Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
und schon geht unsere Entscheidungsreise weiter nach Hannover. Die dortige Berufungskammer des LG Hannover hat in dem Berufungsrechtsstreit, bei dem die HUK-Coburg gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung durch ihre Prozessbevollmächtigten eingelegt hat, die Berufungsklägerin darauf hingewiesen, dass die Kammer die (aussichtslose) Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückweisen will. Die Gründe, die zu diesem Hinweisbeschluss geführt haben, sind beachtlich und einer Veröffentlichung wert. Der Hinweisbeschluss wurde dem Autor durch Herrn Rechtsanwalt Lutz Imhof, Aschaffenburg, zur Veröffentlichung in diesem Blog übersandt. Lest den Hinweisbeschluss selbst und gebt bitte vielzählig Eure Meinungen ab.
Mir freundlichen Grüßen
Willi Wacker
Landgericht Hannover
Geschäfts-Nr.:
4 S 14/12
464 C 13616/11 Amtsgericht Hannover
Beschluss
In dem Rechtsstreit
HUK-Coburg Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse gegen …
I.
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
1.
Die Berufung hat nach übereinstimmender Überzeugung der Kammer offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Denn das Amtsgericht hat der Klage zu Recht vollumfänglich stattgegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts Bezug genommen und nur ergänzend im Hinblick auf das Berufungsvorbringen Folgendes ausgeführt:
a)
Zutreffend hat das Amtsgericht darauf hingweisen, dass die Beklagten dem Kläger vollständigen Ersatz für die enststandenen Reparaturkosten in Höhe von netto 4.633,35 € zu leisten haben. Ein Abzug von 20 % für den Unternehmergewinn – so wie von der Beklagten vertreten – ist nicht vorzunehmen. Der Bundesgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass ein Geschädigter, der die Reparatur seines beschädigten Fahrzeugs selbst durchführt, den Geldbetrag erstattet verlangen kann, den er für die notwendige Reparatur in einer Kraftfahrzeugwerkstatt aufbringen müsste. Dabei darf der Geschädigte, der selbst gewerbsmäßig mit der Instandsetzung von Kraftfahrzeugen befasst ist und eine eigene Kraftfahrzeugwerkstatt betreibt, nicht schlechter gestellt werden, als ein Geschädigter, der diese Möglichkeit nicht hat. Etwas Anderes gilt nur für den Fall, dass der Geschädigte, der eine Kraftfahrzeugwerkstatt betreibt, infolge einer besonderen Beschädigungslage in der fraglichen Zeit, in der die Reparatur durchgeführt wird, nicht in der Lage gewesen ist, die Instandsetzungskapazität seines Betriebes anderweit und bestimmungsgemäß gewinnbringend einzusetzen (vgl. BGH, Urteil vorn 26.05.1970, VI ZR 188/68). Zutreffend hat das Amtsgericht darauf verwiesen, dass es demnach den Beklagten obliegt vorzutragen, dass nach der Marktlage im fraglichen Zeitpunkt Anhaltspunkte dafür bestanden, dass der Geschädigte seine Werkstatt in der betreffenden Zeit mit Kundenaufträgen nicht hätte auslasten können. Hierzu ist seitens der Beklagten nichts vorgebracht worden. Die Berufung geht fehl, soweit sie meint, dass das Amtsgericht hinsichtlich seiner Einschätzung der Verteilung der Darlegungslast einen Hinweis hätte erteilen müssen, woraus für die Beklagtenseite klar gewesen wäre, dass die von dort vertretene Rechtsansicht fehlerhaft sei. Die in § 139 ZPO normierte Aufklärungspflicht des Gerichtes umfasst alle erheblichen Tatsachen. Diese waren hinreichend vorgetragen. Dass sich zu der Frage des Einbehalts von 20 % Unternehmergewinn verschiedene Rechtsauffassungen der Parteivertreter darstellten, war bereits anhand der Klageschrift zu erkennen, in der der Klägervertreter auf das hier zitierte Urteil des Bundesgerichtshofes vom 26.05.1970 hingewiesen hatte. Die hieraus abzuleitende Rechtsauffassung des Gerichtes war mithin für die Beklagtenseite erkennbar. Es hätte ihr damit selbst oblegen, die aus ihrer Sicht hierfür relevanten Umstände darzulegen. Ein Anspruch auf zwischenzeitliche Mitteilung der Rechtsauffassung des Gerichtes wird von der Norm des § 139 ZPO nicht umfasst. Insofern lag ein Verstoß gegen die richterliche Hinweispflicht nicht vor.
