Hallo Leser, hier nun der angekündigte Beschluss des OLG Köln vom 12.1.2011 – 11 U 209/10 – zu der von der Beklagten eingelegten Berufung gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des LG Aachen. Das Urteil des LG Aachen und der Beschluß des OLG Köln können daher nur im Zusammenhanbg gelesen werden. Aus diesem Grunde sind die Urteils auch unmittelbar folgend hier im Captain-HUK-Blog eingestellt.
11 U 209/10
7 0 127/10
Landgericht
Aachen
OBERLANDESGERICHT KÖLN
BESCHLUSS
In dem Rechtsstreit
1.
2.
Beklagten und Berufungskläger,
gegen
Kläger und Berufungsbeklagten,
I.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO vorliegen.
Das Rechtsmittel hat keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
1.
Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht eine Verringerung des Haftungsumfanges der Beklagten nach den Regeln des gestörten Gesamtschuldnerausgleiches verneint unfallrechtlichen Haftungsauschluss verneint. Dieser käme in Betracht, wenn andere Schüler den Unfall schuldhaft mitverursacht hätten, ihre Haftung aber nach §§ 106 Abs. 1, 104, 105 SGB VII ausgeschlossen wäre (OLG Koblenz DAR 2006, 689 = NJW-RR 2006, 1174). Letzteres hängt davon, ob der Unfall schulbezogen ist. Dafür ist nach gefestigter Rechtsprechung maßgeblich, ob die Verletzungshandlung auf einer typischen Gefährdung aus engem schulischen Kontakt beruht und deshalb einen inneren Bezug zum Besuch der Schule aufweist oder nur bei Gelegenheit des Schulbesuchs erfolgt ist. Schulbezogen im Sinne dieser Rechtsprechung sind insbesondere Verletzunghandlungen, die aus Spielereien, Neckereien und Raufereien unter den Schülern hervorgegegangen sind, ebenso Verletzungen, die in Neugier, Sensationslust und dem Wunsch, den Schulkameraden zu imponieren, ihre Erklärung finden. Dasselbe gilt für Verletzunghandlungen, die auf übermütigen und bedenkenlosen Verhaltensweisen in einer Phase der allgemeinen Lockerung der Disziplin beruhen. Da der Haftungsausschluss bei Schulunfällen den Schulfrieden und das ungestörte Zusammenleben von Lehrern und Schülern gewährleisten soll, darf das Haftungsprivileg nicht eng ausgelegt werden. Die innere Verbundenheit von Schädiger und Verletztem, die in dem Unfall zum Ausdruck kommen muss, erfordert allerdings stets, dass die konkrete Verletzungshandlung durch die Besonderheiten des Schulbetriebes geprägt wird, was in der Regel eine engere räumliche und zeitliche Nähe zu dem organisierten Betrieb der Schule voraussetzt (so die Grundsätze der Rechtsprechung zusammfassend BGH NJW2009, 681,682m.w.N.).
Die Verletzung des Klägers ist dadurch entstanden, dass er im Gedränge an der Bushaltestelle nach vorne gedrängt und von hinten gestoßen worden ist, so dass er mit einigen anderen Schulkindern hingefallen und mit dem einen Fuß unter ein Rad des Busses geraten ist. Ob ein solches Geschehen nach den dargelegten Grundsätzen als schulbezogen eingeordnet werden kann, unterliegt schon Zweifeln. Aber selbst wenn man dies grundsätzlich für möglich erachtet (so BGH NJW 1982, 1042, 1044; auch NJW 1982, 37, 38), würde das zu keiner Haftungsminderung der Beklagten führen.
Zwar mag es nicht der Feststellung bedürfen, welche Schüler im einzelnen an dem Unfallgeschehen beteiligt waren (so BGH NJW 1982, 1042, 1044). Es müsste aber zumindest eine konkrete und schulhafte Mitverursachung des Unfalles durch andere Mitschüler festgestellt werden können, für die diese nur wegen des gesetzlichen Haftungssauschlusses nicht einzustehen haben; denn anderenfalls fehlt es an der für die Haftungsreduzierung nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldnerausgleiches notwendigen, allein durch die gesetzliche Priviligierung ausgeschlossenen Mithaftung. Eine dahingehende Feststellung ist im vorliegenden Fall nicht möglich. Ob und in welchem Umfang andere Schüler, die überdies nach § 828 BGB deliktsfähig hätten sein müssen, in schuldhafter Weise zu dem Unfallgeschehen beigetragen haben könnten, lässt sich weder dem Vortrag der Parteien noch den Aussagen der Zeugen entnehmen.
2.
Auch den Beklagten zu 2. hat das Landgericht zu Recht verurteilt. Den ihm nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG obliegenden Beweis, dass der Schaden des Klägers nicht durch das Verschulden des Beklagten zu 2. verursacht worden ist, hat er nicht erbracht. Soweit er geltend macht, mittels des in der staatsanwaltlichen Emittlungsakte befindlichen Fahrtenschreibers sei nachzuweisen, dass er Schrittgeschwindigkeit eingehalten habe, handelt es sich um einen neuen Beweisantritt, der nach § 531 Abs. 2 ZPO verspätet sein dürfte. Abgesehen davon hat der Beklagte zu 2. – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – die Zweifel daran nicht ausgeräumt, dass er die Schüler bei der eigentlichen Annäherung mit der erforderlichen Sorgfalt beobachtet hat.
3.
Die Höhe des zuerkannten Schmerzensgeldes begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.
4.
Wie das Landgericht ebenfalls richtig ausgeführt hat, ist durch die Deckungsanfrage beim Rechtsschutzversicherer des Klägers eine gesonderte Gebühr in 1,3-facher Höhe angefallen (KG AnwBI. 2010, 445), die die Beklagten dem Kläger im Wege des Schadensersatzes zu erstatten haben.
II.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen seit Zugang dieses Beschlusses. Die Frist kann nach § 224 Abs. 2 ZPO nur verlängert werden, wenn der Gegner zustimmt oder erhebliche Gründe glaubhaft gemacht werden. Auf die Möglichkeit einer kostengünstigeren Zurücknahme des Rechtsmittels wird hingewiesen (Nr. 1222 Kostenverzeichnis zu § 3 Abs. 2 GKG).
Köln, den 12.1.2011
Oberlandesgericht, 11. Zivilsenat
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