Amtsrichterin des AG München mit erschreckend falscher Begründung zur Bagatellschadensgrenze und zu den Sachverständigenkosten mit Urteil vom AG München vom 4.4.2014 – 331 C 34366/13 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

nachfolgend geben wir Euch hier ein Negativurteil der Amtsrichterin K. vom Amtsgericht München zu den  Sachverständigenkosten bei einem „geringfügigen Schaden“ bekannt. Dieser Schaden liegt nach dem eingeholten Gutachten bei 839,91 € netto zzgl. Wertminderung – und damit eindeutig über dem vom BGH anerkannten Bagatellschadensbetrag von 715,– €. Wie die erkennende Amtsrichterin der 331. Zivilabteilung des AG München die einschlägige Rechtsprechung des BGH außer Acht lassen konnte, grenzt an absolutes Unverständnis. Dieses Münchner „Schrotturteil“ dient den Versicherern bereits in gekürzter Form als Nachweis, dass die sog. Bagatellschadensgrenze über 840,– € anzusiedeln sei. Diese Meinung aus dem Münchner Urteil muss als absolute Mindermeinung bezeichnet werden. Das aus gutem Grund, denn von den Versicherern wird das Urteil nur auszugsweise zitiert. Der wahre Müll dieses Urteils wird hingegen zielgerichtet ausgeblendet. So bezieht sich z.B. die Richterin zum Thema Bagatellschaden auf ein „Schrotturteil“ des LG München aus dem Jahr 2001, obwohl es jede Menge andere positive sowie aktuelle Entscheidungen des LG München zu den Sachverständigenkosten bei „geringfügigen Schäden“ gibt ebenso wie das BGH-Urteil VI ZR 365/03 (nach dem zitierten LG-Urteil). So ist insbesondere auf das Grundsatz-Urteil des BGH zum Bagatellschaden (BGH in DS 2008, 104, 106 mit Hinweis auf BGH WM 1982, 511; BGH WM 1987, 137 unter II b) zu verweisen. Als Bagatellschaden hat der BGH bei Personenkraftwagen nur ganz geringfügige, äußere Lackschäden anerkannt, nicht aber andere Blechschäden, auch wenn sie keine weitergehenden Folgen hatten und der Reparaturaufwand nur gering war (BGH DS 2008, 104, 106).  Dass die anderen Abteilungen beim AG München korrekt entscheiden, haben wir hier im Blog ja schon hinreichend bewiesen.  Auch zum Thema Wertminderung ohne Gutachten kann man nur mit dem Kopf schütteln. Lest bitte selbst diese Fehlentscheidung aus München und gebt hoffentlich vielzählig Eure Kommentare ab. Ich habe nur Unverständnis.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht München

Az.: 331 C 34366/13

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

– Beklagte –

wegen Forderung

erlässt das Amtsgericht München durch die Richterin am Amtsgericht K. am 04.04.2014 auf Grund des Sachstands vom 28.03.2014 ohne mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO folgendes

Endurteil

1.        Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 155,30 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.12.2013 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.        Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Schuldner kann die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4.        Der Streitwert wird auf 1.095,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche der Klägerin aus einem Verkehrsunfall vom xx.11.2013 in Bad Tölz.

Unfallbeteiligt war das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … , zum Unfallzeitpunkt von der Klägerin gefahren. Die klägerische Partei ist Finanzierungsnehmer und Besitzer des Fahrzeugs, Eigentümer des Fahrzeuges ist die Firma … .

Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer des weiterhin am Unfall beteiligten Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen … .

Die Haftung der Beklagtenseite dem Grunde nach ist unstreitig. Die von der Klägerin geltend gemachten Schadenspositionen sind bereits vorgerichtlich zum überwiegenden Teil reguliert worden, u.a. hat die Beklagte die Reparaturkosten in Höhe von 839,91 € vollständig erstattet.