b)
Zutreffend hat das Amtsgericht dem Kläger auch Ersatz für die weiteren Gutachterkosten zugesprochen. Nicht zu beanstanden ist, dass sich das vom Sachverständigen in seiner Rechnung berechnete Honorar in Höhe von insgesamt 741,55 € an der Schadenshöhe orientiert und nicht nach einem Stundensatz bemessen ist. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind Sachverständigenkosten vom Schädiger gem. § 249 Abs, 2 S.1 BGB zu ersetzen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen erforderlich und zweckmäßig ist (BGH, NJW-RR 89, 956). So lag der Fall hier. Die Beklagten können auch nicht mit ihrem Einwand gehört werden, dass diese Kosten deshalb nicht erstattungsfähig seien, weil sie übersetzt seien. Der Geschädigte ist in der Regel berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Gutachtens zu beauftragen. Dabei ist es dem Geschädigten vor Erteilung des Gutachtenauftrages nicht zuzumuten, „Marktforschung“ zu betreiben und mehrere Kostenvoranschläge von Sachverständigen einzuholen, um einen möglichst kostengünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Der Geschädigte kann vielmehr regelmäßig von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen, soweit für ihn nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar quasi willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis stehen, oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt (OLG Köln, Urteil vom 16.10.1998, AZ: 6 U 38/98). Hierfür liegen keine Anhaltspunkte vor. Gerade im Hinblick auf die abgerechneten Nebenkosten weiß der Auftraggeber in der Regel vorher nicht, in welcher Höhe diese anfallen werden. Es ist lebensfremd anzunehmen, dass sich der Auftraggeber vor Erteilung des Gutachtens an den Sachverständigen mit diesem über die Höhe der abzurechnenden Nebenkosten einigt. Dass der Kläger keinen in Hannover ansässigen Sachverständigen beauftragt hat, ist ihm nicht anzulasten. Es muss ihm zugebilligt werden, einen Sachverständigen seines Vertrauens und seiner Wahl zu beauftragen.
c)
Zutreffend hat das Amtsgericht die Beklagten auch zur Erstattung weiterer 123,10 € Rechtsanwaltsgebühren verurteilt. Der Kläger durfte zur Abwicklung des Schadensfalles einen Rechtsanwalt beauftragen. Im Falle einer lediglich durchschnittlich aufwendigen Tätigkeit ist die Erhöhung der 1,3-fachen Geschäftsgebühr auf eine 1,5-fache Gebühr einer gerichtlichen Nachprüfung entzogen. Wie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 13.01.2011 (Az.: IX ZR 110/10) entschieden hat, steht dem Rechtsanwalt bei Rahmengebühren bei der Festlegung der konkreten Gebühr eine sogenannte „Toleranzgrenze“ zu. Für diesen Spielraum werden 20 % angesetzt. Hält sich ein Rechtsanwalt innerhalb dieser Toleranzgrenze – was er vorliegend getan hat -, ist davon auszugehen, dass die von ihm festgesetzte Gebühr nicht im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG unbillig ist und daher von dem Ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen ist.
Die Kammer schließt sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aus seinem Urteil vom 13.01.2011 an, ohne den Umstand zu verkennen, dass diese Rechtsprechung bei den Instanzgerichten teilweise auf Kritik gestoßen ist.
2.
Auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs, 2 ZPO liegen vor. Denn die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich und eine mündliche Vernehmung erscheint nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 – 4 ZPO).
II.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.
Hannover, den 24.04.2012
Landgericht, 4. Zivilkammer
Boah, da muss das Gericht in der Urteilbegründung wegen der Rechtsanwaltskosten doch noch mal nachtreten. Der Hinweis: „ohne den Umstand zu verkennen, dass diese Rechtsprechung bei den Instanzgerichten teilweise auf Kritik gestoßen ist“ gehört in die tägliche richterliche Kaffeetafel, nicht jedoch in die schriftlichen Urteilsgründe.