 49/05 -).
Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 II, 286, 288, 247 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO. Der Streitwert ergibt sich aus §§ 3 ff. ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO liegen nicht vor. Weder ist die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung , noch erfordern die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.
Rechtsbehelfsbelehrung:
(es folgt nun die übliche Rechtsbehelfsbelehrung)
Soweit also das relativ kurze und knappe, aber präzise Urteil des AG Aschaffenburg. Und jetzt bitte Eure Kommentare.
Hallo, Willi Wacker,
folgendes Zitat aus den Entscheidungsgründen dient der immer wieder erforderlichen Klarstellung, die leider nicht für alle Urteile selbstverständlich ist:
„Soweit die Bekagten daher die Angemessenheit der hierfür angefallenen Kosten bestreiten, konnten sie damit „im Verhältnis zu der hier Geschädigten“ nicht durchdringen.“
Da die entscheidungserhebliche ex ante Position des Geschädigten bei Infragestellungen regelmäßig nicht angesprochen und berücksichtigt wird, war auch in diesem Urteil folgender Hinweis geboten:
„So lange für ihn allein als Laien jedoch nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auwahlverschulden zur Last fällt, kann der Geschädigte vom Schädiger den Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung hiervon verlangen.“
Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass seriöse Kfz.-Sachverständige ihr Honorar geradezu willkürlich festsetzen, denn dagegen sprechen regelmäßig die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die schriftlich gefaßten Abrechnungsmodalitäten und ein „Auswahlverschulden“ dürfte auch wohl nicht in der Erörterung stehen.
Im beurteilungsrelevanten Zusammenhang geht es m.E. vielmehr darum, unsubstantiierte und geradezu unsinnige Unterstellungen bezüglich einer angeblichen Überhöhung von vornherein deutlich zurückzuweisen, denn sie dienen einzig und allein dem verfolgten Zweck, Gerichte unter werkvertraglichen Gesichtspunkten zu einer „Überprüfung zu veranlassen in der Hoffnung, mit Hilfe der Gerichte eine Art „Gebührenordnung installieren zu können. Das erkennen inzwischen immer mehr Gerichte und weisen die hierzu vorgetragenen „Begründung“ als nicht entscheidungserheblich zurück.
Wohl mehr unbewußt liefern sie damit einen wichtigen Beitrag zur Wahrung der Unabhängigkeit der betroffenen Sachverständigen.
Da waren schon im Jahr 2004 folgende Entscheidungsgründe ihrer Zeit weit voraus:
„Für Die Berechnung des Honorars eines Gutachters gibt es keine allgemein gültigen Vorgaben und keine Gebührenordnung. Damit mag sich die beklagte Versicherung nun endlich abfinden. Sie mag auch zur Kenntnis nehmen, dass das Amtsgericht in ständiger Rechtsprechung keinen Anhaltspunkt dafür sieht, die Rechnung des Sachverständigen zu beanstanden oder zu kürzen. Die Argumente werden von der Beklagten zwar ständig wiederholt, wirken dadurch aber nicht überzeugender.
Die Beklagte als eine Haftpflichtversicherung hat scheinbar ausreichend Geld, um die Versicherungsprämien für aussichtslose Prozesse zu verwenden. Wenn die Beklagte meint, dass es klare Vorgaben und Vorschriften für die Ermittlung der Vergütung von Sachverständigen gebe müsse, so mag sie damit den Gesetzgeber und nicht die Gerichte beschäftigen. Die Gerichte habe im Rahmen der geltenden Gesetze zu urteilen.“
Dazu paßt aber auch aus diesem Urteil abrundend noch folgender Hinweis:
„Der Streit zwischen Sachverständigem und Schädiger bzw. dessen Pflichtversicherer darf nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen werden (siehe hierzu OLG Naumburg Urt. v. 20.1.2006 – 4 U 49/05 -).“
Es muß wohl immer wieder erinnert werden, was als entscheidungserheblich übergangen wird, um im Sturm das Schiff richtig auf Kurs zu halten. In diesem Sinne: „Ahoi“
Jan Feddersen
Moin, moin, Jan Feddersen,
nach meinem Dafürhalten hast du das Urteil richtig analysiert.
Gruß von der Waterkant