Streitig sind nun noch die Kosten für das von der Klägerin in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten sowie die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Die Klägerin beantragt:

Die beklagte Partei wird verurteilt, 940,04 € sowie 334,75 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten jeweils nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 03.12.2013 an die klägerische Partei zu zahlen.

Die Beklagte beantragt: Klageabweisung.

Die Beklagtenseite trägt vor, die Einholung eines Sachverständigengutachten wäre wegen des vorliegenden Bagatellschadens nicht erforderlich gewesen.

Beide Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist zum überwiegenden Teil nicht begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagtenseite einen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 155,30 €, im Übrigen war die Klage als unbegründet abzuweisen.

Sachverständigenkosten

Die Sachverständigenkosten in Höhe von EUR 940,04 sind im vorliegenden Fall nicht erstattungsfähig.

Grundsätzlich ist es zwar nicht zu beanstanden, wenn der Geschädigte nach einem Kfz-Unfall einen Sachverständigen hinzuzieht. Die hierdurch entstehenden Kosten sind in der Regel erstattungsfähig. Dies gilt jedoch nicht bei bloßen Bagatellschäden.

Der BGH hat hierzu ausgeführt (Urteil vom 30.11.2004, VI ZR 365/03): Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist []. Ebenso können diese Kosten zu dem nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist [].

Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen []. Demnach kommt es darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte []. Für die Frage, ob der Schädiger die Kosten eines Gutachtens zu ersetzen hat, ist entgegen der Auffassung der Revision nicht allein darauf abzustellen, ob die durch die Begutachtung ermittelte Schadenshöhe einen bestimmten Betrag überschreitet oder in einem bestimmten Verhältnis zu den Sachverständigenkosten steht, denn zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachters ist dem Geschädigten diese Höhe gerade nicht bekannt. Allerdings kann der später ermittelte Schadensumfang im Rahmen tatrichterlicher Würdigung nach § 287 ZPO oft ein Gesichtspunkt für die Beurteilung sein, ob eine Begutachtung tatsächlich erforderlich war oder ob nicht möglicherweise andere, kostengünstigere Schätzungen – wie beispielsweise ein Kostenvoranschlag eines Reparaturbetriebs – ausgereicht hätten [].

Diese Ausführungen sind nach wie vor zutreffend, insbesondere auch die Feststellung, dass das Gericht im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO der festgestellten Schadenshöhe wesentliche Bedeutung beimessen darf bei der (nachträglichen) Beurteilung der Frage, ob der Geschädigte die Einholung eines Gutachten für erforderlich halten durfte oder nicht.

Das Landgericht München I hat bereits früher festgestellt (Urteil vom 20.09.2001, 19 S 10340/01, Orientierungssatz): Schadensgutachten dürfen nicht routinemäßig und ohne wirkliche Notwendigkeit eingeholt werden, sondern nur, wenn aus der Sicht des Geschädigten auch bei Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die zu erwartenden Reparaturkosten ein vernünftiger Grund hierfür besteht. Die in der Praxis vielfach angewandte Bagatellgrenze von 1.000 DM ist angesichts des heutigen Reparaturkostenniveaus viel zu niedrig. Im Bereich der Reparaturkosten von 2.500 DM bis 3.000 DM hat der Geschädigte besondere Gründe darzulegen, weshalb er die Einholung eines Sachverständigengutachtens (anstatt einer einfachen Kostenkalkulation oder eines Kostenvoranschlags) für erforderlich halten durfte.

Das erkennende Gericht hält jedoch unter Berücksichtigung der früheren Rechtsprechung und der Einbeziehung der seitdem vergangenen Zeit jedenfalls bei einer Schadenshöhe von EUR 839,91 (hier: Netto-Reparaturkosten) den Bereich noch nicht für erreicht, in dem der Geschädigte ein Sachverständigengutachten für erforderlich halten durfte. Eine Wertminderung hätte auch ohne ein ausführliches Schadensgutachten festgestellt werden können. Auch aus den sonstigen Umständen des Einzelfalles, insbesondere der Art der Beschädigung, ergibt sich kein Grund, warum im vorliegenden Fall trotz Unterschreitens der Bagatellschadensgrenze die Beauftragung eines Sachverständigen erforderlich gewesen wäre. Es handelt sich ausweislich der Lichtbilder (Bl. 14 ff des Gutachtens) um einen kleinen Blechschaden, technische Teile sowie tragende Karosserieteile waren nicht betroffen. Vielmehr wäre vorliegend die Einholung eines Kostenvoranschlages ausreichend gewesen, für den regelmäßig entweder keine oder deutlich geringere Kosten anfallen. Die Kosten für das Sachverständigengutachten sind daher vorliegend nicht erstattungsfähig.

Vorgerichtliche Anwaltskosten

Hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist auf die berechtigte Schadensersatzforderung in Höhe von 1.122,91 € abzustellen. Hieraus kann die Klägerseite eine Gebühr in Höhe von 1,3 zuzüglich einer Auslagenpauschale von 20 € und Mehrwertsteuer verlangen, insgesamt also 155,30 €.

Auf die Frage, ob die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bezahlt wurden oder nicht, kommt es hier nicht an, da ein etwaiger Befreiungsanspruch gemäß § 250 Satz 2 BGB in einen Geldanspruch übergegangen ist. Diese Vorschrift eröffnet dem Geschädigten die Möglichkeit, zu einem Anspruch auf Geldersatz zu gelangen, wenn er dem Ersatzpflichtigen erfolglos eine Frist zur Herstellung, das heißt hier Haftungsfreistellung, mit Ablehnungsandrohung setzt. Dem steht es nach ständiger Rechtsprechung des BGH gleich, wenn der Schuldner die geforderte Herstellung oder überhaupt jeden Schadensersatz ernsthaft und endgültig verweigert. Dann wandelt sich der Freistellungs- in einen Zahlungsanspruch um, wenn der Geschädigte Geldersatz fordert BGH, Urteil vom 13. 1. 2004, XI ZR 355/02). So liegt der Fall hier.

Verzugszinsen

Verzug seit dem 03.12.2013 ist seitens der Beklagtenseite nicht bestritten worden; der Klägerin stehen daher seit diesem Zeitpunkt Verzugszinsen zu, § 286 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Zinshöhe ergibt sich aus § 288 BGB.

Kosten, vorläufige Vollstreckbarkeit und Streitwert

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91, 92 Abs. 2 Nr.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

Der Streitwert ergibt sich aus der Klageforderung ohne die Nebenforderungen. Soweit die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht auf die Hauptforderung entfallen, stellen sie keine Nebenforderung dar und erhöhen den Streitwert.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht München I
Prielmayerstraße 7
80335 München

einzulegen.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.

Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.

Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem

Amtsgericht München
Pacellistraße 5
80333 München

einzulegen.

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

K.
Richterin am Amtsgericht

Verkündet am 04.04.2014

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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16 Antworten zu Amtsrichterin des AG München mit erschreckend falscher Begründung zur Bagatellschadensgrenze und zu den Sachverständigenkosten mit Urteil vom AG München vom 4.4.2014 – 331 C 34366/13 -.

  1. hukisliebling sagt:

    erschreckend falsch ist nicht nur das Urteil der Münchner Richterin.
    Erschreckend ist auch das von einem „Kollegen“ in Rechnung gestellte Honorar:
    Honorar EUR 940,04 !!!! bei einer Schadenhöhe in Höhe von EUR 839,91.
    Ich glaube, das war auch der Richterin zuviel, deshalb auch das Urteil, wie ausgeführt.
    An Stelle der grottenfalschen Urteilsbegründung hätte die Richterin die Klage auch wegen Wucher zurückweisen können.
    Dieser „Kollege“ tut mit einem derart überhöhtem Honorar unserem Berufsstand mit Sicherheit keinen Gefallen.
    Verärgerte Grüße aus München

  2. Karle sagt:

    Ich denke, das exorbitant hohe Honorar im Verhältnis zur geringen Schadenshöhe war kein Zufall. AG München, Allianz Vers? Das ganze stinkt doch zum Himmel nach konstruiert. Sachverständigenkosten in Höhe von 940 Euro für die Schadensfestellung einer beschädigten Tür an einem Opel Corsa 2011? Welcher „normale Mensch“ zieht mit so einer Sache vor Gericht? Da kann man nur eine Schlappe einfahren. Und sei es nur, dass das Gericht die Klage auf Grundlage von § 287 ZPO abweist, da das SV-Honorar für den Laien erkennbar überhöht ist. Das Urteil in Richtung Bagatellschaden war doch so gewollt. Die Richterin saß wohl auch mit im Boot? Warum sonst wurde die gesamte BGH- und andere einschlägige Rechtsprechung zum Bagatellschaden komplett ausgeblendet und auf irgend einen faulen „alten Schinken“ des LG München – ohne jeglichen Bestand – abgestellt? Welcher Richter kennt nicht die BGH-Rechtsprechung zum Bagatellschaden? Welcher Anwalt zitiert heutzutage nicht die entsprechende BGH-Rechtsprechung? Welcher Anwalt lässt sich dann dieses Urteil gefallen und macht nicht weiter (Berufung, Gehörsrüge, Verfassungsbeschwerde oder sonstiges Tam Tam)?

    Im Übrigen hat sich nicht einmal die Richerin getraut, die Bagatellschadensgrenze über 1.000 Euro zu postulieren. Schon gar nicht in Bereiche à la Oldie LG München, so wie es die Versicherungswirtschaft gerne hätte. Damit hätte sie sich nämlich das komplette Urteil „versaut“ und vollständig der Lächerlichkeit preisgegeben.

    Die Allianz Versicherung hausiert schon lange vor diesem Urteil mit dem sog. „Einfachschaden“ und versucht seit Jahren erfolglos die Bagatellschadensgrenze hochzuschrauben. Was liegt also näher, als dass man sich vor Ort irgend ein Urteil „kauft“? Kennen wir doch zur Genüge aus anderen Themenbereichen. Und wenn es tatsächlich nicht die Allianz gewesen sein sollte, dann eben ein anderer Versicherer aus dem „Pool“ derer, denen die freien und unabhängigen Kfz-Sachverständigen ein Dorn im Auge sind.

    Aus München gibt es massenhaft korrekte AG- u. LG-Urteile, die in der Hauptsache durch Captain HUK öffentlich wurden/werden und ansonsten mäßige Verbreitung erfahren. Wenn man aber sieht, mit welcher Geschwindigkeit gerade dieses Schrotturteil nun überall verbreitet wird, dann weiß man, woher der Wind weht. Insbesondere wenn man berücksichtigt, welche Passagen aus dem Urteil zitiert werden. Hätte man nämlich das komplette Urteil veröffentlicht – wie z.B. bei Captain HUK – dann hätte die Fachwelt dieses Urteil sofort in den Papierkorb der Geschichte entsorgt. Genau so wie das LG-Urteil aus dem jahr 2001, das erstaunlicherweise auch aus München gekommen ist. Wer hätte das gedacht? „Leider“ wurde der „geniale Plan“ damals, kurz darauf, durch den BGH zerschlagen VI ZR 365/03.
    Spätestens bei der schrägen Argumentation zur Wertminderung in dem o.a. Urteil muss doch jedem sofort der Fäulnisgeruch in die Nase steigen?

    Dieses aktuelle AG-Urteil stellt sich nicht nur gegen alles, was bisher zum Bagatellschaden entschieden wurde, sondern auch gegen die gesamte Rechtsprechung der Münchner Gerichte (bis auf das Mülleimer-Pamphlet aus 2001).

    Das ganze erinnert stark an das „Bielefelder Modell“ bei den Mietwagen, mit dem die Schwacke-Mauer eingerissen wurde und es seither jede Menge Rechtsprechung gibt gegen § 249 BGB.

    Nicht einmal die Berufung wurde hier expliziz zugelassen, obwohl das Urteil eklatant von der überwiegenden Rechtsprechung (auch oder insbesondere von der örtlichen) abweicht.

    Für Geld da kann man vieles kaufen, nicht nur Leute, die dem Ball nachlaufen. Gutachter gehören übrigens auch dazu.

  3. Graf Zahl sagt:

    Das kann doch nicht stimmen mit den 940,04?! Kaum vorstellbar?!
    Wenn ja, dann hätte doch spätestens der RA den SV darauf hinweisen sollen, dass die Rechnung doch „etwas“ überhöht ist.

    Zu dem Urteil kann ich nur den Kopf schütteln. Das gibt wieder Wasser auf die Versicherungs-Mühlen!

    Verregnete Grüße aus Thüringen!

  4. Werner H. sagt:

    Erschreckend ist aber, dass die Versicherer sich dieses Schrotturteil wieder zunutze machen. Dieses Urteil kann daher nur überall verrissen werden.

  5. DerHukflüsterer sagt:

    Hier hätte die Versicherung eine Super Möglichkeit gehabt, das SV Honorar an den Geschädigten auszuzahlen, es mit einer Freistellungserklärung zurück zu fordern. Zudem sollte der entsprechende wucherisch tätige Kollege angezeigt werden.
    Ein Hinweis darauf wer das verbrochen hat, wäre sehr hilfreich für jene Kollegen, die wegen solcher Scharlatane ins schlechte Licht rücken.
    Eine Anzeige wegen offensichtlicher Wucherei hätte mit Sicherheit einen Erfolg, nebst der Gewissheit dass solche Honorarrechnungen von 99,9999% aller SV nicht gebilligt werden.

  6. Hasenfuß sagt:

    Man kann vermuten, dass der betroffene „Kollege“ aus München mit ihm Boot saß. Müßte doch zu recherchieren sein, ob er auch ansonsten so abenteuerlich abrechnet. Wenn das nicht der Fall ist, wäre dass dann Beihilfe zum Prozeßbetrug ? Und was ist mit dem Prozeßbevollmächtigten der „Unfallopfers“ ?
    M.E. ein so ins Auge stechender Vorgang, welcher auch der Richterin hätte auffallen müssen. Alles zusammen doch sehr sehr merkwürdig. M.E. ein Turbofall für die Staatsanwaltschaft.-

    Hasenfuß

  7. zeckenzange sagt:

    Das ganze wirkt tatsächlich konstruiert. Bei einer derartigen „Honorargestaltung“ hätte nach BGH-Rechtsprechung, die Honorarforderung wegen einer für den Laien erkennbaren Überhöhung, die im krassen Missverhältnis zur erbrachten Leistung steht, zurückgewiesen werden können.
    Das Zuckerl für die Versicherung obendrauf, dass bei einem Blechschaden mit entstandener Wertminderung kein Gutachten erstellt werden darf, ist natürlich grottenfalsch.
    Die Richterin hatte offenbar nicht den Schneid, die Wertminderung anzugreifen. Sie bleibt aber die Aussage schuldig, wie die Wertminderung ausserhalb eines unabhängigen Gutachtens korrekt ermittelt werden soll.
    Etwa von der Schädigerversicherung selber?
    Gegen dieses grundsätzliche Beschneiden des Rechtes auf ein Gutachten, sollte Berufung eingelegt werden. Ich denke dass das Münchner Landgericht, die unberechtigte Honorarforderung des „Gutachters“ vom Recht des Geschädigten auf ein unabhängiges Gutachten trennen kann.
    Nur fürchte ich, dass bei einem konstruierten Fall die Klägerin einknicken wird. Vermutlich nicht zu ihrem Nachteil

  8. Knurrhahn sagt:

    Hallo, Willi Wacker,
    so was von naiv, dennoch nicht ganz ungeschickt zusammengefügt!- Schriftliches Verfahren (?). Was hat denn der Kläger überhaupt vortragen lassen? Innerhalb der Scene müßte doch herauszufinden sein, um wen es sich bei der Klägerin und bei ihrem Anwalt handelt,insbesondere aber auch, was den „Sachverständigen“ betrifft.Und dann noch Minderwertermittlung ohne Gutachten.Ja, wie geht das denn ? Das Ganze ist dermaßen blöd angelegt, dass selbst ein Blinder mit dem Krückstock fühlen kann, woher hier der Wind weht. Wahrscheinlich im Zusammenwirken eine srafbare Handlung. Anzeige sollte erfolgen.-
    Hier geht es nun wirklich darum, der Sache auf den Grumd zu gehen.Hoffentlich wird das auch beherzigt.-

    Knurrhahn

  9. G.v.H. sagt:

    Lieber W.W.,
    hat unsere Justiz das zu erwartende Augenmaß verloren ?
    „Im Namen des Volkes“ und „Beschlossen und verkündet“ wurden zu Theaterformeln degradiert, weil sie anmaßend Respekterheischendes
    zu verkünden beabsichtigen und Glauben machen sollen, ihre Verwender seien höherwertig legitimiert. Wir in der Sprache der Justiz so entlarvend, die Rechtsunterworfenen genannt, sollen glauben, die Formelspruchverwender agierten auf einem höheren, besseren Niveau. Das vorliegende Urteil des AG München zeigt aber genau das Gegenteil. Was sich dahinter an Mittelmaß, Unzulänglichkeit bis zur schlichter rechtlicher Unkenntnis und Arroganz verbirgt, wird mit diesem Urteil beispielhaft vorgeführt. Man muss wohl befürchten, dass über die Richter hinaus unser ganzes Rechtssystem kurz vor seinem Kollaps steht. Die Justiz hat grötenteils ihre Fähigkeit verloren, gerechte und in einer vertretbaren Zeitspanne getroffenen Entscheidungen zu fällen. Mit dem Rechtskillerinstrument der “ freien richterlichen Beweiswürdigung“ werden Prozesse von den Richtern so zugeschnitten, dass gewünschte Resultate gerechte Entscheidungen verjagen und auch deshalb ist unser Staat zum bloßen Rechtsmittelstaat verkommen.

    Quelle: „Die Lüge Recht“. MOBY-Verlag, Berlin

    G.v.H.

  10. Rüdiger sagt:

    LG München aus 2001 ist durch die folgenden BGH-Urteile zum Bagatellschaden zwar Geschichte.
    Aber selbst wenn.
    Das was bei den Zitaten aus dem alten LG-Urteil in den aktuellen Urteilskram passt, wird dann einfach unterstrichen, damit der Rest etwas untergeht.

    Die Folgepassage schwächt das Unterstrichene jedoch ab:

    „Im Bereich der Reparaturkosten von 2.500 DM bis 3.000 DM hat der Geschädigte besondere Gründe darzulegen, weshalb er die Einholung eines Sachverständigengutachtens (anstatt einer einfachen Kostenkalkulation oder eines Kostenvoranschlags) für erforderlich halten durfte.“

    Wurde seitens der Amtsrichterin prozessual auf die Darlegung der Gründe durch den Geschädigten hingewiesen, sofern sie ein Fehlurteil als Grundlage ihrer Entscheidung heranzieht, das schon lange keinen Bestand mehr hat? Ich wette, sie hat nicht.

  11. So-so sagt:

    Es kommt aber noch besser.

    Die Pressesprecherin des Amtsgerichts war von der Entscheidung wohl so richtig begeistert, dass zu diesem glorreichen Pamphlet doch tatsächlich am 11.08.2014 eine 2-seitige Presseinfo herausgegeben wurde (damit sich der Müll im Internet auch wirklich schnell verbreitet?). Dass das Urteil auf einer überholten Entscheidung des LG München aus 2001 basiert, wird in der Pressemitteilung natürlich nicht erwähnt.

    http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/amtsgerichte/muenchen/pressemitteilungen/2014/pm34___140811.pdf

    Umfangreiche Presseinfos des Amtsgerichts für grottenfalsche AG-Urteile zu Gunsten der Versicherer?

    So, so? ja, ja!

  12. M. Brand sagt:

    Noch erschreckender als das wirklich mehr als horrende SV-Honorar sowie die sicherlich neben der sonstigen Linie am AG München liegende Urteilsbegründung ist aber doch die Tatsache, dass hier offenkundig KEINE Berufung eingelegt wurde!
    Selbst in Anbetracht des überzogenen Honrars wäre m.E. bei hinreichend sinnvoller Argumentation zum Schadenbild selbst das Thema Bagatellschaden nicht entscheidungserheblich geworden. Handwerklich also nicht nur vom Gericht, sondern VOR ALLEM von SV und Kläger mehr als schlecht gemacht.
    Insofern wäre auch ich hoch interessiert daran, zu erfahren, wer hier den sauber arbeitenden SV und RAs einen solchen Bärendienst erwiesen hat…..

  13. Iven Hanske sagt:

    Die Pressemitteilung hat den Vorteil, dass nun jeder Anzeige wegen dem Verdacht des Prozessbetruges bei der zuständigen Staatsanwaltschaft erstatten kann. Vielleicht ist das, da die Richterin nicht blöd ist, auch so gewollt. Also nicht nur meckern sondern handeln! Ich hoffe das dann die Geschädigte einknickt und die Versicherung und der mitspielende Gutachter verurteilt werden.

  14. virus sagt:

    Das manipulierte Recht findet mit dem Wikipedia-Eintrag seinen Höhepunkt:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Verkehrszivilrecht

    Für die Geltendmachung aller Schadenspositionen benötigt der Anwalt, wenn bereits vorhanden, die folgenden Unterlagen:

    Sachverständigengutachten oder Kostenvoranschlag. Die Kosten für ein Sachverständigengutachten sind bei Bagatellschäden, so z.B. bei 840 Euro, nicht erstattungsfähig[4] Hier empfiehlt es sich mit der Haftpflichtversicherung abzustimmen, ob ihnen ein Kostenvoranschlag genügt oder ob sie die Kosten für das Gutachten übernehmen.

    Meine Frage daher, wer ist bei Wikipedia angemeldet und ersetzt den AG-Müll durch das BGH-Urteil VI ZR 365/03?

  15. Hirnbeiss sagt:

    @

    Strafgesetzbuch

    Besonderer Teil (§§ 80 – 358)

    25. Abschnitt – Strafbarer Eigennutz (§§ 284 – 297)
    § 291
    Wucher
    (1) Wer die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche eines anderen dadurch ausbeutet, daß er sich oder einem Dritten
    1. für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen,
    2. für die Gewährung eines Kredits,
    3. für eine sonstige Leistung oder
    4. für die Vermittlung einer der vorbezeichneten Leistungen
    Vermögensvorteile versprechen oder gewähren läßt, die in einem auffälligen Mißverhältnis zu der Leistung oder deren Vermittlung stehen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wirken mehrere Personen als Leistende, Vermittler oder in anderer Weise mit und ergibt sich dadurch ein auffälliges Mißverhältnis zwischen sämtlichen Vermögensvorteilen und sämtlichen Gegenleistungen, so gilt Satz 1 für jeden, der die Zwangslage oder sonstige Schwäche des anderen für sich oder einen Dritten zur Erzielung eines übermäßigen Vermögensvorteils ausnutzt.
    (2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
    1. durch die Tat den anderen in wirtschaftliche Not bringt,
    2. die Tat gewerbsmäßig begeht,
    3. sich durch Wechsel wucherische Vermögensvorteile versprechen läßt.

    Hallo Juristen,
    kann jeder hier eine Strafanzeige machen. Hier werden auch einige 1000 SV geschädigt, welche ordentlich u. qualifiziert arbeiten. Hier werden Geschädigte benachteiligt.
    Ich weiß, dass dieses Urteil, nicht wegen der wucherischen SV-Kosten ergangen ist.
    Aber es wurde bekannt, dass hier ein SV wucherisch tätig ist und damit die ganze Branche schädigt.
    Kann man diesen Volksschädling anzeigen und wie hoch ist der Erfolg einer Verurteilung einzuschätzen?
    Sollte dieser Prozess so konstruiert sein, könnte sich nach der Strafanzeige gegen unbekannt schlagartig bei dem SV etwas ändern.

  16. SV Muhlmann sagt:

    Also das Urteil ist in der Tat komisch. Komisch auch die Pressemitteilung; Urteile des AG interessieren sonst echt keinen, und dann schreibt man auch keine PM darüber. Auch sonst fällt auf, dass das Urteil – obwohl ja nur vom AG – schnell verbreitet wurde und mit dem verkürzten Inhalt „Schäden unter 840 € sind Bagatellschäden“ verkauft wird.
    Das eigentlich komische am SV, nämlich dieses abartige SV-„Honorar“, wird dort nie erwähnt. Aber dass das Gutachten teurer ist als der eigentliche Schaden, das wäre mal eine Neuigkeit gewesen.

    Allerdings halte ich Verschwörungstheorien jetzt auch für übetrieben. Die Richterin wollte ein solches Urteil und hat gewartet. Dafür spricht auch, dass hier tatsächlich ein Fall vorlag, bei dem man mit dem BGH sagen kann, dass die Überhöhtheit der Vergütung auch für einen Laien erkennbar war. Hier hat die Richterin mit anderer Begründung entschieden.

    Die Richterin hat sicher bewusst so entschieden, weil sie diese Rechtsauffassung hat. Aber irgendwie jetzt zu erzählen, es sei alles gefaked, alle steckten unter einer Decke und der Unfall war wahrscheinlich auch absichtlich manipuliert worden, um dieses Urteil zu erreichen, ist dann doch übertrieben und führt auch nicht weiter.

    Wenn die Richterin auf einen Teil der SV-Kosten erkannt hätte, wäre wohl das Rechtsmittel entfallen. Und die Klägerin wird wohl erkannt haben, dass sie mit diesen überhöhten Kosten auch in der Berufungsinstanz zumindest zum großen Teil unterliegt. Das war für sie dann wohl nicht wirtschaftlich genug. Wahrscheinlich hat sie sich mit dem SV geeinigt und lässt es jetzt gut sein.

    PS:
    Zugegeben, es ist blöd: Zumindest teilweise war die Klage abzuweisen, aber die Begründung wird jetzt von allen Versicherern bei jeder Gelegenheit aus dem Hut gezaubert. Allerdings bleibt es immer noch bei der BGH-Entscheidung; und auch weiterhin gilt: Im Regelfall kann der Geschädigte die Schadenshöhe nicht abschätzen VOR der Beauftragung eines SV. Dies wird nicht durch ein AG gekippt!

    Fernab davon bleibt es auch bei dem, was manche SV hier wiederholt erklären: Niedrigere Grundhonorare, aber dafür 3,50 € pro Seite Druckkosten, 80 € Büropauschale, 50 € Stadtfahrtpauschale usw.usf. tragen nicht gerade dazu bei, Rechtsfrieden zu erzielen. An den Mietwagen- und jetzt den Abschleppkosten-Entscheidungen waren jetzt nicht nur die Gerichte, die Versicherer und die Abgeschleppten schuld; dazu gehörten dann doch zwei Parteien.

    @ M. Brandt:
    Ja, die Klägerin war wohl schlecht vertreten, und der Anwalt hat augenscheinlich irgendwo einen Fehler gemacht. Aber darin muss nicht – wie andere vermuten – eine Verschwörung liegen. Es gibt eben schlechte Anwälte, und es gibt auch Anwälte, die selten, manchmal, oft oder auch immer schlecht arbeiten. Nichts neues.

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